Fürstenfeldbruck:Anlaufstelle in der Not

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Heinrich Baumann (ganz links) mit ehrenamtlichen Helfern bei einer der Feiern (4. von links Hubert Seger, 6. von links Helga Blaschke). (Foto: Günther Reger)

Im Kap der Brucker Caritas können Obdachlose sich aufwärmen, ein paar Tage unterkommen und sich beraten lassen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Ein Grundrecht auf Wohnen sieht das Grundgesetz zwar nicht vor. Als Folge der Obdachlosigkeit werden dennoch verschiedene Grundrechte eingeschränkt, wie die Menschenwürde (Artikel eins, Absatz eins) oder die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel zwei, Absatz eins). In Fürstenfeldbruck zeigt sich Tag für Tag, wie schnell das Grundrecht unter die Räder kommt und der Mensch auf der Straße landet. 102 Obdachlose waren im August gemeldet, die Stadt muss sie in eigenen Räumen oder angemieteten Pensionen unterbringen. Eine Pflichtaufgabe, die auch noch ordentlich Geld kostet - etwa 780 000 Euro pro Jahr.

Weil in einer Notlage viel schneller eine Übergangsunterkunft gesucht werden muss, als die Stadt Räume zur Verfügung stellen kann, hat die Caritas vor einigen Jahren das Kap eingerichtet. In der "Beratungsstelle und Unterkunft für wohnungslose Menschen" an der Kapuzinerstraße können bis zu acht Personen in vier Doppelzimmern jeweils bis zu sieben Nächte pro Monat übernachten. Im Bedarfsfall kann eine Person dann bis zu sechs Monate in die Übergangswohnung umziehen. Wenn an kalten Wintertagen die Nachfrage das Angebot übersteigt, werden Klienten in Kälteschutzräumen auf Münchner Gebiet untergebracht. Angeschlossen sind den Unterkünften im Kap eine Teestube als Tagesaufenthalt mit Dusch- und Wasch- sowie Wäschewaschgelegenheit sowie eine Kleiderkammer, vermittelt werden hier zudem Tätigkeiten wie jene im Caritas- Gebrauchtbuchladen.

Heinrich Baumann, 57, der als Fachdienstleiter für soziale Dienste neben der Schuldnerberatung, der sozialen Beratung und der Fachstelle Wohnen im vergangenen Jahr auch die Leitung des Kap übernommen hat, weiß, wie unvermittelt die Obdachlosigkeit zur unüberwindbar erscheinenden Klippe werden kann. Oft sind Arbeitslosigkeit, Trennung oder auch Probleme mit Alkohol oder Drogen der Grund. Dann versucht das Kap zu helfen und vermittelt beispielsweise an stationäre Einrichtungen oder Ämter. Ziel ist es, dass die Klienten wieder "auf eigenen Beinen stehen können".

Baumann erinnert sich aber auch an einen ganz anders gearteten Fall: Ein junger Olchinger stand kurz vor den Abiturprüfungen. Die psychisch kranke Mutter, bei der er wohnte, konnte sich nicht um ihn kümmern, das Zusammenleben wurde vielmehr immer schwieriger. Der Sohn hielt es letztlich nicht mehr zu Hause aus und meldete sich beim Kap, wo er auch für einige Zeit unterkam. Dem Team, dem neben zwei Sozialpädagoginnen auch zwei Mitarbeiter im Nachtdienst, eine Verwaltungskraft und etwa zehn Ehrenamtliche angehören, gelang es gemeinsam mit der Stadt Olching eine Unterkunft für den Schüler zu finden und damit den Weg zu ebnen für das erfolgreiche Abitur.

In der Einrichtung an der Kapuzinerstraße werden auch gemeinsam Feste gefeiert, so wie beispielsweise im Herbst oder auch an Weihnachten. Dann gibt es Speisen wie Wiener Würstl, Kartoffelsalat sowie Kuchen. Vor allem aber gibt es Gelegenheit fürs gemütliche Beisammensein. Auf diese Weise versuche man, so Baumann, "dem Jahr eine gewisse Struktur zu geben und jahreszeitliche Akzente zu setzen". Zu solchen Festen kommen durchaus auch frühere "Stammkunden", die inzwischen eine Wohnung gefunden haben.

Zu einem der Feste sind auch Helga Blaschke und Hubert Seger gekommen, die beide in Fortbildungen auf ihre ehrenamtliche Tätigkeit vorbereitet worden sind. Für die 71-Jährige ist es ein Dienst am Mitmenschen. "Man lernt die Menschen kennen und nimmt Anteil an ihrem Schicksal." So sieht das auch der 69-jährige Hubert Seger, der sich hier seit sechs Jahren engagiert - auf die Idee hatte ihn seine Frau gebracht, die bei der Caritas arbeitet. Meistens zwei Mal im Monat jeweils etwa drei Stunden hilft er an Wochenenden vor allem in der Teestube mit. Anfangs habe er schon "etwas Bammel gehabt", das Verhältnis zu den Obdachlosen sei aber sehr schnell enger geworden: "Ich fühle mich hier angenommen. Und man bekommt positives Feedback."

Das Kap könnte mehr Helfer gut gebrauchen, denn die Obdachlosenzahlen steigen. Deswegen begrüßt Baumann es auch, dass Stadt und Landkreis ein Projekt angestoßen haben, das auf die Bedürfnisse wohnungsloser junger Erwachsener bis 27 Jahre zugeschnitten ist.

Zu erreichen ist die Beratungsstelle und Unterkunft für wohnungslose Menschen unter Telefon 08141/34 270 oder wlh-ffb@caritasmuenchen.de. Telefonsprechzeit ist von Montag bis Freitag, jeweils von 13.30 bis 14 Uhr.

© SZ vom 09.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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