Fliegerhorst Fürstenfeldbruck:"Das kann wirtschaftlich ein Desaster werden"

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Welche Giftstoffe im Boden des Brucker Fliegerhorsts verborgen sind, weiß derzeit keiner. Im Gespräch warnen Umweltbeirat und ein Geologe vor den Folgen und raten der Stadt zur Vorsicht beim Kauf des Areals

Interview Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Brucker Umweltbeirat warnt vor Gefahren und enormen Kosten, die die Kommunen wegen Altlasten auf dem Fliegerhorst treffen könnten. Die SZ sprach darüber mit dem Vorsitzenden des Beirats Georg Tscharke, der dort selbst von 1981 bis 1988 als Transport- und Nachschuboffizier und im Stab für die Logistik tätig war, und Martin Höckenreiner, der als Geologe bei einer Altlastensanierungsgesellschaft arbeitet.

Welche Giftstoffe liegen auf dem Fliegerhorst?

Georg Tscharke: Das wissen wir nicht und wir wollen auch keine Panik machen. Solange das Gelände nicht genau untersucht ist, können wir nur Vermutungen anstellen. Wir wissen lediglich, dass es bei der Stadt Fürstenfeldbruck mehrere Gutachten aus den Jahren 1999 bis 2013 zur Altlastensituation auf dem Fliegerhorst gibt. Diese Gutachten wurden wohl überwiegend von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BImA in Auftrag gegeben. Obwohl die mit der Erstellung der Gutachten beauftragten Firmen schon damals eine weitere Klärung empfohlen haben, wurden nach unserer Kenntnis diese Untersuchungen bisher nicht fortgeführt. Gern würden wir die Stadt dabei mit unserem Experten unterstützen, haben aber bisher, trotz mehrerer Anfragen, noch keine Einsicht erhalten. Nach allem was wir wissen, gibt es noch großen Untersuchungsbedarf bei Flächen, die nicht betrachtet, und Stoffen, die bisher nicht berücksichtigt wurden. Da muss man jetzt ran.

Martin Höckenreiner: Hauptverdächtig sind die üblichen Chemikalien, die aus dem Betrieb eines Fliegerhorsts resultieren wie Treibstoffe, Schmiermittel und Reinigungsmittel. Hinzu kommen Stoffe, die im Zuge der Abfallentsorgung in den Boden eingegraben wurden. Seit mehreren Jahren weiß man auch über die Brisanz der Stoffgruppe der PFC Bescheid. PFC sind per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, von denen es etwa 3000 bis 5000 Stoffe gibt. Einige davon stehen im Verdacht, krebserregend zu sein, andere sind gesundheitsschädlich oder haben eine hormonähnliche Wirkung. Ein sehr kritischer Vertreter dieser Gruppe, PFOS, wurde bis zum Verbot 2011 in Feuerlöschschaum verwendet, weil man brennendes Öl damit hervorragend löschen kann.

Tscharke: Auf dem Fliegerhorst wurde das ständig verwendet, nicht weil es dauernd brannte, sondern zu Übungszwecken. Außerdem wird es Reste von Kampfmitteln geben und Schadstoffe in einzelnen Gebäuden. Von den Amerikanern weiß man etwa, dass sie die Wände mit DDT besprüht haben.

Wer ist für die Untersuchung und Sanierung verantwortlich?

Höckenreiner: Man muss zwischen verschiedenen Bearbeitungsschritten unterscheiden. Im Bodenschutzrecht sind die Untersuchungen zunächst im Rahmen einer sogenannten Amtsermittlung durchzuführen. Ab einem gewissen Kenntnisstand der Gefahrensituation ist dann der Verursacher oder Grundstückseigentümer für die weiteren Untersuchungen und unter Umständen zu Sanierungen heranzuziehen. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) führt als Eigentümerin sämtliche Untersuchungsschritte selbst durch. Allerdings hat die Bima einen schlechten Ruf, selbst die bayerische oberste Baubehörde warnt in einer Broschüre über deren Geschäftspraktiken. Wir wollen nicht, dass die Kommunen ein unbekanntes Risiko übernehmen, denn das kann wirtschaftlich schnell ein Desaster werden.

Tscharke: Die Stadt sollte alle Möglichkeiten ausschöpfen, kompetente Leute hinzu zu ziehen, denn das erfordert Sachkenntnis und intensive Arbeit. Wenn etwas versäumt wird, zahlt die Kommune die Zeche, letztlich der Steuerzahler.

Höckenreiner: Nach dem Bodenschutzrecht kann der Verursacher, ein früherer Eigentümer oder der aktuelle Eigentümer im Schadensfall zur Sanierung verpflichtet werden. Dabei müssen die Behörden nicht vorrangig den Verursacher heranziehen. Nach unserem Wissen versucht die Bima üblicherweise im Kaufvertrag das Haftungsrisiko und die Kosten nach Ablauf einer kurzen Frist vollständig auf den neuen Eigentümer zu übertragen.

Wie läuft eine Altlastenuntersuchung ab?

