Flüchtlinge:Wann wie viele wohin müssen

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Die Quotenregelung für die Aufnahme ist noch nicht in allen Kommunen umgesetzt. Sie ist auch durchaus flexibel und interpretationsfähig, je nachdem, welche Berechnungsgrundlage zugrunde gelegt wird

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Vom kommenden Montag, 7. Dezember, an wird die Regierung von Oberbayern dem Landkreis Fürstenfeldbruck jede Woche 78 weitere Flüchtlinge zuweisen. Für sie benötigt das Landratsamt Unterkünfte. Damit käme der Landkreis bis zum Jahresende auf insgesamt rund 3100 Asylbewerber. Am 2. Dezember waren genau 2805 Personen untergebracht, aber wegen des permanenten Wechsels nicht alle Betten belegt. Da Quartiere für weitere 78 Asylbewerber pro Woche fehlen, bleibt Landrat Thomas Karmasin keine andere Wahl, als neue Asylbewerber in das in den vergangenen Tagen geschaffenen Notquartier in der Turnhalle des Max-Born-Gymnasiums in Germering einzuweisen. In der Turnhalle wurden 108 Betten aufgestellt.

Wäre es den Bürgermeistern der 23 Landkreiskommunen gelungen, sich an die Vereinbarung mit dem Landrat zu halten und dem Landkreis eine ihrer Quote entsprechende Anzahl von Flüchtlingsquartieren zur Verfügung zu stellen, wären die Notquartiere in beschlagnahmten Turnhallen in Maisch, Puchheim und Germering überflüssig.

Das mag eine Erklärung dafür sein, warum in den vergangenen Tagen der Ton zwischen Karmasin und einigen Bürgermeistern wegen der Nichterfüllung der Quote härter geworden ist. In die Schusslinie geriet der Gröbenzeller Rathauschef Martin Schäfer aus zwei Gründen. Nach der absoluten Zahl der fehlenden Quartiere hat Schäfer nun mal das Pech, der größte Quotensünder zu sein. Zwar haben die vier viel kleineren Gemeinden Adelshofen, Hattenhofen, Mittelstetten und Oberschweinbach bisher noch keinen einzigen Asylbewerber aufgenommen. Aber diese vier Gemeinden brächten dem Landrat mit insgesamt 151 fehlenden Plätzen immer noch etwas weniger als nur Gröbenzell. In der Gartenstadt leben zwar schon 77 Flüchtlinge, sie ist aber noch mit 157 Betten im Rückstand.

Nachvollziehbar ist, dass der Landrat dort den Hebel ansetzt, wo er die meisten Flüchtlinge unterbringen kann. Aber auch die vereinbarte Quote ist nur eine grobe Richtschnur. Deshalb lohnt es sich, genau hinzusehen. Nähme es Karmasin mit der Quote genau, hätte nicht einmal Fürstenfeldbruck seine Zusage eingehalten. Obwohl in der Kreisstadt bereits die meisten der Zuwanderer aus den Krisen- und Kriegsgebieten in dezentralen Quartieren des Landkreises leben. Anfang Dezember waren es hier genau 315, zur Erfüllung der Quote wären 424 nötig.

Der hintere Neubau sollte eigentlich die Wohncontainer in der Hasenheide in Fürstenfeldbruck ersetzen. Nun leben in beiden Unterkünften Flüchtlinge. (Foto: Güther Reger)

Diese einzufordern, dürfte sich der Landrat nicht trauen. Schließlich sind in der Kreisstadt bereits mehr als 50 Prozent aller Asylbewerber im Landkreis untergebracht. Rechnet man zu den 315 Flüchtlingen noch die 1200 in der Dependance der Regierung von Oberbayern im Fliegerhorst hinzu, die dort eine vorübergehende Bleibe gefunden haben, kommt die Stadt auf mehr als 1500. Sie hat also ihre Quote eigentlich zu 300 Prozent erfüllt. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass die Dependance bis zum Jahresende noch um mehrere Hundert Betten erweitert wird. Mehr dürfte der Stadt guten Gewissens nicht zuzumuten sein.

Das weiß auch der Landrat. Schließlich berücksichtigt das Landratsamt die 1200 Flüchtlinge der Dependance in der Statistik zur aktuellen Belegung der Asylbewerberunterkünfte ebenso wie bei den regelmäßig den steigenden Flüchtlingszahlen angepassten Prognosen. Nur in einem Punkt ist die Behörde dann doch nicht mehr konsequent. Bei der Berechnung der Quote fällt die Dependance ganz unter den Tisch, obwohl schon jetzt dort rund 40 Prozent aller Flüchtlinge im Landkreis ein Dach über dem Kopf finden.

Um die gleiche Zahl von Flüchtlingen werden die restlichen 23 Kommunen im Landkreis entlastet. Ohne Dependance gäbe es zurzeit höchstwahrscheinlich kaum noch Turnhallen im Landkreis, die als Sportstätte genutzt werden könnten. Da also der Fliegerhorst die Kommunen letztlich spürbar entlastet, wäre es an der Zeit, dies auch in der Quote entsprechend zu berücksichtigen. Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb das Landratsamt seit April die Quote und die Übersicht mit Angaben zur Zahl der in den einzelnen Gemeinden lebenden Asylbewerber unter Verschluss gehalten hatte, ehe in dieser Woche im Sozialausschuss des Fürstenfeldbrucker Stadtrats die Liste mit dem nicht mehr aktuellen Stand vom 7. Oktober öffentlich gemacht wurde.

SZ-Grafik (Foto: N/A)

Würde man beispielsweise von der Quote der Gemeinde Gröbenzell beim Soll die Fliegerhorst-Dependance berücksichtigen und dafür 40 Prozent oder 92 Plätze abziehen, würde das Minus der Gemeinde auf 68 schrumpfen. Die Bestrebungen der Gemeinde, Asylbewerber bevorzug dezentral unterzubringen und Massequartiere zu vermeiden, würde dann wieder in einem ganz anderen Licht erscheinen.

Aber auch die in die Grafik auf dieser Seite eingegangenen Zahlen der neuen Liste des Landratsamts mit dem Stand Anfang Dezember ist letztlich nicht mehr als eine Momentaufnahme. So waren von 270 Plätzen in Germering am Donnerstag nur 191 belegt. Bei den 270 Flüchtlingsplätzen sind die 108 in der Turnhalle des Max-Born-Gymnasiums noch nicht eingerechnet. Wie Fürstenfeldbruck profitiert auch Germering davon, dass es dort zwei Unterkünfte der Regierung von Oberbayern gibt, nämlich die am Starnberger Weg sowie in ehemals als Seniorenheim genutzten Räumen.

Spätestens in 14 Tagen könnte diese Statistik überholt sein. Bis Jahresende sollen in Maisach und Eichenau zwei neue Unterkünfte mit jeweils 52 Plätzen, eine weitere in Mittelstetten mit 45 bis 50 Plätzen sowie eine Wohnung in Oberschweinbach bezugsfertig sein. Auch in Gröbenzell kam infolge der Auseinandersetzung des Landrats mit dem Bürgermeister einiges in Bewegung. Die Politiker verhandeln inzwischen über Angebote von Schäfer zur Unterbringung von insgesamt 160 Flüchtlingen.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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