Fürstenfeldbruck:32 handsame Lehrer

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Zwei Viscardi-Gymnasiastinnen entwickeln ein originelles Kartenspiel. Ein Pädagoge könnte nun freilich unerwartet auftrumpfen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Kartenspiele genießen bei Jugendlichen den Ruf von Dinosauriern: so was von vorgestern, so was von mega-out. Bestenfalls spielt man Solitaire gegen das Smartphone, um sich die Zeit in der S-Bahn zu vertreiben. Schafkopfkarten fristen derweil ein Schattendasein an Stammtischen, und mit Skatkenntnissen kann man eher in der Ü-50-Runde reüssieren. In der Grundschule führen Quartette immerhin noch ein Nischendasein. Da geht es dann darum, welches Auto am schnellsten, welches Schiff am größten oder welches Pferd am wertvollsten ist. Panini-Karten können die intellektuelle Lücke nicht schließen. Da reicht schon eine besonders klebrige Handfläche, um den Sieg davonzutragen und Gegnern beim "Zocken" den Müller oder den Lahm abzuknöpfen.

Zwei Viscardi-Gymnasiastinnen leiten nun die Renaissance des Urtümlichen ein. Sie haben ein hundert Prozent analoges Lehrerquartett entwickelt. Darin geht es nicht um Dinosaurier. Und weder Topspeed noch Marktwert zählen zu den Kriterien. Hier sticht nicht der Ober den Unter, sondern der mit den meisten Geschwistern schlägt das Einzelkind. Oder die Kunstlehrerin mit der Einparkschwäche, die morgens im Bad länger vor dem Spiegel steht, setzt sich gegen den Schnellduscher durch. Da kann nicht mal Facebook mithalten. Das Kartenspiel von Klara Jordan und Katharina Holzhey wird an diesem Mittwoch - mit dem Segen von Oberstufenbetreuer Claus Hilgers (1,86 Meter, morgens zehn Minuten im Bad) - für fünf oder sechs Euro in der großen Pause in der Aula verkauft. Mit dem Erlös soll die Abi-Kasse aufgefüllt werden.

Die Idee war den Zwölftklässlerinnen in der S-Bahn gekommen. Sodann befragten sie 32 Pädagogen nach Körpergröße, Dauer des Schulwegs oder Wellenlänge der Lieblingsfarbe. Beworben werden die Päckchen auch mit einem Plakat, auf dem Patrick Rotter zu sehen ist sowie der Slogan "Nichts ist hotter - Trumpf ist Rotter". Im Werbetext heißt es weiter: "Deine Chance den Lehrer immer in der Tasche zu haben. Das Lehrerquartett bietet dir die Möglichkeit mit 32 Lehrern zu trumpfen oder Quartett zu spielen." Aber Vorsicht: Rotter ist nicht nur hotter, er unterrichtet auch Deutsch. Vielleicht will er sich nicht so schnell in die Tasche stecken lassen und trumpft mit dem Hinweis auf zwei kleine Marketing-Schwächen auf. Merke: Mag der Duden als fetter Schmöker auch mega-out sein, so hat er doch in Form der digitalen Mutation eine wahre Renaissance erlebt. Und auch in der hippen Online-Version hat sich an den klassischen Kommaregeln nichts Grundlegendes geändert.

© SZ vom 12.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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