Höckenreiner: Es beginnt mit einer historischen Erkundung. Dazu muss man in Archiven recherchieren, Zeitzeugen befragen und Luftbilder auswerten. Danach weiß man, an welchen Stellen auf dem Gelände Schadstoffe zu finden sein könnten. Bei einem Areal wie dem Brucker Fliegerhorst können das schnell 50 Stellen sein, vor allem im südlichen Bereich auf Brucker Flur, darunter Tankstellen, Tanklager oder Schmierstellen. Dann kommt eine orientierende Untersuchung, bei der man Proben entnimmt und Messungen vornimmt, um zu prüfen, ob sich der Verdacht auf eine Altlast erhärtet oder ausgeräumt werden kann. Wenn die Bima diese beiden ersten Schritte selbst durchführt, müssen die Ergebnisse der Unteren Bodenschutzbehörde im Landratsamt vorgelegt und auf Vollständigkeit geprüft werden. Es folgen eine Detailuntersuchung, bei der abschließend festgestellt wird, ob von den Stoffen im Boden eine Gefahr ausgeht. Erst dann spricht man im Bodenschutzrecht von einer Altlast. Im nächsten Schritt prüft man, welche Maßnahme am besten geeignet ist, um die Gefahrensituation zu beseitigen, dies kann beispielsweise eine Oberflächenabdichtung oder ein Komplettaushub sein. Anschließend erfolgt die Sanierungsplanung und die Sanierung.

Altlastenexperte Martin Höckenreiner. (Foto: privat)

Dann weiß man also erst, wo tatsächlich Altlasten verborgen liegen?

Höckenreiner: Es gibt einen weiteren Fallstrick. Der Begriff Altlast ist zunächst eine juristische Definition und bezieht sich nur auf Gefahren bezüglich der aktuellen oder der planungsrechtlich zulässige Nutzung. Frei von Altlasten heißt also nicht frei von Schadstoffen, sondern nur, dass davon aktuell keine Gefahr ausgeht. Im Fall einer anderen, höherwertigen Nutzung kann deshalb ein altlastenfreies Grundstück schnell zur Altlast werden. Ein Beispiel: Ein ehemaliger, mit Blei belasteter Schießplatz der Bundeswehr wird als Gewerbefläche genutzt. Aufgrund der wenig sensiblen Nutzung wären höhere Schadstoffgehalte im Oberboden zulässig. Solange die Fläche nicht anders genutzt wird und nichts ins Grundwasser gelangen kann, ist es keine Altlast und alles bleibt wie es ist. Will man dagegen dort später einen Spielplatz oder Wohnhäuser bauen, gelten strengere Prüfwerte. Möglicherweise muss das Gelände dann doch saniert werden, was enorme Kosten verursacht. Bevor man mit der Planung beginnt, muss man daher sehr genau wissen, was im Boden so alles liegt.

Trotzdem klingt das Verfahren nachvollziehbar und vernünftig.

Höckenreiner: Es gibt ein paar Besonderheiten. Ähnlich wie die Bahn AG übernimmt auch die Bima die historische und die orientierende Untersuchung. Aber die Bima hat als Verkäufer ihr eigenes Interesse. Deshalb muss das Landratsamt das genau kontrollieren. Als zuständige Behörde sollte das Landratsamt Experten zu Rate ziehen, die die Unterlagen sichten und eine Defizitanalyse durchführen. Das andere Problem ist die Zeit. Ein privater Bauherr kann einen Generalunternehmer beauftragen, das geht schneller. Die öffentliche Hand muss aber alle einzelnen Schritte in diesem Verfahren ausschreiben, in Summe kann das dann fünf bis sieben Jahre dauern. Es bis 2023 schaffen zu wollen, wäre sehr sportlich.

Tscharke: Deshalb drängt die Zeit. Die Zeitzeugen aus den Fünfzigerjahren sind inzwischen um die 90 Jahre alt.

Höckenreiner: Die meisten Militärflugplätze in Bayern wurden schon auf die brisante Stoffgruppe der PFC untersucht, aber Fürstenfeldbruck bisher nicht. Übrigens gibt es längst genügend Grundwasser-Messstellen auf dem Gelände, wo man Proben hätte entnehmen können. Obwohl klar ist, das etwas im Boden ist, hat man jahrelang nicht nachgesehen. Jetzt taucht PFOS in Maisach im Grundwasser auf, wenn auch unterhalb des Prüfwertes, ohne dass wir wissen, woher es kommt.

Was raten Sie der Stadt?

Höckenreiner: Die Stadt muss das Landratsamt und die Bima zur zügigen Bearbeitung drängen. Zwar wurden vor kurzem weitere Untersuchungen eingeleitet, aber es gibt noch sehr viel zu tun. Ein auf solche Fälle spezialisiertes Büro sollte hinzugezogen werden. Bei der Gestaltung des Kaufvertrags wäre ein guter Rechtsanwalt ratsam. Die Stadt soll unter keinen Umständen Risiken auf sich nehmen, die nicht bezifferbar sind.

Tscharke: Man sollte gar nicht mit der Bima in Verhandlungen über Grundstücke treten, bevor nicht klar ist, was im Boden steckt. Denn unter Umständen wäre geschenkt noch zu teuer. Bruck sollte die Erfahrungen von anderen Kommunen nutzen und von der Bima sowie dem Bund als Verursacher konsequent fordern, alles zu untersuchen und für die Folgeschäden aufzukommen.

Höckenreiner: Die Bundeswehr könnte die Ausgaben für ihre Altlasten ja dem Wehretat zuschlagen. Dann hätte sie eine Erhöhung ohne Waffen zu kaufen.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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