Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) gerät in die Kritik mit einem Bekenntnis, das auch die Kritiker an sich für gut halten: Jüngst verschickte die Stadt ein Foto, auf dem der OB zu sehen ist, wie er gemeinsam mit einem Mitarbeiter des Bauamts neben dem ersten Schild mit Brucker Fairtrade-Logo steht - am Ortseingang an der Bundesstraße 2 nahe dem Baumarkt. Insgesamt sollen es einmal sechs solcher Schilder sein. Aus Kreisen der Fairtrade-Initiative heißt es, Raff schmücke sich "mit fremden Lorbeeren", obwohl er den fairen Handel eher behindert als gefördert habe. Das sagt Claudia Calabrò, SPD-Stadträtin und langjährige Leiterin der mittlerweile aufgelösten Steuerungsgruppe. Sie wird sehr deutlich.
Mit dem Foto, das ist klar, soll das Signal gegeben werden, dass die Kreisstadt sich zu den Zielen des fairen Handels bekennt. Ein Handel, der den Produzenten von Lebensmitteln und Waren überall auf der Welt ermöglichen soll, von ihrer Arbeit zu leben. So werden die Preise für Fairtrade-Waren nicht nach Weltmarktpreisen kalkuliert, sondern nach den Bedürfnissen von Menschen und ihren Familien. Fairtrade-Kommunen haben sich der Förderung dieses gerechten Handels verpflichtet. Initiator der Kampagne ist der gemeinnützige Verein Transfair, der Siegel für fair gehandelte Produkte verleiht und das Bewusstsein für einen nachhaltigen Konsum fördern will. Fürstenfeldbruck erhielt im Januar 2016, damals noch unter Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV), für sein Engagement erstmalig die Auszeichnung. Gröbenzell, Puchheim, Olching und Germering haben ebenfalls die entsprechenden Nachweise erbracht. Treibende Kraft in der Kreisstadt war schon damals Claudia Calabrò.
Alle zwei Jahre wird überprüft, ob eine Kommune den Titel Fairtrade-Stadt noch zu Recht trägt. 2018 gelang dies. Ziel einer Weiterentwicklung ist es, fair gehandelte Produkte in noch mehr Geschäften und Einrichtungen einzuführen, selbst mit gutem Vorbild voranzugehen und aktiv Werbung zu machen. Nach Angaben der Stadt werden in der Verwaltung fair gehandelte Produkte wie Kaffee, Tee, Süßwaren, Wein, Obst und Saft verwendet. Auch der Inhalt von Präsentkörben werde entsprechend zusammengestellt. Einige Einzelhändler und Gastronomen engagieren sich besonders im Bereich Fairtrade, ebenso wie das Viscardi-Gymnasium als Fairtrade-Schule, das Graf-Rasso-Gymnasium mit den Schul-fair-besserern und der Verein "Eine Welt Zentrum" im Bürgerpavillon.
Eine Steuerungsgruppe mache "immer wieder auf den fairen Handel aufmerksam", heißt es in der Mitteilung der Stadt - obwohl diese Steuerungsgruppe sich jüngst aufgelöst hat. Die langjährige Fairtrade-Sprecherin Claudia Calabrò hatte das vor gut zwei Monaten im SZ-Interview mit fehlender Rückendeckung der Stadt begründet. Sie habe nicht den Eindruck, dass Bruck ehrliches Interesse an dem Siegel habe, die letztlich fünf Ehrenamtlichen der Steuerungsgruppe fühlten sich ziemlich alleingelassen.
Deshalb reagiert die Stadträtin auch reichlich angesäuert auf den Oberbürgermeister neben dem Schild: "Der OB, der da so freundlich in die Kamera lacht, ist derselbe, der letztes Jahr im November gegen die (von Calabrò beantragte) Anbringung der Schilder gestimmt hat", schreibt sie in den sozialen Medien. Als sich die Steuerungsgruppe aufgelöst habe, "kam noch nicht mal eine Reaktion von Seiten der Stadt". Dabei hatte das Thema durchaus hohe Wellen geschlagen: So hatte sich die Sozialinitiative "Brucker Brücke" als Reaktion auf das SZ-Interview in einer per Livestream übertragenen, von Inge Ammon moderierten Runde mit der Frage "Fairer Handel - in Bruck nicht gefragt?" beschäftigt. Zu Wort kamen neben Calabrò Walter Ulbrich von Campo Limpo, Peter Wehrle von der Olchinger Agenda 21 und Alfred Pichler von der KAB. Die Debatte drehte sich um den Fairtrade-Gedanken, sie ist noch auf Youtube abrufbar.