Fürstenfeldbruck:Allerlei Ausreden

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Eine 70 Jahre alte Luftaufnahme zeigt das Ausmaß eines Luftangriffs gegen Ende des Krieges auf den Flugplatz in Fürstenfeldbruck. (Foto: oh)

Wie der Krieg in der Kreisstadt zu Ende ging, beschreibt der Brucker Stadtarchivar Gerhard Neumeier in der Herbstausgabe der Zeitschrift Amperland. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass die Zeitzeugen versuchten, sich im Entnazifizierungsverfahren ins beste Licht zu rücken.

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Das Ende des Nationalsozialismus vor 70 Jahren ist ein historisches Ereignis, das durchaus in der Öffentlichkeit gewürdigt wurde. Im Landkreis Fürstenfeldbruck, in dem es einige Museen und geschichtsbeflissene Vereine gibt, fanden nur wenige Veranstaltungen statt. Die Stadt Fürstenfeldbruck stellte Plakate auf, die einen amerikanischen Panzer zeigten. Das Motiv stammte allerdings aus München. Bemerkenswert waren die Ausstellung und die Publikation über die Gröbenzeller NS-Zeit, die Kurt Lehnstaedt und der Verein Gröbenhüter boten. In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Amperland hat der Brucker Stadtarchivar Gerhard Neumeier in einem Aufsatz noch einmal die Endphase des Zweiten Weltkriegs und den Einmarsch der Amerikaner in der Kreisstadt beschrieben.

Neumeier schildert die schwierige Versorgungslage und den starken Zugang von Ausgebombten ab 1944, die die Einwohnerzahl bereits auf 10 000 steigen ließen. Sie mussten in privaten Häusern untergebracht werden, so dass eine "drangvolle Enge" herrschte. Verglichen damit ist die Aufnahme von Flüchtlingen heute wohl eher in der Kategorie Peanuts anzusiedeln. Die soziale Zusammensetzung der Bürgerschaft veränderte sich bereits erheblich durch diese Ausgebombten, die bei den Einheimischen höchst unbeliebt waren, ebenso wie die sogenannten Heimatvertriebenen, die nach ihnen kamen. Ein Aspekt mag gewesen sein, dass durch die Ausgebombten großstädtische Mentalitäten und Lebensweisen in die Kleinstadt eindrangen.

Möglicherweise wurden kulturelle Unterschiede als Gründe für die Ablehnung von den Einheimischen aber bloß vorgeschoben oder eingebildet. Entgegen den christlich-abendländischen Werten, die manch einer heute in Gefahr sieht, oder Vorbildern für Kindergartenkinder wie dem heiligen Martin, mag kaum jemand irgendetwas abgeben oder teilen, schon gar nicht einen Teil der eigenen vier Wände, was damals die gängige Praxis war.

Zum Kriegsende in Bruck präsentiert Neumeier die verschiedenen, sich widersprechenden Darstellungen, die Zeitzeugen verfasst haben. Diese sind mit Vorsicht zu genießen, weil etliche angesichts des Entnazifizierungsverfahrens höchst interessiert waren, sich ins beste Licht zu setzen. Eine Ausnahme ist Alfred Haug, der am 29. April mit einer weißen Fahne den Amerikanern entgegen ging.

Dass der letzte Fliegerhorstkommandant diese Aufgabe übernommen haben soll, wie von seiner Tochter später behauptete, ist aufgrund der Unterlagen äußerst unwahrscheinlich. Von antifaschistischem Widerstand kann ohnehin nicht die Rede sein, es ging den Männern und Frauen, die die Sprengung der Amperbrücke verhinderten, einfach darum, Schaden an Leib, Leben und Eigentum zu verhindern. Zumal die Bombardierung des Fliegerhorstes am 9. April 1945 durch amerikanische Flugzeuge gezeigt hatte, welche Zerstörungen drohten, sollte Bruck zum Schauplatz von Kämpfen werden. An diesem Tag kamen einige Menschen ums Leben, das Ausmaß der Zerstörung auf dem Flugplatz zeigte etwa eine Luftaufnahme später.

Eine detailreiche Studie über die mitunter handfesten Auseinandersetzungen zwischen den Nationalsozialisten und ihren Gegnern, vor allem aus der SPD, in Freising, hat der Historiker Paul Hoser verfasst. Der Chefredakteur des Amperland, Wilhelm Liebhart, hat Zeugnisse aus der Zeit der Napoleonischen Kriege gesammelt. Er schildert, wie die Bevölkerung im Dachauer Land unter den Plünderungen französischer Truppen litt. Georg Werner hat die Korrektur der Amper bei Ampermoching zwischen 1855 und 1857 aufgearbeitet, er schildert die Auseinandersetzungen um das Projekt zwischen Staat, Gemeinde und Anwohnern.

Amperland. Heimatkundliche Vierteljahresschrift für die Kreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck, Heft 3, 2015, 5 Euro. Die Hefte können im Buchhandel bestellt werden.

© SZ vom 25.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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