Filmwirtschaft:Keine Angst vorm Streaming

Lesezeit: 4 min

Die Kinobetreiber im Landkreis sind mit ihrer aktuellen Situation relativ zufrieden. Die Konkurrenz durch Angebote im Internet lässt sie dabei nicht unruhig werden

Von Jakob Mandel, Fürstenfeldbruck

Die Kinos im Landkreis Fürstenfeldbruck haben keine Existenzängste wegen des veränderten Filmkonsums durch die verschiedenen Streaminganbieter. Vielmehr betonen die Filmtheater, dass Streamingdienste wie Netflix oder Amazon-Prime keine direkte Konkurrenz für sie darstellen. Wer sich Filme über das Internet anschaue, verzichte nicht auf das Kino, sondern begeistere sich so sehr für Filme, dass er auch eine Vorstellung besuche. So lautet der Tenor der Kinobetreiber der vier Lichtspielhäuser aus dem Landkreis.

Für Petra Löw, Inhaberin und Geschäftsführerin der Gröbenlichtspiele in Gröbenzell, ist die Situation ihres Kinos insgesamt in Ordnung. Allerdings sei das Durchschnittsalter ihrer Besucher zu hoch. Das Publikum sei zwar schon immer ein etwas älteres gewesen, dennoch werde ihr Kino zu wenig von Kindern besucht und das immer nur an Regentagen. Das stößt bei Löw auf Unverständnis: "Eigentlich ist es an heißen Sommertagen im Kino angenehmer." Doch statt im klimatisierten Saal einen Film zu sehen, blieben die Familien in der Hitze lieber am See. Auch sei die zu hohe Kinodichte im Westen Münchens ein Problem.

Dagegen hat sie keine Bedenken wegen der Onlinefilmanbieter. 87 Prozent derjenigen, die Streaming nutzen, gingen auch mindestens einmal im Jahr ins Kino, wie eine Studie der Filmförderanstalt (FFA) zeigt. Der Trend zu Serien sei auch nicht negativ: "Auch ein Serienmarathon von beispielsweise Game of Thrones ist möglich, es braucht nur die Nachfrage dafür." Das Publikum bevorzuge eher leichte Unterhaltung, egal, ob aus deutscher oder amerikanischer Produktion. "Dabei ist das Kino für wirkliche Kinofilme gedacht. Es ist kein Vergleich, ob ich einen effektvollen Blockbuster auf der Kinoleinwand oder in einem halbhellen Wohnzimmer sehe", sagt Löw dazu. Dennoch achtet sie darauf, neben der leichten Unterhaltung auch anspruchsvolle Filme im Programm zu haben. In den Jahren 2009 bis 2011 wurde ihr Programm durch den Filmfernsehenfond Bayern prämiert. Neben dem technischen hat das Kino laut Löw auch noch einen sozialen Vorzug. Einen Film gemeinsam mit seinen Freunden zu sehen, sei fester Bestandteil des Erlebnisses Kinobesuch. Dabei störe eigentlich auch der obligatorische Verzehr von Popcorn - wenn jeder um einen herum esse, verliere man den Fokus auf den Kinofilm.

Für die einen unverzichtbarer Filmgenuss, für die anderen störender Lärm: Popcorn im Kino spaltet schon immer die Gemüter, gehört meist aber einfach dazu. (Foto: Marco Einfeldt)

Dagegen wird im Scala in der Buchenau von Geschäftsführer Markus Schmölz großer Wert auf die Snacks und Süßigkeiten gelegt. Ohne den Nebenumsatz wäre das Scala nicht überlebensfähig, sagt Schmölz dazu. Aus diesem Grund werden auch hohe Standards bei Qualität und Präsentation gesetzt. Die Qualität der Filmgeschichten ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium für Schmölz. "Filme wie Ziemlich beste Freunde oder die Filme von Quentin Tarantino ziehen die Leute ins Kino", sagt Schmölz. Insgesamt waren es 198 000 im Jahr 2018. Aber auch Kultfilmreihen wie James Bond, Fast & Furios und die Eberhofer-Krimis sind Zuschauermagnete im Scala. Diese Filme zögen abends wetterunabhängig ein junges Publikum an. Dagegen ließen es die Familien stark auf das Wetter ankommen. Diese kämen für Komödien oder Disney-Filme und stehen im besonderen Interesse von Schmölz. Er will jungen Menschen positive Erinnerungen an das Kino schaffen, damit sie auch in Zukunft noch ins Kino gehen. "Das Kino ist ein Versammlungsort, ein Hotspot", beschreibt Schmölz das soziale Erlebnis Kinobesuch.

