Fürstenfeldbruck:Ausbruch aus den Sehgewohnheiten

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Die reduzierten, abstrakten Fotografien treffen auf einfarbige Metallobjekte, die deren Wirkung unterstreichen. (Foto: Günther Reger)

Spannende Ausstellung im Haus 10 mit Fotografien und Metallobjekten

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Fotografien, die keine Motive zeigen, also nicht die Realität abbilden, so wie es der Betrachter eigentlich seit Einführung dieser Technik gewohnt ist, haben auch heute noch - in Zeiten von konkreter, abstrakter und sonst wie ausgeprägter Kunst - eine irritierende Wirkung. Man hat sich an Fettecken, Farbflächen und figurlose Metallskulpturen gewöhnt. Aber wenn ein Künstler schon eine Kamera in die Hand nimmt, wird immer noch erwartet, dass er seinem Betrachter damit einen Ausschnitt aus der Realität zeigt. Gerne auch bearbeitet oder verfremdet. Aber Gegenständlich soll es schon sein. Dabei öffnet schon die griechische Herkunft des Wortes Fotografie - eine Zusammensetzung aus Licht und malen - einen viel größeren Horizont. Einer, der Fotografien in eben jenem Wortsinne schafft, ist der Münchner Künstler Klaus von Gaffron. Seine Werke sind Farbbilder, die mehr an Malerei als an Fotos erinnern. In einer kleinen Ausstellung im Haus 10 in Fürstenfeld zeigt von Gaffron, Jahrgang 1946 und Vorsitzender des Berufsverbands bildender Künstler in Bayern, zusammen mit dem Objektkünstler Jochen Scheithauer einen kleinen Einblick in diese ungewohnte Motivwelt.

Mit den drei am Eingang der Ausstellung gezeigten Fotografien hat man die Möglichkeit, langsam in diese Welt einzutauchen. Die Bilder wirken wie hektische Alltagsszenen aus einem Einkaufszentrum oder einer Fußgängerzone, in denen Menschen bei langer Belichtung an der am Boden stehenden Kamera vorbeilaufen. Ob das wirklich das Motiv ist, wird allerdings nicht klar und auch der Künstler verrät nicht, wie und wo die Bilder, die offenbar in kurzem Abstand aufgenommen wurden, entstanden sind.

Bereits die nächste Werkgruppe von zwei Fotografien wird noch wesentlich abstrakter, selbst mit viel Mühe kann man nicht mehr erkennen, was zu sehen ist. Auf einem weißen Hintergrund ist eine zarte Farbfläche zu sehen, die sich von einem grauen bis hautfarbenen Ton in leichte Pastelltöne am Rand entwickelt. Den Farbakzent bildet eine rote Kugel und wieder ertappt man sich bei einem Interpretationsversuch. Ist es vielleicht ein vielfach vergrößertes Blutkörperchen? Egal.

Denn die drauf folgende Gruppe von sechs Werken wirft dann jegliche Interpretationsmöglichkeiten über Bord. Schwarze Farbflächen mit minimalen farblichen Strukturen, seien es weiße Linien, so unscheinbar wie ein mit der Hand verwischter Kreidestrich oder ein wenige Zentimeter großer, weißer Punkt im oberen Bilddrittel.

Diese Reduktion, das Entziehen jeglicher Farbe und Struktur, wirkt auf das Auge des Betrachters wie eine Katharsis alter Sehgewohnheiten, die den Blick endgültig frei macht für die zwei Bilder im letzten Raum der Ausstellung. Wieder auf weißem Hintergrund zeigt von Gaffron fantastisch wirkende Farbwaben, die wie der Blick durch ein Prisma die Vielfältigkeit des Blauen zeigen - vom weiß ins gehauchte Türkis entwickelnd, bis sich eben jenes kräftig entfaltet, um dann direkt in ein Königsblau überzugehen, das langsam zum zarten Rosa zerfließt. Gelernt hat von Gaffron sein Handwerk an der Münchner Akademie der Bildenden Künste, wo er erst Malerei und dann Fotografie studiert hat. Schon damals hat er mit allen Möglichkeiten der Fotografie experimentiert, bis heute die Verschmelzung der beiden Techniken weiterentwickelt.

Flankiert werden seine Fotografien von drei Metallinstallationen von Jochen Scheithauer, der ebenfalls an der Münchner Akademie studiert hat. Ein "roter Teppich" der sich gegenüber der Eingangstür an der Wand nach oben biegt, lädt den Besucher förmlich in die Ausstellung ein, verspricht ihm ein besonderes Erlebnis. Im Zwischenraum dagegen nutzt Scheithauer drei Betonausbesserungen im Holzboden, um sie aus Metall nachzubilden und dann versetzt darüber zu legen. In schwarz gehalten, nehmen die Objekte dabei die Farbe der Fotografien an den Wänden auf. Somit wird der Raum zu einem großen Gesamtkunstwerk. Steht man bei oder auch auf den Platten, und blickt in Richtung des letzten Raumes, kann man einen Blick auf den Rand von Scheithauers letztem Objekt erhaschen, das mit seinem grellen Grün, wie schon die rote Installation zuvor, wie eine Einladung wirkt. Die grüne Metallplatte sieht aus wie ein überdimensionales J und schmiegt sich an eine weiße Säule. Das Objekt versteckt sich quasi dahinter, ist aber dennoch präsent, jedoch nicht aufdringlich - weil es nicht von den Fotografien ablenkt. Vielmehr unterstützt es die Eindrücke, die die intensiven Farben der Bilder hervorrufen. Die Metallskulpturen unterstützen damit stets die Atmosphäre des Raumes, erwecken ihn quasi zum Leben und ergänzen durch ihre Einfarbigkeit und dreidimensionale Präsenz das durch die Bilder neu gewonnene Sehbewusstsein. Die Ausstellung entfaltet auch deshalb eine so starke Wirkung, weil sie sich auf wenige Kunstwerke beschränkt. So wird der Besucher nicht überfordert, sondern behutsam gleitet.

Ausstellung "Gleichklang", im Haus 10, Fürstenfeldbruck. Vernissage, Freitag, 6. November, um 19.30 Uhr, danach zu sehen bis zum 22. November, jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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