Fürstenfeldbruck:Auferstanden

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Die FDP ist nach zuletzt mehreren Wahldebakeln wieder dabei, sich als politische Kraft zu etablieren. Im Brucker Kreisverband herrscht Zuversicht für die Bundestagswahl. Übermütig werden will man trotz guter Prognosen indes nicht

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Christian Lindner war zwischenzeitlich ganz blass geworden, aber das ist nicht mehr wichtig, denn er steht jetzt sogar in Übergröße in Fürstenfeldbruck. Von den kleinen Plakaten, die der Regen aufgeweicht und nahezu farblos gemacht hat, hingen zwar lange noch einige Exemplare herum, die vom Besuch des FDP-Bundesvorsitzenden vor sechs Wochen kündeten, zwischenzeitlich aber hat die Partei Fotos ihrer Leitfigur auf riesige Poster gezogen und in der Nähe der Ampel aufgestellt, wo sich Schöngeisinger Straße und Oskar-von-Miller-Straße kreuzen und für gewöhnlich viele Autos vorbeikommen. Obwohl Lindner in einer Senke steht, ist er gut zu erkennen. Gerade wurde noch einmal neu plakatiert. Mehr Text ist jetzt drauf - und natürlich wieder Lindner. Er ist ja das Gesicht der FDP.

Lindners Wahlkampfauftritt in der Tenne im Fürstenfeldbrucker Veranstaltungsforum hatte mehr als 300 Zuhörer angezogen - Dimensionen, die die FDP gar nicht kennt. Deshalb hatte der Fürstenfeldbrucker Kreisverband auch gar nicht so viele Stühle aufgestellt, viele Besucher mussten stehen. Dennoch genossen sie bei der FDP den Abend wie kaum einen zuvor. Auf Facebook haben sie später ein Video von Lindners Rede eingestellt und Christian Heldwein, einer der drei stellvertretenden Kreisvorsitzenden, schwärmt noch beim Sommerfest des Kreisverbands Wochen später davon, dass der Abend "berauschend" gewesen sei. Wir sind wieder wer!

Die FDP hat keine guten Jahre hinter sich. 2013 aus dem Bundestag geflogen, auch dem bayerischen Landtag gehört sie nicht mehr an und im Landkreis ist sie gerade mal mit einer Handvoll Kommunalpolitikern in den Gremien vertreten. Zwar gelang es der Partei, bei den Kommunalwahlen vor drei Jahren in Olching und Emmering jeweils ein Mandat in Stadt- und Gemeinderat zu erringen, doch im Kreistag wurden aus vier FDP-Vertretern zwei, im Stadtrat von Fürstenfeldbruck sitzt gar nur noch Klaus Wollenberg. Er ist schon lange dabei, hat erst kürzlich für sein politisches Wirken die kommunale Verdienstmedaille in Silber bekommen. Doch das Einzelkämpferdasein frustriere ihn manchmal, sagt er. Wollenberg sehnt sich nach einer eigenen Fraktion: "Das ist doch ganz was anderes, als immer nur Kompromisse zu machen".

Nicht nur gelb ist die FDP wie früher mal, sondern auch ein bisschen magenta. Die Würfel mit dem Logo zierten den Auftritt der FDP vor wenigen Wochen in Fürstenfeldbruck. (Foto: Günther Reger)

Nach den Wahldebakeln seien "viele extrem frustriert gewesen", erinnert sich Hendrik Grallert, der seit drei Jahren Kreisvorsitzender ist. Ähnlich wie Lindner, der die FDP seit dem Krisenjahr 2013 führt, kam Grallert ans Ruder zu einem Zeitpunkt, als es auf Bundes- und Landesebene richtig schlecht lief. Während die Partei auf Bundesebene umgekrempelt wurde, "haben wir einfach weitergemacht", sagt Grallert. Im Landkreis hielt die FDP an ihren monatlichen Veranstaltungen fest, es gibt den liberalen Gesprächskreis, der sich regelmäßig vor allem überregionalen Themen widmet, dazu Dreikönigstreffen, Fischessen und immer wieder Veranstaltungen zur Bildungspolitik. "Das hat auf Dauer gewirkt", sagt Grallert. In der Wahrnehmung der Menschen heiße es deshalb: "Es gibt sie noch vor Ort, die FDP."

Dabei wirkt die Partei nach außen hin ruhiger, seit der 37-jährige Grallert seinen umtriebigen und streitbaren Vorgänger Klaus Rehbock abgelöst hat, der später sogar aus der Partei austrat. Vor allem die Ortsverbände in Olching, Gröbenzell und Eichenau haben sich gut aufgestellt und in Eichenau hat in Peter Münster sogar ein FDP-Mann das Rathaus erobert. Beim Besuch des Bundesvorsitzenden Lindner erinnerte Münster in seiner Begrüßungsrede daran, dass die FDP bei allen Bürgermeisterwahlen, zu denen sie in den vergangenen 15 Monaten einen Kandidaten ins Rennen geschickt habe, diese Wahl auch gewonnen habe. Münster selbst im Juli vergangenen Jahres, dann Alexander Putz in Landshut, die ehemalige bayerische Generalsekretärin Miriam Gruß in Gundelfingen und Peter Kress in Karlstein. Das sei "ein ganz guter Anfang". Im Landkreis ist Münster der einzige FDP-Bürgermeister, er bleibt dennoch bescheiden: Er sei einfach nur "ein Farbsprengsel mehr".

