Poetry Slam:Adrenalin und gute Texte

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Bester Slammer: Kaleb Erdmann (auf der Bühne) gewann den Wettstreit mit einem Text über Smalltalk. (Foto: Günther Reger)

Der Poetry Slam im Haus 10 hat mehr Besucher angelockt, als man einlassen konnte. Wer das Glück hatte, einen Platz zu finden, durfte dann Wortkunst auf hohem Niveau erleben.

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Die überzeugende Präsentation von originellen Geschichten, Ideen, auch nachdenklichen Texten, in Prosa oder gereimt, hat sein Publikum. Schon eine halbe Stunde vor dem Einlass zum fünften Poetry Slam reihten sich die ersten Besucher im Nieselregen in die Schlange vor dem Haus 10 in Fürstenfeld ein. 130 Zuschauer füllten den Veranstaltungsraum. "30 Besucher mussten wir noch abweisen", bedauerte der launige Moderator Johannes Berger, der als deutschsprachiger U 20-Meister im Poetry Slam firmiert. Acht Poeten mit eigenen Texten buhlten an diesem Abend um die Gunst des Publikums, das per Applaus den Sieger bestimmte. Ehe es losging, übte Berger noch die Klatsch-Skala mit den Besuchern ein. Diese Einführung hätte er sich sparen können, denn die acht Poeten waren allesamt sprachbegabt und textsicher. Mit Kaleb Erdmann gewann ein sehr ambitionierter Amateur der Poetry-Szene.

Überhaupt scheint diese Art des Poetenwettstreits von bekannten Namen dominiert zu sein, die auch von weither anreisen. So kamen Teilnehmer aus Marburg, Stuttgart und Frankfurt zum Brucker Poetry-Event. Newcomer haben offenbar kaum eine Chance auf einen Finalplatz. Die erfahrenen Akteure hoben auch das Niveau des kurzweiligen und unterhaltsamen Abends. Zum zweiten Mal versuchte sich Lokalmatador Tim Niklas auf der Bühne der IG Kultur. Der erst 16-jährige Brucker hatte sich einige kluge Gedanken über Rollen gemacht, die junge Menschen einnehmen oder anstreben. Motto: "Wenn ihr euch selbst nicht findet, erfindet euch neu." Niklas bekam bei seinem "Heimspiel" ordentlichen Applaus, doch er schied in der Vorrunde aus, kündigte aber sofort an, im nächsten Jahr wieder dabei zu sein: "Das wird noch."

Die Auftrittsreihenfolge der Poeten war ausgelost worden. "Etwas Adrenalin schießt immer ein", meinte Erdmann, der als erster auf die Bühne musste. Lässig zog er seine vier Manuskriptblätter aus der Hosentasche. "Ich spüre eine gute Art von Aufregung." Der 24-jährige Münchner, der seit einem Jahr in Frankfurt Politische Theorie studiert, um seinen Master-Abschluss zu machen, hat schon an 200 Poetry-Slams teilgenommen. Seit sieben Jahren ist er in etwa alle zwei Wochen unterwegs, um einen Poetenwettbewerb zu bestreiten. "Hin und wieder habe ich gewonnen", sagt Erdmann eher bescheiden.

In Fürstenfeldbruck hätte es für Erdmann beinahe nicht mit Platz eins geklappt. Antonia Lunemann aus Hohenbrunn war in der Applausentscheidung nach der Vorrunde nur sehr knapp unterlegen. Sie hatte sich in ihrem Prosatext mit lyrischen Passagen mit dem Thema Glück beschäftigt. Sie wirkte aufgeregter als ihre Konkurrenten, war aber als Finalistin der Münchner U 20-Stadtmeisterschaft nicht unerfahren. Ein gängiger Name in der Münchner Poetry-Szene ist Carmen Wegge. Die 26 Jahre alte Jurastudentin führte sich als Fußballfan ein und sang zu Beginn die erste Strophe der englischen Fanhymne "You'll Never Walk Alone." Wegge trug als einzige ihren auch fußballkritischen Text ("Kein Fußball den Faschisten") auswendig vor. Wegge betreibt im Nebenerwerb so etwas wie eine Poetry Slam-Schule in der Münchner Schauburg. Dort übt auch Tim Niklas häufig. Nikita Gorbunov aus Stuttgart und in Moskau geboren, der im Finale gegen Erdmann unterlag, gibt Poetry-Workshops - häufig auch in Schulen von der achten Klasse an. Der 32-Jährige zeigte die routinierteste Vortragweise aller Teilnehmer.

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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