Flüchtlinge:Wohnungsmangel bremst Integration

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Knapp die Hälfte der Asylbewerber im Landkreis sind mittlerweile anerkannt. Deshalb müssten sie eigentlich aus den Flüchtlingsunterkünften ausziehen. Doch nur wenige finden in Bruck und Umgebung ein Dach über dem Kopf

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Die Zahl der in den dezentralen Asylbewerberunterkünften des Landkreises und der Erstaufnahme der Regierung von Oberbayern am Fliegerhorst lebenden Flüchtlinge und Schutzsuchenden hat sich seit dem Dezember 2016 um rund ein Drittel reduziert. Laut Statistik des Landratsamtes wohnten am 11. September noch genau 1691 Menschen in den vom Landratsamt angemieteten Quartieren und weitere 335 in von der Regierung ausgestatteten ehemaligen Gebäuden der Fürstenfeldbrucker Kaserne. Das sind insgesamt 1148 weniger als im Dezember 2016, als die Gesamtzahl noch bei 3170 Schutzsuchenden lag. Das Hauptproblem ist damit nicht mehr die Unterbringung. Da die meisten der in den Notquartieren lebenden Menschen inzwischen eine Bleibeperspektive haben, gelten sie im Amtsdeutsch als "Fehlbeleger", die eigentlich ausziehen müssten, jedoch in den Unterkünften bleiben, weil sie im Landkreis keine Wohnung finden. Vor allem diese 912 Betroffenen brauchen dringend Wohnraum und Arbeit.

Der starke Rückgang der hier in den Unterkünften lebenden Schutzsuchenden hat drei wesentliche Ursachen: Zum einen wohnen auf dem ehemaligen Kasernengelände inzwischen etwa 660 Menschen weniger als noch vor neun Monaten - die Erstaufnahme bietet sogar Platz für 1200 Personen. Zum anderen gelingt es zumindest einem kleinen Teil der anerkannten Flüchtlinge, eine Wohnung zu finden und damit die Quartiere für Asylbewerber zu verlassen. Schließlich werden dem Landkreis bereits seit April 2016 keine neuen Flüchtlinge mehr zugewiesen.

Zum Vergleich: Im April 2015 ging Landrat Thomas Karmasin kurz vor dem Höhepunkt es Flüchtlingszustroms noch davon aus, annähernd 3000 Asylbewerbern aus Kriegs- und Krisengebieten eine Bleibe bieten zu müssen, obwohl dem Landkreis damals erst 1238 zugewiesen worden waren. Im Frühjahr 2015 gab es seit einigen Monaten die Erstaufnahme-Dependance der Regierung, in der bereits weitere annähernd tausend Flüchtlinge lebten, die auf die Quote des Landkreises angerechnet wurden. Das trug zur Entspannung der Situation bei und nahm dem Landrat den Druck, Hallen oder kommunale Veranstaltungsräume zu beschlagnahmen, um dort Asylbewerber einzuquartieren. Damit hatte Karmasin mehrmals gedroht, sollten die Städte und Gemeinen im Landkreis nicht kooperieren.

"Auf der Unterbringungsseite hat sich die Situation völlig entspannt und verändert", sagt Karmasin erleichtert. Obwohl eine gewisse Beruhigung und Stabilität einkehrte, sei das Landratsamt immer noch mit der Aufgabe "sehr stark belastet", die Schutzsuchenden zu betreuen. Vor allem für die Flüchtlinge selbst gebe es wegen des Wohnungsmangels keine Entspannung. Schließlich müsste fast die Hälfte von ihnen die Notunterkünfte verlassen. Die Aufgabe, die hier bleibenden Menschen zu integrieren und für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren "wird eine ganze Generation erfordern und fordern", sagt der Landrat.

Da das Landratsamt seit April 2016 keine neuen Flüchtlinge mehr unterbringen muss, hat sich seither der Status der in den Unterkünften lebenden Menschen völlig verändert. Schließlich sind inzwischen für die meisten von ihnen die Asylverfahren abgeschlossen, was dazu führt, dass die Fehlbeleger mit 912 Personen die größte Gruppe stellen. Dann folgen diejenigen, deren Asylanträge noch bearbeitet werden, was auf 574 der Schutzsuchenden zutrifft. Bei diesen Personen liegt die Vermutung nahe, was im Gespräch mit dem Asylkoordinator des Landratsamts, Andreas Buchner, zumindest anklingt, dass es sich wegen der langen Dauer der Verfahren um die schwierigen Fälle handeln könnte. Dann kommt bereits mit 540 Personen die Gruppe derjenigen, deren Anträge abgelehnt wurden.

Laut Buchner beschreiten jedoch fast alle, deren Anträge negativ beschieden werden, den Rechtsweg. "Wer klagt, ist noch im Asylverfahren", sagt Buchner, und könne deshalb auch nicht abgeschoben werden. Aber auch wer nicht klagt, muss nicht zwingend ausreisen. Schließlich bedarf eine Abschiebung einer vorangehenden Einzelfallentscheidung. Als "klassischen Fall", in dem ein Abschiebeverbot greift, nennt der Asylkoordinator eine Erkrankung. Zu entscheiden, ob eine solche gegeben ist, liegt in der Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, nicht in der des Landratsamts.

Die Gruppe der Anerkannten umfasst sowohl den Kreis der Asylberechtigten als auch Personen, die Flüchtlingsschutz oder einen subsidiären Schutz genießen. Anerkannte Flüchtlinge erhalten eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre. Subsidiär schutzberechtigt sind Menschen, die stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Letztere dürfen keine Familienangehörigen nachkommen lassen.

Die Zahl der Fehlbeleger hat sich im Laufe dieses Jahres mehr als verdoppelt. Eigentlich müssten diese Menschen mit dem Erhalt des Anerkennungsbescheids aus den Gemeinschaftsquartieren ausziehen. Da die wenigsten von ihnen jedoch auf dem freien Markt eine Wohnung finden, wird es geduldet, dass sie weiterhin in den Asylbewerberunterkünften bleiben. Nur ein kleiner Teil der Wohnungssuchende zieht in Gegenden, in denen die Mieten niedriger und das Angebot an Wohnraum größer ist, zu Beispiel nach Nordbayern. Wohnungen für die Fehlbeleger zu finden, ist neben der Suche nach Arbeitsplätzen zurzeit das größte Problem der im Landkreis lebenden Flüchtlinge mit einem Schutzstatus.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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