Fürstenfeldbruck:Auf Spurensuche

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In ihrer Ausstellung in den Räumen der Sparkasse lassen die Olchinger Künstler eine tiefgründige Sammlung teils doppeldeutiger Skulpturen, Fotografien und Gemälde entstehen

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Ganz hinten, versteckt in einer Ecke, lässt das Werk des Künstlers Veit-Peter Walther den Betrachter einen Blick auf das Konsumverhalten der Landkreisbewohner werfen. "Unser täglich Brot gib uns heute", heißt die Collage. Sie besteht aus Zettelchen und Papierfetzen, die nach dem Einkauf achtlos auf dem Boden des Supermarktes zurückgelassen wurden. Walther hat die Einkaufszettel gesammelt und zu einem Gesamtkunstwerk mit skurrilem Charakter vereint. Auf den Zetteln, teils fein säuberlich aufgereiht, teils mit schneller Hand dahingekritzelt, findet sich eine Aufzählung schlichter Konsumgüter, dazwischen immer wieder Begriffe, die schmunzeln lassen. Zwischen Bier und Brot tauchten 1 Kilo griffiges Mehl und der, die oder das "Schwömmel" auf. "Es ist witzig, was die Leute jeden Tag an Spuren hinterlassen", sinniert Walther. "Was auch immer ein Schwömmel ist."

Walthers Kunstwerk ist eines der insgesamt 52 Arbeiten der 24 Künstler, die in der Ausstellung "Spuren" im ersten Stock der Sparkasse Fürstenfeldbruck zu sehen sind. Die Arbeiten stammen von den Olchinger Künstlern, die das Thema der Ausstellung auf ganz unterschiedliche Weise verarbeitet haben. Klaus Kühnlein etwa, der an einer in Blautönen bemalten Leinwand drei eigenartig anmutende Plastikkokons von Schnüren baumeln lässt. "Genmanipuliert. Kann Spuren von Haselnüssen und Schalenfrüchten enthalten", heißt das Bild, das den Betrachter etwas ratlos zurücklässt. Erst bei näherem Betrachten schimmern drei antike Kinderpuppen durch die Folie hindurch und lösen spontanes Befremden aus. "Als Installation hat der Künstler das schon einmal in Adelshofen in Bäume gehängt. Damals waren noch ein paar Rüben im Plastik", erzählt Gerd Gruber, der Leiter der Olchinger Künstler.

Zeichen der Zeit: Es sind Spuren, die die Natur hinterlassen hat, die Gerd Gruber zu seiner Skulptur inspirieren. (Foto: Günther Reger)

Gegenüber stehen auf einer Stele zwei alte Bücher, in deren Seiten die Künstlerin Tanja Xeller heimlich, still und leise versteckte Botschaften gefaltet hat. Es braucht einige Sekunden, bis sich aus den zunächst abstrakten Formen, die sich durch die Faltungen ergeben, einzelne Buchstaben und schließlich ein Wort herausschält: "Zeit" ergeben die einzelnen Bruchkanten. Margot Vogel hat das Thema der Ausstellung auf abstrakte Weise umgesetzt. "Am Wasser" und "Am Brunnen" sind Mixed-Material-Collagen in Schlieren und Spritzern aus türkisem, blauem und grünem Acryl. In die Bilder eingearbeitet sind Netze und kleine Holzstäbchen, die dem schillernden Abstrakt des Wassers Struktur verleihen.

Einige Meter weiter hängt ein mit ruhiger Hand gemalter Ausschnitt eines Tennisfeldes. Jedes Detail, jeder Schattenwurf ist zu erkennen - und natürlich auch die Spur, der Abdruck des Tennisballs auf der Kreidelinie. Er hat die winzigen Staubpartikel durch seinen satten Aufprall einige Millimeter weit in die entgegengesetzte Richtung geschleudert. Es ist eine stille Momentaufnahme, die trotzdem sofort eine Reihe bewegter Bilder im Kopf des Betrachters erzeugt. Es ist der Detailblick durch den Sucher eines Künstlers, der gelernt hat, innezuhalten und zu beobachten. Das Bild stammt von Gerd Gruber, der bereits seit seinem fünften Lebensjahr zeichnet und malt. "Ich war ein wildes Kind", erzählt er. Nur in den Momenten, in denen seine Mutter ihm ein Blatt Papier auf den Tisch gelegt hat, war das anders. "Wenn es geheißen hat: "Malen", war ich für niemanden mehr zu sprechen", erzählt er.

Maria Knoll setzt sich mit den "Spuren der Verwüstung" auseinander. (Foto: Günther Reger)

Gruber widmet sich als Künstler auch der Objektkunst. Eine seiner Skulpturen "Vergänglichkeit" ist aus zwei unterschiedlichen Holzstrukturen zusammengesetzt. Der Sockel besteht aus einem verwitterten Stamm, darauf steht eine Scheibe eines Weidenbaums, durch die sich eine schwarze Marmorierung zieht. "Die feinen Linien kommen von einem Pilz, der den Baum befallen hat", erklärt Gruber. "Es ist erstaunlich, was dabei herauskommt. Das ist die reine Natur", sagt der Künstler.

Unweit davon hängen die Fotografien von Niclas Willam-Singer, eine davon trägt den Titel "Das Brummen einer 747 eine Minute nach ihrem Überflug". Sie zeigt einen Ausschnitt des Abendhimmels, zerschnitten vom orangefarbenen Kondensstreifen eines Flugzeugs. Darunter nehmen orangerote Streifen aus Acryl die Linie wieder auf. "Himmel und Wolken faszinieren mich schon immer", sagt Willam-Singer, der tausende fotografisch festgehaltener Himmelsfragmente zu seiner Sammlung zählt. Die farblichen Ergänzungen seien eine Art Spielerei. "Sie entstehen aus dem Bauch heraus", sagt er. Daneben: Zwei Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Beide zeigen eine tote Amsel auf grobporigem Asphalt. "Natürlich ist das morbide. Aber ich wollte den Leuten sagen: Schaut einfach mal hin, wo ihr geht", sagt er. Ein Bild, vor dem es sich lohnt, stehen zu bleiben.

Den Olchinger Künstlern ist hier eine reflektierende Ausstellung gelungen von höchst unterschiedlichem künstlerischem Anspruch und abwechslungsreicher Ausdrucksweise. Die Ausstellung "Spuren" nimmt den Betrachter mit auf eine Reise, auf ein geheimes Unterfangen, das viel Raum zur Interpretation lässt und mit Sicherheit einen Abstecher wert ist.

Die Vernissage der Ausstellung findet am Donnerstag, 24. September, um 19 Uhr statt. Bis zum 9. Oktober kann sie zu den regulären Öffnungszeiten der Sparkasse im ersten Stock besichtigt werden.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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