Flüchtling:Asyl unterm Kirchendach

Lesezeit: 2 min

Zufluchtsort für zwei Monate: In der Friedenskirche in Eichenau wohnt ein 26 Jahre alter Syrer, bis er seinen Asylantrag in Deutschland stellen kann. (Foto: Johannes Simon)

Pfarrer Christoph Böhlau von der evangelischen Gemeinde in Eichenau hat einen 26 Jahre alten Syrer aufgenommen. In zwei Monaten kann der Mann ein Bleiberecht in Deutschland beantragen

Von Andreas Ostermeier, Eichenau

Die evangelische Kirche in Eichenau gewährt einem syrischen Flüchtling Asyl. Der 26 Jahre alte Mann ist aus Idlib im Nordwesten von Syrien geflohen. Durch das Kirchenasyl soll erreicht werden, dass der Mann in zwei Monaten einen Asylantrag in Deutschland stellen kann. Nach der Übereinkunft der EU-Staaten ist ihm dies eigentlich nicht möglich, denn er ist über Italien in die EU gelangt. Das bedeutet, dass er seinen Antrag in Italien stellen müsste. Das wolle man ihm ersparen, sagt Pfarrer Christoph Böhlau von der Eichenauer Friedenskirche. Denn nach Italien könne er seine Frau nicht nachholen, die sich noch in Syrien aufhält und dort den Angriffen des syrischen Militärs ausgesetzt ist.

Seit der Eroberung der Gegend nahe der türkischen Grenze wird die Stadt Idlib laut einer Mitteilung des Asylhelferkreises Eichenau von syrischen Truppen mit Fassbomben und Chlorgas beworfen. Täglich gebe es viele Tote, schreiben die Helfer. Der syrische Flüchtling fürchtet deshalb um das Leben seiner Frau. Auch ist es schwer, Nachrichten aus Idlib zu bekommen, denn die Telefon- und Internetverbindungen brechen immer wieder zusammen. Durch diese Situation sei der junge Syrer "einem enormen psychischen Druck ausgesetzt", sagt Böhlau zur Begründung des Kirchenasyls. "Wir machen uns Sorgen, dass er im Fall einer Abschiebung persönlichen Schaden nehmen wird."

Der Syrer hat zunächst Zuflucht in der Gemeinschaftswohnanlage für Flüchtlinge in Eichenau gefunden. Als der Bescheid kam, dass er nach Italien ausreisen solle, suchte der Asylhelferkreis den Kontakt zur Kirche. Dort kann der 26-Jährige nun zwei Monate bleiben. Dann hält er sich sechs Monate in Deutschland auf und darf regulär einen Asylantrag stellen. Der hat gute Aussichten auf Anerkennung, denn Kriegsflüchtlinge aus dem nahöstlichen Land dürfen in der Regel in Deutschland bleiben. Pfarrer Böhlau ergänzt, dass fast 90 Prozent der Menschen, die Kirchenasyl erhalten haben, anschließend auch bleiben dürfen. Er ist deshalb froh darüber, dass die Politik diese "Grauzone duldet". In der kann sich der Syrer nun einrichten. Für ihn besteht sie aus dem bislang von der Pfarrjugend genutzten Raum, der mit Hilfe von Spendengeldern wohnlich gemacht worden sei, wie Hans-Heinrich Sautmann vom Asylhelferkreis erzählt. Das Gelände der Kirchengemeinde darf der Flüchtling allerdings nicht verlassen, die Behörden dulden das Kirchenasyl nur so lange, wie sich ein Flüchtling, der ausreisen müsste, direkt dort aufhält. Obwohl der 26-Jährige die Kirchengebäude nicht verlassen kann, ist er dennoch nicht alleine. Neben Mitgliedern des Asylhelferkreises kümmern sich auch syrische Bekannte und Freunde aus der Gemeinschaftsunterkunft um ihn. Laut Sautmann versorgen sie ihn vor allem mit Essen - der junge Mann ist Muslim.

Den Einsatz der Kirchengemeinde zu Gunsten des Flüchtlings begründet Böhlau auch mit dem Vorbild, das Dietrich Bonhoeffer gegeben hat. Bei Diskussionen zu dessen 70. Todestag am 9. April sei auch darüber gesprochen worden, dass der Theologe Juden geholfen habe, über die Grenze in die Schweiz zu kommen und damit einer Verhaftung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Zwar sei die Situation heute eine "andere und weniger riskante", sagt Böhlau, das geltende Asylrecht ist in seinen Augen aber "in bestimmten Fällen unzulänglich".

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: