Fünf Personen in Drei-Zimmer-Apartment:Herberge in der kleinen Wohnung des Sohns

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Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes ist Ewa Andrzejczak zu Verwandten in Olching gezogen. Sie hat zwar eine Anstellung gefunden, doch die Wohnsituation ist arg beengt. Die Tochter will einen Deutschkurs machen, um schnell eine Ausbildung zu finden

Von Andreas Ostermeier, Olching

Familienzusammenhalt: Ewa Andrzejczak (links) ist bei ihrem Sohn in Olching untergekommen. Tochter Wiktoria (rechts) hat sie aus Polen mitgebracht. An der Wand hängen einige Familienbilder. (Foto: Johannes Simon)

In der Olchinger Wohnung ist es eng. Eine junge Familie ist dort zu Hause, Vater, Mutter und ein Kind im Alter von dreieinhalb Jahren. Viel Platz haben die Bewohner ohnehin nicht gehabt, doch seit einigen Monaten wohnt auch noch Ewa Andrzejczak, die Mutter des Mieters in der Wohnung. Ein Schicksalsschlag hat sie zum Umzug veranlasst. Die Mittfünfzigerin hat ihre 16 Jahre alte Tochter Wiktoria mitgebracht. Fünf Personen teilen sich jetzt die Drei-Zimmer-Wohnung in Olching. Es ist recht eng geworden. Für das dreieinhalb Jahre alte Kind haben die Eltern bereits ein Hochbett angeschafft, schließlich muss Platz gespart werden. Denn der ist nun Mangelware.

Das möchte die Schwiegertochter ändern. Doch eine Wohnung für die Schwiegermutter und deren Tochter zu finden, ist nicht einfach. Zwar arbeitet Ewa Andrzejczak in einer Großbäckerei, doch ihr Arbeitsvertrag ist momentan auf ein Jahr begrenzt. Und da sie diese Arbeitsstelle erst vor Kurzem angetreten hat, kann sie auch noch keine Lohnabrechnung vorlegen - für das Anmieten einer Wohnung ein erheblicher Nachteil, denn jeder Vermieter möchte wissen, ob sich ein Bewerber die Wohnungsmiete auch leisten kann, erst recht in einer teuren Gegend wie im Landkreis Fürstenfeldbruck.

Ewa Andrzejczak hat zuvor in Polen gelebt, nahe der Grenze zu Deutschland. Ihr Mann starb überraschend. Nichts habe auf diesen raschen Tod hingedeutet, erzählt die Schwiegertochter. Durch den Tod des Mannes fiel das Einkommen weg. Die Chancen auf eine Arbeit waren für die Mittfünfzigerin gering. Das Haus, in dem die Frau mit ihrer Tochter wohnte, war in einem schlechten Zustand, an eine Renovierung war aus finanziellen Gründen nicht zu denken. Mutter und Tochter gingen nach Deutschland, zogen beim Sohn und seiner Familie ein. Der hatte zwar nicht viel Platz, seine Mutter konnte und wollte er aber nicht im Stich lassen. Also öffnete er ihr seine Wohnung in Olching. In der leben er und seine Frau seit sieben Jahren. Nun ist es eng geworden. Die Familie sucht einen Ausweg aus ihrer Lage.

Hilfe bekommen die Andrzejczaks vom Sozialamt in Fürstenfeldbruck. Doch auch das kann ihnen im Landkreis nicht so einfach eine Wohnung beschaffen, die für Mutter und Tochter groß genug und bezahlbar ist. Da wäre es schön, die 16-Jährige müsste nicht den ganzen Tag in der engen Wohnung verbringen, sondern könnte eine Ausbildung machen. Zudem würde ein zusätzlicher Verdienst, auch wenn es sich dabei nur um einen Lehrlingslohn handelt, die Suche nach einer Wohnung einfacher machen. Wiktoria würde auch gerne eine Ausbildung machen, doch sie spricht bisher noch nicht so gut Deutsch. In einer Übergangsklasse könnte sie die Sprache lernen. Diese Klassen gibt es an mehreren Schulen im Landkreis. Sie sind dafür eingerichtet worden, dass Kinder aus Migrantenfamilien Deutsch erlernen können.

Aber keine Schule fühlt sich für Wiktoria zuständig, denn die 16-Jährige ist nach Auskunft ihrer Tante nicht mehr schulpflichtig. Deshalb bleiben ihr lediglich Sprachkurse an der Volkshochschule, um die Landessprache zu erlernen. Die Kurse allerdings kosten Geld. Mindestens drei davon müsste die 16-Jährige absolvieren, von Level A 1 bis B 1. Erst mit dem erfolgreichen Abschluss des dritten Kurses würde sie über genügend Sprachkenntnisse verfügen, um sich für eine Ausbildungsstelle bewerben zu können. Deutsch lernen zu dürfen, das ist daher der Weihnachtswunsch von Wiktoria. Der Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung möchte die Kosten für den Sprachunterricht der 16-Jährigen übernehmen. Neun bis zwölf Monate dauert es, je nach Lerngeschwindigkeit, bis die Deutschkurse mit den verschiedenen Schwierigkeitsgraden absolviert sind. Danach hat Wiktoria wohl eine gute Chance auf einen Ausbildungsplatz, denn davon gibt es im Landkreis eine ganze Menge, in manchen Bereichen werden junge Leute sogar dringend gesucht.

© SZ vom 16.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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