Fürstenfeldbruck:Auf der Suche nach Erfüllung

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Tausende Besucher kommen zu den zehnten Fürstenfelder Gesundheitstagen. Neben zahlreichen Ausstellern, Vorträgen und Workshops, geht es diesmal auf der Messe auch um ganz essenzielle Fragen. Fünf prominente Gäste diskutieren über Glück

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Tausende Besucher flanieren auf den Fürstenfeldbrucker Gartentagen an den Ständen der rund 100 Ausstellern vorüber. Vor dem Stand mehrerer Shiatsu Praktikerinnen drängt sich eine kleine Menschentraube, die Termine sind begehrt. Und während auf großen Liegematten zwei Besucher unter vollem Körpereinsatz tiefenmassiert werden und dabei Füße zwischen Oberschenkel und Unterarme geklemmt werden, arbeiten zwei Frauen am Stand einer Joggingschule gegenüber an ihrer kognitiven Fitness. Die Medizinerin und Projektmanagerin der Gesundheitstage, Maria Leitenstern-Gulden, ist "hoch zufrieden" mit der diesjährigen Messe. Immerhin habe das schlechte Wetter dem seit Jahren hohen Besucherstrom keinen Abbruch getan. Leitenstern-Gulden vermutet, dass am Samstag und Sonntag so viele Besucher gekommen waren wie im Vorjahr, also rund 14 000.

Und während die Besucher das Angebot der etwa 100 Aussteller und der regionalen Genussmeile gut annehmen, diskutieren im Kleinen Saal des Veranstaltungsforums auf dem Klostergelände am Sonntagnachmittag fünf ganz besondere Gäste über eine der wohl essenziellsten Fragen der Menschheit. Nämlich darüber, was Glück bedeutet. Moderiert wird die Diskussion von der Philosophin Judith Tech, die gleich zu Beginn von den Gästen wissen möchte, ob Glück etwas Herstellbares oder Erlernbares, etwas vom Zufall oder von Botenstoffen Abhängiges ist. Ob Glück tatsächlich ein Lebensziel sein kann. Die Antworten auf ihre Frage fallen, wie sollte es auch anders sein, höchst unterschiedlich aus, und zeigen, dass Glück vor allem eines ist: individuell definiert.

Buntes Programm: Neben dem Rollstuhlparcours sind auf den Gesundheitstagen noch etwa 100 weitere Aussteller vertreten. (Foto: Johannes Simon)

Die Schauspielerin Monika Baumgartner aus Gröbenzell sagt, sie definiere Glück aus ihrem momentanen Zustand heraus. Dankbar und glücklich mache sie aber allein schon der Umstand, nach dem Krieg geboren zu sein, aber auch ihre Arbeit, die sie erfülle. Für Asylhelferin Birgitt Epp hängt Glück hingegen ganz stark mit ihrem Ehrenamt zusammen. "Ich habe das Glück in Deutschland geboren zu sein", sagt sie. Dafür könne sie zwar nichts, aber sie sei darüber glücklich. Gerade dann, wenn sie von den schweren Schicksalen der Flüchtlinge hört, um die sie sich kümmert.

Zu ihrem Glücksempfinden komme aber noch ein anderer Aspekt, so Epp. Die Freude der Flüchtlinge, etwa, wenn sie mit ihnen gemeinsam eine Wohnung gefunden hat, einen Arbeitsplatz, eine Ausbildungsstelle. "Das ist pures Glück. Das geht so tief, das kann man mit Geld nicht kaufen", sagt Epp.

Für Anselm Bilgri, Theologe, Publizist und ehemaliger Benediktinermönch im Kloster Andechs, kann man Glück nur dann erreichen, wenn man annehmen kann, was ist, wenn man entschleunigt, wenn man eine gute Balance zwischen Arbeit und freier Zeit findet. Und er ist der Meinung, dass Glück vor allem in Beziehungen zu Menschen zu finden ist. Eine Meinung die er nicht nur mit Raphael Fellmer, dem Autor des Buchs "Glücklich ohne Geld" teilt. Fellmer lebt seit Jahren ohne Geld. Glück aber macht Fellmer nicht unbedingt von Geld abhängig. Denn Geld allein mache nicht glücklich, doch das heiße wiederum nicht, dass das Leben mit Geld von vornherein unglücklich mache. Vielmehr plädiert der Autor dafür, sich auf das zu besinnen, was man hat und dafür Dankbarkeit zu empfinden. "Dafür, dass wir in Frieden leben, Freunde haben, einen gesunden Körper", schlägt er vor.

Auch die beliebte Genussmeile darf nicht fehlen. (Foto: Johannes Simon)

Schnell entspinnt sich während der Diskussion eine Debatte um die Schnelllebigkeit unserer Zeit, um das Schritt-halten-müssen und den ewigen Vergleich mit und den Neid auf andere. Monika Baumgarner gibt zu bedenken, dass das Umfeld, in dem wir uns bewegen, einen Einfluss darauf hat, was wir meinen, tun und leisten zu müssen. An dieser Stelle klinkt sich Bilgri ein. Das Materielle an sich verteufelt der Theologe nicht. Auch Statussymbole dürfen seiner Ansicht nach da sein. Es komme lediglich darauf an, über was man seinen Selbstwert definiere. "Darüber, was ich habe, oder darüber, was ich bin", sagt er.

Dass ein großer Teil des persönlichen Glücks in den Beziehungen zu anderen Menschen besteht, darin mit ihnen zufrieden zu sein, auch in schwierigen Zeiten füreinander da zu sein, darüber sind sich die Gäste auf dem Podium einig. Moderatorien Judith Tech fasst zusammen: "Die Schnittstelle ist: jeder muss für sich herausfinden, was dem entspricht, was ich bin. Zum Glück gehört auch Muße und nicht nur immer schnell, schnell zu machen. Und ich muss für meine Entscheidungen Rede und Antwort stehen können und sie nicht nur treffen, weil das die Gesellschaft so verlangt." Von Epp, Fellmer, Baumgartner und Bilgri kommt nach einiger Bedenkzeit Zustimmung. Einen kurzen Moment lang, weiß niemand, wer nun sprechen soll, dann ergreift Fellmer das Mikrofon. "Was machen die Menschen auf dem Sterbebett? Sie bereuen, was sie nicht getan haben", sagt er und plädiert dafür, in sich zu gehen, auf sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu hören. "Und zwar nicht erst am Lebensende."

© SZ vom 13.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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