Feuer im Treppenhaus:Angst in der Planie

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Nach einer Serie von Brandstiftungen fürchten sich die Bewohner der Hochhäuser in Puchheim vor weiteren Vorfällen. Mieter klagen, dass Platz für Kinderwagen fehlt. Die Hausverwaltung berichtet, dass viele Mieter Sperrmüll in den Treppenhäusern abstellen

Von Peter Bierl, Puchheim

Zwei Tage nach dem Feuer in einem Hochhaus in Puchheim hat die Polizei noch keine Spur von dem Brandstifter. Die Kripo ermittelt in insgesamt drei Fällen im Planie-Viertel, die nach ähnlichem Muster abgelaufen sind. Am Samstagvormittag waren im Keller eines Gebäudes in der Kennedystraße 20 mehrere Kinderwagen angezündet worden. Der Rauch zog durch das Treppenhaus, so dass die Menschen ihre Wohnungen nicht verlassen konnten. Die Bewohner haben Angst, dass der Feuerteufel wieder zuschlägt. Sie kritisierten, dass es im Haus keinen Platz für Kinderwagen gibt.

Das Feuer muss um kurz nach 7 Uhr unten im Keller gelegt worden sein. Entweder direkt an der Treppe oder in einem kleinen Raum daneben, in dem Räder abgestellt waren. Dort stehen am Montag noch die verbrannten Reste von Kinderwagen und Fahrrädern, die Wände sind verrußt und es stinkt nach Rauch. Etwa 70 Menschen befanden sich zu dem Zeitpunkt in dem achtstöckigen Gebäude. Im Hochparterre bemerkte ein junger Mann den Qualm und alarmierte die Polizei. Wenig später traf ein erster Streifenwagen ein und die Polizisten bekämpften den Brand mit Feuerlöschern, kurz darauf rückten die beiden Puchheimer Feuerwehren sowie Kollegen aus Bruck, Eichenau und Germering an.

Verkohlte Reste von Kinderwagen im Treppenhaus. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Weil das Treppenhaus wie ein Kamin wirkt, zog der Rauch sofort nach oben. Viele Bewohner brachten sich auf den Balkonen in Sicherheit, wie etwa eine Familie im obersten Stock. "Zum Glück war mein Mann zu Hause, denn die Balkontüre ist kaputt, alleine hätte ich die gar nicht aufgekriegt", erzählt eine Frau. Erst vor kurzem haben sie eine neue Haustüre bekommen. Die alte Tür hatte die Feuerwehr im April 2018 eingeschlagen, als ein Unbekannter im Flur des siebten Stocks einen Kinderwagen angezündet hatte.

Ein Paar aus dem fünften Stock flüchtete mit den Kindern ins Schlafzimmer, weil in den übrigen Räumen schon der Rauch eindrang. Sie mussten dort fast zwei Stunden ausharren, bis die Feuerwehr Entwarnung gab und sie das Haus verlassen konnten. Im April 2018 konnten sie über das Treppenhaus flüchten, weil der Brandstifter damals über ihnen zugeschlagen hatte, so dass sie den Rauch nicht abbekamen. Ihre Nachbarin im vierten Stockwerk war an diesem Samstag schon wach, als es losging und konnte noch rechtzeitig die Ritzen ihrer Wohnungstür mit Tüchern und Decken verstopfen, um den Qualm abzuhalten.

Vor dem Haus stehen auch noch Feuerlöscher vom Einsatz. Mit ihnen haben Polizisten den Brand bekämpft. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Alle befragten Bewohner bemängelten, dass es keinen Stellplatz gibt. Der Fahrradkeller misst nur ein paar Quadratmeter, das würde nicht mal für alle Zweiräder ausreichen. Dass es wegen abgestellter Kinderwagen zu Konflikten unter den Mietern gekommen sei, bestreiten die Bewohner. "Die meisten im Haus haben Kinder und deshalb Verständnis dafür", sagt eine Frau. Wenn dem so ist, dürfte es eher die Ausnahme sein. Denn Mehmet Ismail Birinci vom städtischen Quartiersmanagement sagt, dass es wegen zugestellter Hauseingänge, Treppenhäusern und Kellern in den Hochhäusern ständig Reibereien gebe.

Manche Bewohner stellten Kinderwagen im Treppenhaus in kleinen Buchten ab, die es auf jeder Etage zur Vorderseite hin gibt, berichtet ein Ehepaar. Dort stünden sie niemandem im Weg. Aber aus Gründen des Brandschutzes und der Reinigung darf überhaupt nichts in den Treppenhäusern abgestellt werden. Nach dem ersten Brand im April 2018 sah die Hausverwaltung strenger darauf, dass diese Bestimmung eingehalten wurde. So hat das Paar aus dem fünften Stock seinen Kinderwagen seitdem in der Regel draußen im Auto untergebracht. Bloß an diesem Samstag nicht. Was davon übrig geblieben ist, steht jetzt im Keller.

Verbrannte Fahrräder sind Zeugnisse des Brandes am Samstag in einem der Hochhäuser in der Puchheimer Planie. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Das Hochhaus gehört zu jenen Gebäuden mit insgesamt etwa 400 Wohnungen, die die Deutsche Wohnen AG (DW) aus Berlin gekauft hat. Am 1. Januar hat die DW die Hausverwaltung übernommen, die bis dahin an eine Fremdfirma vergeben war, die bei manchen Bewohnern nicht beliebt war. Nach Angaben von DW-Pressesprecher Marko Rosteck führt der Hausmeister einen beständigen Kampf darum, die Treppenhäuser freizuhalten. Ein großes Problem sei, dass manche Bewohner einfach ihren Sperrmüll abladen würden. "Unser Hausmeister geht täglich durch alle Gebäude und meldet solche Gegenstände. Wir lassen jede Woche zweimal den Sperrmüll abholen", sagt Rosteck. Zu den Klagen der Familien, dass ein Platz für Kinderwagen fehlt, sagt der Pressesprecher: "Wir verstehen das schon, aber so sind die baulichen Gegebenheiten."

Die Gefühlslage der Bewohner ist unterschiedlich, einige versichern, keine Angst zu haben, die meisten sorgen sich um ihre Kinder, andere sind ziemlich verunsichert. "Jedes Mal, wenn wir die Sirene hören, fürchten wir, dass sie wieder zu uns kommen. Wir leben hier mit zwei kleinen Kindern", sagt die Frau aus dem obersten Stock. Eine Nachbarin aus dem dritten Stock klingt eher stoisch bis resigniert: "Wenn Sie hier leben, kennen Sie das Risiko." Alle berichten von weiteren Bränden in umliegenden Häusern. Bei der DW hat man keinen Überblick, die Polizei untersucht derzeit drei Vorfälle: die beiden Brandstiftungen in Hausnummer 20 und einen Fall vor einigen Wochen nebenan. Über die Motive des oder der Täter kann man vorläufig nur spekulieren. Sowohl die Bewohner als auch der Quartiersmanager Birinci schließen einen rassistischen Anschlag eher aus, es könne auch ein irrer Feuerteufel sein. Ziemlich sicher sind die meisten, einschließlich der Polizei, dass es sich um Serientäter handelt, weil die Vorgehensweise identisch war.

© SZ vom 19.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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