Fürstenfeldbruck:Auf der Suche nach Identität

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Fachkongress der Logotherapeuten im Veranstaltungsforum

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Europa und die Frage nach der europäischen Identität beschäftigen Otto Szok seit seinem 16. Lebensjahr. "Ich habe 24 Jahre lang in einer Diktatur gelebt, unter Ceaușescu in Rumänien", sagt der Leiter des Süddeutschen Instituts für Logotherapie und Existenzanalyse. Szoks Aufwachsen während der Zeit des Ost-West-Konflikts und damit sein persönlicher Zugang zur Frage nach Europa und europäischer Identität ist nur einer der Gründe dafür, dass er und Nadja Palombo sich als Leiter des Instituts dafür entschieden haben, ihren Jubiläumskongress unter dieses Motto zu stellen. Auch angesichts der Krisensituation, in der sich Europa seit einigen Jahren befinde, sei die Wahl auf dieses Thema gefallen. Das Institut, das vor 30 Jahren in Fürstenfeldbruck gegründet wurde, beschäftigt sich mit einer von 14 wissenschaftlich anerkannten Psychotherapieformen in Europa.

Der Begriff Logotherapie leitet sich vom griechischen Wort logos ab. Dieses kann nicht nur mit "Wort" oder "Rede" übersetzt werden, sondern steht im weiteren Sinne für "Sinn" und "Gehalt". Die von dem österreichischen Psychiater und Holocaust-Überlebenden Viktor Trinkl begründete Therapieform konzentriert sich demnach auch auf die geistige Dimension des Menschen. "Sie denkt Transzendentes mit", erklärt Palombo. Das bedeute ganz konkret, dass während der Beratung eines Menschen, der sich etwa in einer Krisensituation befindet, Fragen nach seinem Glauben mit in den Gesprächsinhalt aufgenommen werden. "In anderen Richtungen wird dieser Aspekt sehr stark ausgegrenzt", sagt Palombo. Der Wille zum Sinn wird als primäre Motivationskraft des Menschen angesehen und darüber hinaus versteht die Logotherapie den Menschen als in Verbünde eingebettet. Der Mensch an sich ist nicht isoliert zu sehen. Szok findet dafür folgendes Beispiel: Lässt ein Paar, das gemeinsame Kinder hat, sich scheiden, nehmen beide Partner sich oft als voneinander getrennte Individuen wahr. "Sie merken nicht, dass der Sinn des Wir für das Kind eine bleibende Ebene hat."

Gerade der Aspekt, dass Menschen nicht isoliert betrachtet werden, soll im Jubiläumskongress eine übergeordnete Rolle spielen. Denn beleuchtet wird dort der Einfluss der Gemeinschaft auf die eigene Identitätsfindung und Sinn- und Wertgefühl im Kontext Europas. Zum Kongress "Logotherapie und Identität in Europa" erwarten Szok und Palombo rund 180 Besucher aus zehn Ländern. 20 Referenten halten von Freitag, 15. April, bis Sonntag, 17. April, Vorträge im Veranstaltungsforum. Darunter Berthold Goerdeler, der Enkel von Carl Friedrich Goerdeler, der während der späteren Jahre des Nationalsozialismus im Widerstand gegen Hitler aktiv war. Berthold Goerdeler spricht am Sonntag von 12.15 Uhr an über "das Vorbild von Carl Friedrich Goerdeler als Ansporn für unser Leben heute in Europa." Außerdem wird Walter Kohl am Samstag von 9.45 Uhr an einen Vortrag über Viktor Frankl halten.

Vorträge wie diese zu organisieren, machen nur einen Teil der Arbeit des Instituts aus, das von der österreichischen Psychotherapeutin und klinischen Psychologin Elisabeth Lukas gegründet wurde. Es gibt dort auch eine berufsbegleitende Logotherapie-Ausbildung sowie Beratung für Menschen in problematischen Lebenssituationen. Lukas ist eine der bekanntesten Nachfolgerinnen Frankls. Sie machte sich nach dem Studium in Wien und beruflichen Erfahrungen in der Familienfürsorge in München mit dem Institut für Logotherapie und Existenzanalyse in Bruck selbständig. Im März 2003 hat Otto Szok gemeinsam mit Nadja Palombo die Leitung des Instituts übernommen.

© SZ vom 15.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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