Fürstenfeldbruck:Applaus, Applaus

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Nach 15 Jahren Abstinenz sind die Sportfreunde Stiller für ein Konzert zurück in ihre Heimatstadt Germering gekommen. Die Fans verzeihen ihren Lieblingen die lange Abwesenheit schnell, dann wird gemeinsam gerockt

Von Florian J. Haamann

Kurze Dunkelheit. Das ungeduldige Gemurmel verstummt. Für einen Moment herrscht sogar Stille. Und plötzlich ein bombastisches Feuerwerk aus der Lichtorgel, rote und weiße Lichter zucken. Die Spots rasen durch die Halle, über die Köpfe des Publikums hinweg. Während die Bühne hinter den grellen Strahlen quasi verschwindet erste frenetische Schreie. Und als sich das Licht etwas beruhigt, stehen sie da. Die drei - ja was eigentlich? Jungs? Männer? - na ja, die drei Typen eben, auf die die 1400 Besucher in der ausverkauften Stadthalle gewartet haben. Manche eine, manche zwei Stunden in der Halle, andere noch länger, als die jüngsten Besucher überhaupt leben. Denn ganze 15 Jahre ist es her, dass die Sportfreunde Stiller zuletzt in ihrer Heimat Germering aufgetreten sind.

Dass dieser Abend aber kein nostalgischer Rückblick wird, macht das Trio gleich mit dem Opener klar. "Raus in den Rausch" ist der erste Titel ihres neuen Albums "Sturm & Stille", das sie im September 2016 veröffentlicht haben. Für die Fans ist das keine Herausforderung, begeistert summen einige den Refrain mit, in den ersten Reihen bewegen sich die ersten Körper. Und die Textzeile "Kind und Kegel, Mann und Maus - alle da, volles Haus" fasst die Situation ganz gut zusammen. Gekommen sind Fans, die mit den drei Musikern groß geworden sind, Jugendliche, die die großen Zeiten Mitte der Zweitausender kaum bewusst erlebt haben können, aber ebenso Besucher, die schon lange vor den ersten Auftritten der Band im Germeringer "Knast" erwachsen waren. Eine Stichprobe durch Sänger Peter Brugger ergibt, dass mindestens ein Drittel der Besucher aus Germering kommt, darunter seine Schwester, die er unter großem Applaus grüßt.

Mit "Komm schon" packen Brugger, Schlagzeuger Florian Weber und Bassist Rüdiger "Rüde" Linhof dann doch direkt einen Klassiker aus. "Wir freuen uns sehr, nach gefühlten 25 Jahren wieder in unserer Heimatstadt zu spielen", richtet Brugger ein paar Worte an das Publikum. Man spürt zwar, dass es durchaus ernst gemeint ist, und doch spürt man vor allem in den ersten Minuten des Konzerts noch ein gewisses Fremdeln zwischen Musikern und Publikum in der Halle, wie bei einem Besuch der Eltern, den man viel zu lange vor sich her geschoben hat und bei dem schon bei der Begrüßung ein gewisser unausgesprochener Vorwurf mitschwingt.

Dann macht Brugger das, was in solchen Situationen in Bayern immer hilft. "Ich trinke jetzt erst mal ein Weißbier auf euer Wohl", spricht er und setzt das Glas an. Zu den ersten Takten von "Sieben Tage, Sieben Nächte" kommt ihm dann noch ein kleiner Reim über die Lippen. "Ich bin mal gespannt, ob alle springen, wenn wir gleich wieder singen". Die Germeringer also verzeihen und springen begeistert. Als dann der erste Hit der Band "Ein Kompliment" erklingt, dürfen sie sogar den Refrain singen und zu dem Klang aus den mehr als Tausend Fankehlen verschwinden auch die Unstimmigkeiten wohl endgültig, es ist vergeben und verziehen.

"Wenn man so will, bist du meine Chill-Out-Area, meine Feiertage in jedem Jahr, meine Süßwarenabteilung im Supermarkt", singt Brugger seinen Fans entgegen. Seine Stimme klingt noch immer so, als habe sie irgendwann kurz nach seinem Übertritt aufs Carl-Spitzweg-Gymnasium beschlossen, sich aus Protest gegen die Welt der Erwachsenen nicht mehr weiter zu entwickeln. Doch genau dieses leicht gepresste, manchmal etwas unharmonische Krächzen ist es ja, für das die Fans ihre Sportfreunde lieben und der Rest der Musikwelt sie kritisch beäugt.

Nach gut einer Stunde blickt Brugger auf seine Setlist und erklärt, dass nun ja schon der letzte Titel des regulären Programms anstehe. Während also die Bühne in ein rosa Licht getaucht ist und das eher ruhige "Wunderlied" erklingt, verlassen die ersten Besucher den Saal, schließlich will jeder der erste sein, der die Tiefgarage verlässt. Und so verpassen die Frühgeher die furiose Konfettibombe, die die Stadthalle in eine Glitterwolke hüllt - und die Zugabe, die selbst fast noch mal eine ganze Stunde dauert und in der die Sportfreunde noch einmal richtig aufdrehen.

Für "Ich Roque", den einzigen Titel des Abends vom Album "You Have to Win Zweikampf", das 2006 zur Fußball-WM erschienen ist, setzt sich Peter Brugger sogar ans Schlagzeug - und kehrt damit zu seinen Wurzeln zurück. Denn während der Schulzeit hat er in mehreren Bands als Schlagzeuger gespielt. Freilich bekommt er Raum für ein rasantes Solo, auch die Menge gibt alles beim Mitgrölen des Refrains. Der Titel ist eine Hommage an den ehemaligen Bayernprofi Roque Santa Cruz und erinnert an die rockigeren, wilderen Zeiten der Sportfreunde. Er erinnert auch noch einmal daran, dass die Band in ihrer Blütephase durchaus innovative und witzige Texte präsentiert hat. Die Titel vom neuen Album "Sturm und Stille" dagegen passen eher in den Mainstream der aktuellen Poplandschaft. Wäre da nicht Bruggers unverwechselbare Stimme, man könnte anhand der Texte ("Ich bin so glücklich wie nie und doch so traurig wie selten. Das Leben spielt eine Partie, und ich bin irgendwo mitten drin, zwischen den Welten") nur schwer sagen, ob man denn nun die Sportfreunde hört oder Max Giesinger, Mark Forster oder vielleicht doch Joris.

Zum Abschied gibt es noch einmal eine Geste an die Heimatstadt: Neun große Heliumballons mit den Buchstaben "Germering" schweben über der Bühne, während die Fans ihre Sportfreunde euphorisch feiern. Als seine Kollegen schon von der Bühne gegangen sind, steht Brugger noch kurz mit entspanntem Lächeln da und genießt diesen Moment, verteilt Handküsse und klatscht einige Fans ab.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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