Fürstenfeldbruck:Anspruchsvoll und kurzweilig

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Erstklassige Eröffnung des Brucker Orgelsommers mit Holger Gehring aus Dresden

Von Anna Landefeld-Haamann, Fürstenfeldbruck

Keine Dreiviertelstunde währte sein Spiel - und dennoch: Am Ende erhebt sich das Publikum spontan von den Bänken der gut besuchten Klosterkirche und applaudiert hinauf zur Fux-Orgel. An eben jener hat am Sonntagmittag Holger Gehring den Fürstenfelder Orgelsommer eröffnet. Erstklassiger hätte Organisator und Organist der Klosterkirche Christoph Hauser das erste Konzert kaum besetzen können. Gehring ist seit 2004 Organist der Dresdner Kreuzkirche. Damit hat er einen der ältesten und traditionsreichen Organistenposten Deutschlands inne.

Das geht gut zusammen mit der ebenso traditionsreichen wie historischen Fux-Orgel aus dem Jahr 1736. Gleich zu Beginn der Matinée ist das Triptychon perfekt: barocke Orgel, barockes Interieur, barocke Komponisten, noch dazu zwei aus dem süddeutschen Raum. Georg Muffats (1653 - 1704) "Toccata septima" ist nicht nur für Organisten, sondern auch für Zuhörer ein anspruchsvolles Werk. Muffat, weit umher gereister Passauer Domkapellmeister, spickte das mehrteilige Werk mit allerlei technischen und klanglichen Raffinessen. Freimütig und zugleich feinfühlig interpretiert Gehring die virtuosen Passagen. Dem entgegen verleiht er den Canzones eine erhabene Schwere, ohne dabei jedoch behäbig oder träge zu werden.

Kurzweiliger ist das "Capriccio sopra il Cucu" von Johann Kaspar Kerll (1627 - 1693). Seinerzeit leitete er die Hofkapelle und Oper in München, war Hoforganist am Wiener Stephansdom. Heute kennt ihn kaum jemand und seine Werke werden nur selten gespielt. Dabei hätte es Krells launenhafter Orgel-Kuckuck durchaus verdient. Über 200 Mal intoniert Gehring die kleine Terz, das Tonintervall des Kuckuck-Rufs. Ist es nur ein Kuckuck, der hier unermüdlich ruft oder stimmen aus der Ferne seine Artgenossen mit ein? Gehrings leichtes, beinahe improvisatorisches Spiel beflügelt buchstäblich die Fantasie des Zuhörers. Krells Capriccio zählt zu den frühen Beispielen der Programmmusik, die sich erst in der Romantik, knapp zwei Jahrhunderte später, zu einer eigenen Musikrichtung entwickelte. Musikhistorisch äußert spannend, sind auch die Werke der Komponisten der Wiener Klassik, Joseph Haydn (1732 - 1809), Wolfgang Amadeus Mozart (1756 - 1791) und Ludwig van Beethoven (1770 - 1827). Haydn und Beethoven schrieben ihre charmanten Stücke ursprünglich gar nicht für Orgel, sondern für die Flötenuhr, eine prunkvolle, mechanische Uhr, die mit einer kleinen Orgel kombiniert war und zu einer bestimmten Uhrzeit eine Melodie abspielte. Und auch der Klang der Fux-Orgel hat nun gar nichts Pompöses und Raumerfüllendes mehr: Tänzerisch, volkstümlich, dabei zugleich zart und zurückgenommen - eben wie eine Spieluhr - klingt es auf einmal von der Empore. Doch keineswegs lässt sich Gehring von der Einfachheit der Melodien anstecken. Sein Spiel bleibt präzise, die Flötenuhrstücke werden damit nicht banalisiert. Hervorzuheben ist Beethovens schwelgerisches, achtminütiges "Adagio assai" in F-Dur, das an das Eröffnungsthema seiner Violinromanze Nr. 2 erinnert. Kaum vorstellbar, wie dies wohl aus einer Flötenuhr geklungen hat.

Doch genug der Tagträumerei. Denn Melodramatik, die doch stark an Bach und Händel anmutet, erfüllt nun die Klosterkirche. Mit der Ouvertüre aus Mozarts unvollendeter Suite in C-Dur beweist der Kreuzorganist endgültig, dass die Orgel die einzig wahre Königin der Instrumente ist.

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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