Fürstenfeldbruck:Alles auf Anfang

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Nach der Familienpause wollen viele Frauen zurück in den Beruf. Wie kann ein Neustart gelingen? Ein Aktionstag gibt Tipps

Von Heike A. Batzer

Von Mut ist an diesem Tag häufiger die Rede. Mut haben die Frauen, die ins Landratsamt gekommen sind, schon bewiesen. Sie möchten Neues anpacken, vielleicht unbekanntes Terrain betreten. Etwa 90 Frauen haben sich im großen Sitzungssaal versammelt, um sich für ihren beruflichen Wiedereinstieg inspirieren und sich Möglichkeiten aufzeigen zu lassen. "Ich möchte Ihnen Mut machen", ruft ihnen Michael Schankweiler, Vorsitzender der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Weilheim, zu: "Die Chancen auf den Wiedereinstieg sind so gut wie nie, in fast allen Bereichen. Wir suchen Sie händeringend." Das klingt gut, und doch trauen sich viele Frauen erst einmal nicht. Zu lange sind sie möglicherweise schon aus dem Geschäft, seit sie Kinder bekommen und sich überwiegend der Familie gewidmet haben. Vielen fehlt nach längerer Abwesenheit im Arbeitsleben auch das Selbstvertrauen. Dabei hätten sie doch vieles schon "unter Beweis gestellt, wenn Sie ein kleines Familienunternehmen geleitet haben", lobt Schankweiler.

Organisationsstärke, Flexibilität, Teamfähigkeit, Einfühlungsvermögen, Stressresistenz - all diese Eigenschaften würden Frauen aus ihrer Elternzeit mitbringen, betont auch Landrat Thomas Karmasin (CSU). Er nennt Mütter die "stille Arbeitskraftreserve". Viele von ihnen würden gerne wieder in den Beruf einsteigen. Eine Befragung seitens des Landratsamtes habe vor einigen Jahren ergeben, dass die Rückkehrwünsche der befragten Frauen allein 230 neue Vollzeitstellen im Landkreis ergeben könnten. Wie der Weg zurück in den Beruf gelingen kann, das sollte ein Aktionstag im Landratsamt aufzeigen.

Rund um das Treppenhaus im ersten Stock haben Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen ihre Informationsstände aufgebaut, sie liefern den Frauen Rüstzeug für den Neuanfang. So wie die "Servicestelle Frau und Beruf", die unter anderem Kompetenz- und Bewerbungstrainings für Frauen anbietet. Loverna Dehnert und Anke Hänisch haben sich dort fit machen lassen für den Wiedereinstieg, erzählen, wie sie es geschafft haben, als "die Kinder aus dem Groben raus waren" und es Zeit gewesen sei "für den nächsten Schritt", wie Dehnert sagt. "Glaubt an Euch!", ruft sie den Frauen zu. Die hören das gerne und applaudieren.

Zehn Unternehmen, die Wiedereinsteigerinnen einstellen, stellen sich anschließend vor. Das Mammendorfer Institut für Physik und Medizin (MIPM) hat schon gute Erfahrungen mit Frauen gemacht, die in den Beruf zurückgekehrt sind. Juniorchefin Jennifer Rosenheimer, selbst Mutter zweier kleiner Kinder, besitzt die Fähigkeit, mit großer Begeisterung davon zu erzählen: "Es ist alles möglich! Sprechen Sie uns an!" Sie meint das auch so. MIPM biete unterschiedliche Teilzeitmodelle, Jahresarbeitsstunden, die helfen, die Ferien zu überbrücken, oder Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Auch die Männer "sind hier ganz fest eingebunden", sagt Rosenheimer. Und stellt dann fest, dass unter den Beispielen, die sie zeigt, ihr eigener Mann "da eigentlich fehlt". Auch er macht gerade Teilzeit.

Elke Herlan und Sabine Forster vom Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) weisen daraufhin, dass beim BRK nicht nur Krankenschwestern und Altenpfleger gesucht seien, sondern auch Verwaltungskräfte und Berufe wie Buchhalter, Hausmeister, Notfallsanitäter, Erzieher, Koch. Arbeitgeber aus dem Sozialbereich sind in der Überzahl, auch die Seniorenheime Curanum in Germering und "Haus am Klostergarten" in Oberschweinbach stellen sich vor, sowie die Stiftung Kinderhilfe in Fürstenfeldbruck, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beispielsweise Unterstützung bei der Wohnungssuche anbietet, und die Kreisklinik, die ausgebildete Altenpfleger und medizinische Fachangestellte ebenso willkommen nennt wie Kandidatinnen, die eine Ausbildung machen wollen.

20 offene Stellen in Lager, Buchhaltung, Vertrieb oder IT gibt es nach Aussagen von Personalreferentin Claudia Blumentritt derzeit bei der Maisacher Firma TTI, einem Spezialdistributor für elektromechanische Bauteile. Dabei sei auch die Arbeit im Lager keine reine Männerdomäne mehr, denn dort "muss nicht mehr schwer getragen werden", sondern alles laufe sehr technisch ab, sagt Blumentritt. Das Landratsamt stellt sich als Arbeitgeber vor, bei dem - wie auf einem Plakat zu lesen ist - flexible Arbeitszeiten bereits zum Alltag gehören. Auch die Behörde sucht nach Angaben ihrer stellvertretenden Personalleiterin Ulrike Vetter nicht nur nach "klassischen Beamten" oder Verwaltungsfachangestellten, sondern auch nach Sozialpädagogen, Architekten, Krankenschwestern, Betriebswirten, Juristen. Man biete eine große Anzahl an Teilzeitmöglichkeiten, auch Kinderbetreuung in Ferienzeiten. Die Elektronik-System- und Logistik-GmbH (ESG) aus Fürstenfeldbruck wirbt damit, in diesem Jahr erstmals Ferienfreizeiten für die Angestellten angeboten zu haben.

Der Emmeringer Rewe-Markt in der Unteren Au sucht Frauen, "die nachhaltig arbeiten und mit gutem Gewissen verkaufen wollen", sagt Martina Halbich, die den Laden zusammen mit ihren Ehemann Christian führt. Wer selbst gerne koche oder mit Lebensmitteln umgehe, sei für die Kunden "die beste Beraterin". In Absprache mit der IHK bilde Rewe auch Menschen über 25 Jahren aus, ergänzt Christian Halbich.

Nach der Vorstellungsrunde können sich die Frauen an den Ständen der zehn Betriebe informieren und ins Gespräch kommen. Was beide Seiten beim Wiedereinstieg noch beachten sollten, gibt ihnen Annemarie Fischer, Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt, mit auf den Weg. Die Firmen bittet sie, von der Präsenzkultur Abstand zu nehmen und auch anspruchsvolle, gut bezahlte Stellen mit 30 Wochenstunden anzubieten. Den Frauen rät sie, bei der berufsbedingten Neuorganisation von Haushalt und Familie auch auf sich selbst Rücksicht zu nehmen. Nützlich sei, eine möglichst vollständige Liste zusammenstellen, "wer künftig wann für was selbständig zuständig ist - ohne von Ihnen noch mal aufgefordert werden zu müssen". Sie kenne junge Frauen, die diese Auseinandersetzungen zuhause scheuten und nach dem Wiedereinstieg "weiterhin alles leisten und sich wundern, dass sie ständig gestresst, oft schlecht gelaunt sind, und das wirkliche Leben an ihnen vorübergeht".

© SZ vom 29.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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