Einen "spürbaren Aufwind" hat Münster für seine Partei aber schon wahrgenommen. Der Brucker Kreisverband verbuchte seit Jahresanfang ein halbes Dutzend neue Mitglieder, 99 Frauen und Männer gehörten zuletzt im Landkreis den Freien Demokraten an, womit diese Zahlen freilich noch weit entfernt sind von jenen aus den Achtzigerjahren, als die Partei im Landkreis 180 Mitglieder hatte. Vor gut 15 Jahren waren es immerhin noch 120 - eine Marke, sagt Münster, die man "schnellstmöglich" wieder erreichen wolle. Möglicherweise muss die FDP auch aktiver um die Menschen werben. "Wir Liberale sind nicht unbedingt so Menschenfischer. Wir warten eher ab, dass die Leute von sich aus kommen", hat Klaus Wollenberg festgestellt. Und so darf es seiner Ansicht nach in den Ortsverbänden Fürstenfeldbruck und Germering gerne etwas aktiver zugehen. Auch brauche man mehr "Multiplikatoren vor Ort", sagt Wollenberg. Immerhin waren unter den etwa 30 Besuchern kürzlich beim Sommerfest des Kreisverbands im Emmeringer Bürgerhaus sogar drei Nichtmitglieder, "das wäre vor drei, vier Jahren noch undenkbar gewesen", sagt Kreisvorsitzender Grallert.

Christian Lindner vor wenigen Wochen in Fürstenfeldbruck, wo er von den drei stellvertretenden Kreisvorsitzenden (von links) Andreas Schwarzer, Birgit Thomann und Christian Heldwein umringt wird. (Foto: Günther Reger)

Was aber macht die FDP plötzlich wieder attraktiv? Ihr charismatischer Bundesvorsitzender als eine Art Alleinunterhalter, gleichwohl. "Der zieht im Moment wie kein anderer bei den Liberalen", weiß auch Wollenberg und plädiert deshalb dafür, "den Lindner nach der Wahl mal wieder einzuladen oder auch den Kubicki (stellvertretender Bundesvorsitzender, Anm. d. Red.) und wieder so eine Großveranstaltung zu machen". Für Bürgermeister Münster ergibt sich die Attraktivität der FDP auch daraus, dass "es im Bundestag derzeit nur staatstragende Parteien gibt. Wir sind die einzigen, die dagegen stehen." Auch Andreas Schwarzer, Bundestagskandidat im Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau, hatte den FDP-Mitgliedern und -Sympathisanten beim Lindner-Besuch zugerufen: "Wir sind die einzige Partei, die weniger Staat will." Und die FDP sei sich treu geblieben: "Wir sind nicht die Umfallerpartei!" Sondern die einzige, "die Grundprinzipien hat, die unverrückbar sind". Der Liberalismus sei eine Haltung, die bei jeder politischen Entscheidung die Richtschnur ist.

Vor allem Bildung ist eine der Herzensangelegenheiten. Über "Arbeitsmarkt und Bildung 4.0" wollen Schwarzer und seine Kandidatenkollegin für Starnberg-Landsberg-Germering, Britta Hundesrügge, am kommenden Montag in der Stadthalle Germering mit der Professorin Yasmin Weiß, die auch Beraterin der Bundesregierung ist, diskutieren. "Politik muss man erklären", ist das Credo von Bürgermeister Peter Münster. Gerade die letzte FDP-Bundestagsfraktion habe hierbei Fehler gemacht. Siehe Hotelsteuer - eine Idee, sagt Münster, die ursprünglich von der CSU stammte, aber schließlich nur noch mit der FDP in Verbindung gebracht worden sei. Man wolle sich der Anliegen derer annehmen, die in der Mitte der Gesellschaft stehen, hatte Hundesrügge vor einiger Zeit der SZ gesagt: "Wir möchten uns um die kümmern, die jeden Tag zur Arbeit gehen, die wie ich verheiratet sind, Kinder haben, das Rückgrat der Gesellschaft sind, sich engagieren."

Wird man die erreichen? Was ist also drin bei der Bundestagswahl am 24. September? Andreas Schwarzer kandidiert schon zum zweiten Mal, 2013 hatte er nur 2,2 Prozent der Erststimmen geholt, bei Daniela Seidl, die 2009 kandidiert hatte, waren es noch 11,2 Prozent gewesen. Bei den Zweitstimmen im Landkreis sank die FDP von 16 auf knapp fünf Prozent. "Die großpolitische Wetterlage hat da voll durchgeschlagen", sagt Wollenberg. Auf eine Prozentzahl, die die Partei am Ende des Wahlabends erreicht haben soll, will sich Bürgermeister Münster indes nicht einlassen. Die jüngsten Meinungsumfragen sehen die FDP zwischen acht und zehn Prozent. Die Protagonisten im Landkreis wollen zurückhaltend bleiben. "Wir werden nicht übermütig werden", verspricht Hendrik Grallert, "aber Platz drei wäre schön."

© SZ vom 02.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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