Kunst-Workshop für Kinder:Auf Spurensuche in der Gründerzeit

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Blick nach vorne: Die 14 Nachwuchskünstler haben in den vergangenen vier Tagen unter anderem ein großes Gesamtkunstwerk angefertigt. Es zeigt die verschlungenen Pfade des Lebens. (Foto: Günther Reger)

14 Kinder und Jugendliche zeigen bei einem Kunst-Workshop ihre vom Flair der Haeusler-Villa inspirierten Werke

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

In den alten Bäumen im Garten der Kester-Haeusler Stiftung hängen große Papierfahnen von den schweren Ästen. Darauf zu sehen sind die knalligen Selbstportraits von 14 Mädchen und Buben, die in den vergangenen vier Tagen bei einem Ferienworkshop der Kunst frönen durften. An einem Baum lehnen bunt geringelte "Kraftstäbe", auf dem steinernen Treppengeländer der alten Villa reihen sich Leinwände bemalt mit Symbolen aneinander. Nicht weit entfernt hängt auf einem riesigen Stück Papier das Gesamtkunstwerk der Gruppe: Ein abstrakter Lebensweg, der die Gänge eines Labyrinths in Sonnenblumengelb, Fuchsia, Indigo, Signalrot und Violett zeigt. Das Gemälde ist gespickt mit Symbolen: Einem Fußabdruck für die Spuren, die wir hinterlassen, ein Schuh steht für die Wanderschaft, eine Träne für die schweren Zeiten im Leben. In einem der Räume liegen Collagen, die die antiken Lieblingsmöbelstücke der Kinder aus der Villa als Gemälde zeigen. Darauf kleben die Gesichter der Buben und Mädchen sowie moderne Gegenstände wie Drucker und Computer. Es ist die bildgewordene Reflexion über das Vergangene, die Gegenwart und das Selbst.

Es ist die Vernissage zum Workshop der Kester-Haeussler-Stiftung für Kinder von fünf bis 14 Jahren. Viele Eltern sind gekommen und werden prompt an den Händen gepackt, will doch jeder zeigen, was er in den vergangenen Tagen gezeichnet und gemalt hat. Ziel des Workshops war vor allem die Auseinandersetzung der Kinder mit dem eigenen Ich aber auch mit der Lebenswelt und Ästhetik des 19. Jahrhunderts anzuregen. Die Gründerzeitvilla der Stiftung und die darin ausgestellten Werke des Brucker Malers Karl Trautmann boten dafür die beste Kulisse. "Die Trautmann-Bilder waren vor allem für das Ornamentale ausschlaggebend", erklärt die Künstlerin Gisela Prokop, die den Workshop geleitet hat. Sie schwärmt davon, dass die Kinder hier die Möglichkeit hatten, Originale zu bestaunen und sich von dem Flair der Villa inspirieren zu lassen. Prokop hat Kunstgeschichte studiert. Ihren Schwerpunkt "Symbolforschung" ließ sie auch in den Workshop mit einfließen. Die Kinder sind fasziniert. Marlon, 9 Jahre alt, war gar nicht klar, welche Bedeutungen sich hinter den Zeichen verstecken können. Eine Mutter erzählt der Künstlerin ganz erstaunt, dass sich ihr Sohn gleich die ISBN-Nummer von dem großen Symbolik-Buch aufgeschrieben hat, das Prokop im Workshop verwendet hat.

Auch Viktoria, Lukas und Christina sind ganz begeistert. "Weil man draußen malen durfte", "weil man selbst aussuchen konnte, was man malen will", und, fügt Marlon hinzu, "weil ich es cool fand, dass man sich auf das Papier legen durfte". Auf das Papier legen? Er zeigt zu den großen Fahnen mit den Selbstportraits. Die Kinder haben die Umrisse ihrer Körper gegenseitig aufs Papier gezeichnet, anschließend durfte sich jeder selbst ausmalen und einen Gegenstand oder ein Symbol hinzufügen, dass ihm besonders wichtig ist. Bei Marlon ist das ein Fußball, weil er später Profi beim FC Barcelona werden will. Christina hat ein ornamentales Gymnastik-Trikot gewählt, Viktoria ein Fahrrad und Lukas hat sein Alter Ego in Acryl mit schwarz-roten Sneakers ausgestattet, "weil die einfach gut aussehen".

Von den Kunstwerken sind nicht nur die Eltern begeistert, sondern auch Karin Wolfrum, die Beauftragte des Vorstands der Stiftung. "Wir wollten etwas machen, was die Schule in dem Umfang, wie wir ihn für nötig halten, heute nicht mehr leisten kann", erklärt sie. Nicht als Demonstration dafür, wie man es besser machen kann, sondern als Ergänzung zum Schulunterricht. Und um den Zugang junger Menschen zu Kunst und Kultur zu fördern. Sieht man in die zufriedenen Gesichter der Kinder, scheint es, als wäre das gelungen.

© SZ vom 08.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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