Aus diesem Grund seien Streamingdienste und Kinos weniger Konkurrenz, vielmehr ergänzten sie sich gegenseitig, wie auch die FFA-Studien zeigten. Die Synergieeffekte zwischen Streaming und Kino gingen auf Kosten des normalen Fernsehens, das auf Dauer keine Zukunft habe. Die eigene Zukunft der Kinobranche liege in Modernisierung und Digitalisierung, beispielsweise müssten Laserprojektoren angeschafft oder das digitale Marketing verbessert werden. "Doch das Kino ist ein schwerfälliger Apparat", sagt Schmölz über seine Branche.

Auch Werner Rusch, mit dem Cineplex in Germering ein starker Konkurrent für das Scala, sieht die ganze Branche in der Verantwortung, die Attraktivität der Kinos zu erhalten. Maßnahmen, die nur gemeinsam ergriffen werden könnten, seien die Einführung von Abonnements und Kundenkarten. Schon nächstes Jahr sollen diese Projekte umgesetzt werden, obwohl für das Cineplex keine Eile bestehe. "Dem Kino in Germering geht es sehr gut. Wir haben im Gegensatz zu vorherigem Jahr eine Steigerung von 24 Prozent bei den Besucherzahlen", sagt Rusch stolz, der noch acht weitere Kinos betreibt. Ein Grund dafür sei das schlechte Vorjahr, aber auch der durchwachsene Sommer sowie der "gute Mix" der verschieden Altersklassen. Am stärksten sieht Rusch sein Kino bei den Kindern und Familien. An guten Tagen sei das Germeringer Kino, erst im Sommer 2015 eröffnet, das beste der ganzen Rusch-Gruppe. Allerdings gebe es ein Problem bei den Jugendlichen: "Das Geld, das Teenager früher für das Kino ausgeben konnten, brauchen sie jetzt für ihre Handys."

Neben dem Handy sieht Rusch noch andere Konkurrenz in Videospielen und durchaus auch dem Streaming. Doch habe das Kino schon DVD und Blu-ray verkraftet und Weltstars blieben weiterhin Kinoproduktionen vorbehalten. Nur Mittelklassefilme würden am meisten darunter leiden, weil ihnen die Schauspieler zu den Onlineanbietern abwanderten. Den dort gezeigten Serien bescheinigt er nur ein kleines Potenzial für das Kino. Die großen Filme, Rusch nennt als Beispiele unter anderem Avengers: Endgame und König der Löwen, blieben zusammen mit dem Nebenumsatz die wichtigste Einnahmequelle.

Einen ganz anderen Weg geht das Lichtspielhaus in Fürstenfeldbruck, nicht nur weil es dort kein Popcorn gibt. Neben dem kommerziellen Betreiber Markus Eisele nutzt die Brucker "IG Lichtspielhaus", ein ehrenamtlicher Verein, das historische Kinogebäude im Zentrum der Stadt. Beide verzichten auf den Kinomainstream: Während Eisele schon eher eine "Wohlfühlatmosphäre" durch allgemein beliebte, aber hochwertige Filme schaffen will, hat sich der Verein auf Kinoklassiker, Nischenfilme, Thementage und Kulturveranstaltungen spezialisiert. Für die Kinoliebhaber spiele der Verein Filme wie Das Leben des Brian, Rocky Horror Picture Show oder Woodstock, oft im extra langen Director's Cut. "Wir sind ein Kulturbetrieb, der die Stadt nicht belastet. Das ist schon außergewöhnlich", sagt Richard Bartels, Vorsitzender der Interessensgemeinschaft. Das Programm des Vereins werde in enger und vertrauensvoller Zusammenarbeit mit Eisele abgestimmt, der mit viel Idealismus und Kompromissbereitschaft den gemeinsamen Erfolg erst ermögliche. Ein Teil des "Erfolgsrezepts" sei die zentrale Lage des Kinos in Bruck, durch die es ein Treffpunkt für Brucker Kinogänger geworden sei.

"Das Kino besticht durch sozialen Raum", bestätigt Eisele den Vorzug des Hauses. Wegen des besonderen Konzepts seines Kinos sei das Scala kein Konkurrent. Auch zu anderer möglichen Konkurrenz durch Streaming sagt Eisele: "Da sind wir relativ gelassen." Er glaubt wie sein Brucker Kollege Schmölz, dass darunter eher das Fernsehen leiden werde. Dennoch dürfe man Netflix nicht die Hoheit über den Filmkanon überlassen. "Netflix wird bedrohlich, wenn es die großen Fische angräbt", warnt Eisele und verweist auf die Netflixproduktion Roma. Der dreifache Oscargewinner hatte fast keine Kinolaufzeiten, obwohl sie ein entscheidendes Nominierungskriterium sind. Auch das sei eine Herausforderung für die ganze Branche. Für sein eigenes Kino ist Eisele guter Dinge, dass sein Programmkino in der nächsten Saison, die im Herbst beginnt, das selbst gesteckte Ziel von 20 000 Besuchern erreichen kann.

© SZ vom 15.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: