Fürstenfeldbruck:Am Wasser das erste Bier

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Wie die Steinzeitmenschen am Haspelmoor den Klimawandel meisterten und das erste Getreide anbauten

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Klimawandel und seine Folgen sowie Migration und Willkommenskultur sind die Themen unserer Zeit. Wie die Steinzeitmenschen am Haspelmoor mit diesem Wandel umgingen, erzählt unter dem Titel "Am Wasser" eine neue Ausstellung im Museum im Kloster Fürstenfeld. Gezeigt wird eine kleine Auswahl aus insgesamt etwa 13 000 Mikrolithen, die als Pfeilspitzen, Äxte, Angelhaken, Stichel, Bohrer oder Schaber dienten.

Außer diesen kleinen Steinen ist nicht viel erhalten. Aus Norddeutschland, wo sich Relikte aus organischem Material in Mooren erhalten haben, sind deshalb Werkzeuge zu sehen, etwa fein gearbeitete steinzeitliche Angelhaken. "Die Leute haben den Stein sehr präzise bearbeitet", sagt Museumsleiterin Eva von Seckendorff. Daneben stehen Nachbauten aus der experimentellen Archäologie. Besonders beeindruckend ist ein sieben Meter langer und 350 Kilogramm schwerer Einbaum aus Ulmenholz, den Arbeiter des Bauhofes in Straubing geholt und in den ersten Stock des Museums gewuchtet haben. In dem Boot haben 17 Menschen Platz und es kann wegen des starken Auftriebs nicht kentern. Daneben steht ein Tipi, wie es die Bewohner am Haspelmoor vielleicht bewohnt haben. Das schließt man aus den Funden von Pfostenresten in Norddeutschland. Dagegen favorisiert Toni Drexler, auf dessen Recherchen die Ausstellung maßgeblich basiert, dass die Leute in Jurten gehaust haben. "Wir wissen es einfach nicht genau", betont der Kreisheimatpfleger. Er hat 1994 eher zufällig bei einem Familienausflug die Fundstelle am Haspelmoor, die heute ein Acker ist, entdeckt.

Museumsleiterin Eva von Seckendorff zeigt einen sieben Meter langen Einbaum, in dem 17 Menschen Platz haben und der nicht kentern kann. (Foto: Günther Reger)

Für Steinzeitmenschen war der Haspelsee, der dann zum Moor verlandete, ein idealer Platz. Es gab Fische und ausreichend Trinkwasser. Vor mehr als 11 000 Jahren haben Menschen dort gejagt und dauerhaft gelebt. Damit zählt der Ort zu den ältesten Besiedlungen Bayerns. Innerhalb weniger Jahrhunderte stieg die Temperatur um sechs Grad, es war wärmer als heute. Die Mammuts und Rentiere verschwanden, aus der Tundra wurde ein Mischwald. Statt auf Großwildjagd in der Gruppe zu gehen, musste man im Unterholz auf Rehe und Wildschweine lauern. Zunehmend aßen die Menschen pflanzliche Produkte, ein Hauptnahrungsmittel waren die eiweißreichen Haselnüsse.

Bezeichnend für diese Periode ist die "Miniaturisierung von Werkzeugen und Waffen", sagt Drexler, im Unterschied zu den klobigen Faustkeilen vorher. Es gab einfach weniger Steine in den Wäldern, die wichtigste Waffe war nun Pfeil und Bogen, die kleine Spitzen erforderte. Seckendorff betont, dass die Menschen der Altsteinzeit dafür Kunstwerke hinterließen, wie die Höhlenmalereien. Manche Steine kamen von weit her, aus Brandenburg, aus dem Tessin oder von der griechischen Insel Melos. In der Ausstellung sind große Karten zu sehen, die die Grafikerin Birgit Helwich gestaltet hat. Sie zeigen den Wandel von Flora und Fauna in Europa von der Eiszeit bis zum Neolithikum, dem Übergang zu Ackerbau und Viehzucht. In einem kurzen Film wird im Zeitraffer der Wandel am Haspelmoor gezeigt.

Ein Keramikfund aus Augsburg zeigt, wie die Menschen Wasser gespeichert haben. (Foto: Günther Reger)

Dort gab es bisher keine Grabung, aber zwei Probebohrungen, die jüngste ging fast acht Meter in die Tiefe. Aus den Bohrkernen, von denen einer plastifiziert gezeigt wird, wurden die Pollen ausgewaschen und gezählt. Aus Vorkommen und Menge der Pollen verschiedener Pflanzen lässt sich auf die Vegetation sowie die Anwesenheit von Tieren und Menschen und deren Wirtschaftsform schließen. Diese Pollenanalyse hat gezeigt, dass am Haspelsee möglicherweise schon vor über achttausend Jahren Getreide angebaut wurde. Nebenan am Lech und an der Donau existierten Dörfer von Ackerbauern. Diese neolithische Kultur mit Ackerbau, Viehzucht und Keramik entstand im Nahen Osten und kam durch Siedler nach Mitteleuropa. Statt Zelten oder Jurten bauten die Menschen große, bis zu 40 Meter lange Häuser aus Lehm und Holz.

Drexler vermutet, dass sich die Menschen vom Haspelmoor einige Getreidekörner eingetauscht oder geklaut haben und damit experimentierten. Einige Jahrhunderte lang lebten verschiedene Kulturen nebeneinander. Die Jäger und Sammler brauchten nur wenig arbeiten, dafür drohte öfter der Hunger, meint Drexler. Dagegen mussten die Bauern schwer schuften und litten unter Krankheiten, die die Haustiere übertrugen. Aber ihr Leben war beständiger und aus der Gerste konnten sie das erste Bier brauen.

Die Ausstellung "Am Wasser. Steinzeitmenschen am Haspelsee" im Museum Fürstenfeld ist bis 4. Oktober zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Dienstag bis Samstag, 13 bis 17 Uhr, sowie an Sonn- und Feiertagen von 11 bis 17 Uhr. Dazu gibt es Führungen, ein museumspädagogisches Programm für Schulklassen und Kindergruppen sowie einen Katalog.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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