Film:Ohne Vorurteile

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Alice Agneskirchner, die einen Dokumentarfilm über Jagd und Jäger gedreht hat, ist zu Gast bei Markus Eisele vom Brucker Lichtspielhaus. (Foto: Günther Reger)

Die Regisseurin Alice Agneskirchner zeigt im Brucker Lichtspielhaus ihren Film "Auf der Jagd - wem gehört die Natur?" und erntet dabei Lob von anwesenden Jägern

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Einen Film über Jagd und Jäger zu planen und zu realisieren, ist mutig. Alice Agneskirchner, 52, hat sich getraut, den Film "Auf der Jagd - wem gehört die Natur?" zu machen. Sie konnte sogar Jäger vom Schliersee und Tegernsee, einer traditionellen Jagdgegend, als Darsteller, Akteure und Meinungsmacher gewinnen. 40 Besucher kamen am Freitag abend zur Vorstellung ihres 90-Minuten-Films ins Brucker Lichtspielhaus. "Der Film ist ohne Vorurteile gegen Jäger", lobt ein Jäger das Werk in der Diskussion nach der Vorführung. Auch das Handwerk gefiel ihm: "Die Bilder sind imposant - große Klasse."

Das freute die bayerische Regisseurin, die seit vielen Jahren in Berlin wohnt. "Zunächst war das Recherchieren nicht leicht", berichtet Agneskirchner. "Ich bin auf Ängste und Skepsis bei den Jägern gestoßen." Nach und nach konnte die Filmemacherin sie aber davon überzeugen, mitzumachen. Die Ästhetik des Films lebt von den Jagd- und Naturbildern. Die Jäger, die zur Jagd blasen. Der Jäger und das zu jagende Tier. Der Mensch mit dem Gewehr auf dem Hochsitz, der in der Morgenstille auf Reh, Wildschwein, Fuchs wartet. Agneskirchner scheut sich nicht, auch für den Tierfreund unangenehme Bilder zu zeigen. Bilder, die zum Wegschauen animieren, wenn der Jäger das geschossene Wild vor Ort ausweidet. "Die Rehleber wird gut schmecken - mit Zwiebelringen und Kartoffelbrei", sagt einer. Nach einer Jagd stehen die Jäger um das erlegte Wild im Kreis herum und blasen die Jagd ab.

Ziemlich skurril sind auch die Aufnahmen, die Agneskirchner bei der jährlichen Hegeschau, der Trophäensammlung mit Geweihen, zeigt. Sie lässt aber auch die Natur wirken - "die vom Menschen gemachte Natur", wie ein Waldarbeiter im Film sagt. "Die Bilder sind so nah und so groß", fügt ein Jäger im Lichtspielhaus noch anerkennend hinzu. Wohl wahr: Nebel im Morgengrauen, Stille im Wald, ein Förster geht mit seinem Hund an der Hand. Wolfsgeheul in Brandenburg durchdringt die Stille, die Kamera verfolgt zwei hetzende Wölfe. Wölfe stehen unter Naturschutz, werden aber illegal abgeschossen. 380 000 Jäger mit obligatorischer Jägerprüfung gibt es in Deutschland. Sie müssen Jagdquoten erfüllen, die die staatlichen Forstämter vorgeben und die ihnen selbst oft zu hoch erscheinen. Die Quoten richten sich nach dem Verbiss der jungen Bäume, der regelmäßig kontrolliert wird. Jährlich werden etwa 1,2 Millionen Rehe, 61 000 Wildschweine, 460 000 Füchse und 5000 Gämsen geschossen. Schaffen die Jäger ihre Abschusszahlen nicht, kann es Bußgelder geben. Diese Abschusszahlen relativieren sich stark, als die Kamera in einen Schlachthof schwenkt und die Zahl 60 Millionen geschlachtete Schweine eingeblendet wird.

"Ich weiß, dass das von mir geschossene Reh ein glücklicheres Leben als diese Schweine gehabt hat", sagt eine Jägerin. Ihre Maxime ist: "So wenig Tierleid wie möglich." Es gibt Jäger, die beklagen, dass der Wolf wieder in Deutschland angesiedelt wurde. Der Wolf verscheucht offenbar das Wild, so dass der Jagderfolg hier und da ausbleibt. "Ich gehe 20 Mal raus und schieße nur zweimal ein Tier", klagt ein Jäger auf dem Hochsitz. Mehrmals greift er zum Fernglas, aber es rührt sich nichts. Agneskirchner stellt alle Positionen um die Jagd dar, arbeitet auch die Widersprüche gekonnt heraus. "Ich bin Dokumentarfilmerin", sagt sie, "ich arbeite ergebnisoffen." Das ist ihr mit ihrem sehenswerten Film gelungen. Fast acht Jahre hat es gedauert, bis sie den Film in die Kinos brachte.

© SZ vom 14.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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