Aufräumarbeiten nach dem Sturm:Acht Wochen sägen

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Hubert Drexl beseitigt in seinem Wald bei Alling die Sturmschäden. (Foto: Günther Reger)

"Niklas" hat im Landkreis mindestens 30 000 Bäume gefällt. Ein Drittel davon müssen nun Privatwaldbesitzer aufarbeiten und kämpfen dabei gegen die Zeit. Denn die läuft für den Borkenkäfer

Von Nina Storner, Fürstenfeldbruck

Schwere Baumstämme liegen kreuz und quer über dem Weg, mit dem Auto kommt dort niemand durch. "Dabei hat es andere Waldbesitzer noch viel schlimmer getroffen", sagt Hans Friedl aus Alling, steigt aus dem Auto aus und geht zu Fuß auf den Waldrand zu. Im Moment kann er nichts weiter tun, als zuzusehen, wie die Nachbarn die Wege frei räumen. Sein eigener Bestand wird frühestens in einer Woche zugänglich sein. Erst dann wird er wissen, welchen Schaden Sturm Niklas angerichtet hat.

Im Landkreis hat es besonders die südlichen Wälder bei Türkenfeld, Moorenweis und Jesenwang erwischt. Auch zwischen Alling, Germannsberg und Biburg befindet sich ein Wald mit einer Fläche, die etwa 75 Fußballfeldern entspricht. Im "Oberen Buchholz", so heißt der Flurname, hat der Sturm viele Bäume umgeknickt und zerrissen, die Waldbesitzer geben nun ihr Bestes, den Schaden in Grenzen zu halten.

Etliche Buchen hat Sturm Niklas umgerissen. (Foto: Günther Reger)

"Die Aufräumarbeiten brauchen auf jeden Fall noch acht Wochen", schätzt Paul Högenauer, Geschäftsführer der Brucker Waldbesitzervereinigung. Dann sei zumindest das Gröbste beseitigt. Vor allem Fichten fielen dem Sturm zum Opfer. Der Baum wächst besonders rasch und erzielt auf dem Markt für gewöhnlich gute Preise. Sie ist der "Brotbaum" der deutschen Forstwirtschaft und auch im Landkreis wird der Nadelbaum in den Privatwäldern großflächig angepflanzt. Aber die Fichte hat einen Schwachpunkt, wie die Forstexperten erklären: ihre Sturmanfälligkeit. Das Wurzelwerk reicht nicht sehr tief ins Erdreich. Doch gute Verwurzelung allein, hat die Bäume nicht vor Niklas' Böen bewahrt. Auch fest verankerte Laubbäume wie die Buchen, die sonst Wind und Wetter trotzen, sind umgestürzt. Bei Wagelsried an der Bundesstraße 2 hat der Sturm größere Flächen niedergedrückt. Högenauer geht allein im Gebiet der Waldbesitzervereinigung von bis zu 20 000 Festmetern Sturmholz aus.

Festmeter, das ist das in der Forstwirtschaft übliches Raummaß für Bäume oder gefälltes Holz, sein Volumen kommt einem Holzwürfel mit einem Meter Kantenlänge gleich, also etwa einem Kubikmeter. Da Bäume je nach Baumart und Größe ganz unterschiedlichen wirtschaftlichen Wert besitzen, liefert die Einheit eine Vergleichsbasis, wie das Kilogramm bei Äpfeln und Birnen im Supermarkt. Hierzulande erreicht ein ausgewachsener Nadelbaum wie die Fichte erst nach 100 Jahren grob überschlagen ein Volumen von etwa zwei Festmetern. Nach Niklas stehen also umgerechnet mehr als 10 000 Bäume weniger in Privatwäldern im Landkreis. Ähnliche Mengen nennen Kommunal- und Staatsforsten. "Innerhalb eines halben Tages fielen bei uns Holzmengen an, wie sonst über ein ganzes Jahr hinweg verteilt", verdeutlicht Högenauer den Schaden. Wo die Arbeit zu viel und die Gefahr zu groß für die Waldarbeiter und ihre Motorsägen sei, kämen Unternehmer mit großen Erntemaschinen zum Einsatz. Zwei oder drei der sogenannten Harvester reichen für die derzeitige Arbeit aus. Dabei seien die Sägewerke eigentlich noch mit dem Holz der Winterernte beschäftigt. Högenauer: "Bei soviel zusätzlichem Material ist ein fallender Holzpreis unvermeidlich." Existenzängste müsse keiner haben, dennoch sei es schmerzhaft, wenn der eigene Wald derart beschädigt wird.

Waldbesitzer Hans Friedl muss auf die Arbeit im Holz noch warten. (Foto: Günther Reger)

Das spüren Hans Friedl und viele andere Waldbesitzer gerade. Über Baumstämme hinweg geht der Allinger in den Wald hinein, stets mit prüfendem Blick nach oben. Immer wieder drohen in Baumwipfeln hängen gebliebene Riesen abzurutschen. Stellenweise barsten die Stämme regelerecht im Sturm. Welche enormen Kräfte dabei wirkten, zeigen vereinzelte Fichten, deren Kronen am Boden eingeklemmt sind und wie ein Torbogen im Wald stehen. "Wenn sich da was löst ...", setzt Friedl an und schüttelt den Kopf vor der Unvernunft derjenigen, die schon wieder den Wald als Freizeitrevier nutzen. Auch benachbarte Waldbesitzer haben bereits die ersten Spaziergänger und Reiter entdeckt. "Im Radio geben sie doch zurecht noch keine Entwarnung. "

Um sein ehemals tadelloses Waldstück kümmert sich der Allinger schon seit Jahren. Einst gehörte es seinem Großvater. "Und jetzt sieht es aus, als hätten Bomben eingeschlagen." 150 Festmeter muss er verkaufsfertig machen, wenn die Wege wieder befahrbar sind. Da im Gegensatz zum konventionellen Fällen ein Sturm stehende und liegende Bäume beschädigt, rechnet Friedl nicht nur mit unmittelbaren Werteinbußen. Mit so vielen Lücken heize sich der Wald schneller auf und ziehe wärmeliebende Schädlinge wie den Borkenkäfer leichter an. Das herumliegende Holz stelle optimales Brutmaterial dar. In den kommenden Wochen werden die Schädlinge aktiv, bis dahin läuft ein Wettlauf gegen die Zeit.

© SZ vom 10.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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