FC Puchheim:Tanz ums Netz

Lesezeit: 2 min

Im aktuellen Musical des Vereins dreht sich alles um die schöne, neue, digitale Welt. Die Premiere am Freitagabend im Puc ist ausverkauft und das Publikum begeistert

Von Sonja Pawlowa, Puchheim

Aktueller und schneller geht es nicht. Nicht in der wirklichen Welt und auch nicht auf der Bühne. Mit dem neuesten Musical "Netz(werk)Falle" ist Regisseurin Monika Brettner eine runde Sache gelungen: Spielhandlung, Tanzeinlagen und Live-Musik in einem Tempo, das keine Zeit für Langeweile lässt. Eine spannende Story und überraschende Showelemente liefern sich einen Wettlauf und halten das Publikum in Atem. Fazit: Theatergenuss in der Profi-Liga.

Thema der Spielszenen ist die virtuelle Welt samt Cybermobbing. Ein schwieriges Thema für ein Musical, möchte man meinen. Deshalb hat es die Autorin Evy Zierer mit viel Humor in leicht verdauliche Unterhaltungshäppchen verpackt. Lacher ernten bereits zu Beginn des Stücks zwei Geisterstimmen mit Leuchtdioden: die Sprachboxen Miri und Kleksa, der KI-Elternersatz im Smarthome der 15-jährigen Sophia (Alisia Grimm). Wenn eine Quasi-Alexa den Kühlschrankinhalt überprüft und die männliche Quasi-Siri das Bankkonto hackt, hinterlässt das beim amüsierten Publikum einen bitter-süßen Nachgeschmack.

Die Tänzerinnen des Chores kommentieren das Geschehen. (Foto: Günther Reger)

In Sophias Welt spielt der WhatsApp-Klassenchat eine wesentliche Rolle. Aber auch ihre coole Freundin Anja (Theresa Böhm). Sophia hat nämlich keine Ahnung, wie sie mit Tommy (Milan Rother) anbandeln soll. Er ist im Netz nicht zu finden, also komplett offline. Anja hilft Sophia auf die Sprünge, übernimmt das Chatten und Posten mit Sophias Handy. Sie überredet Sophia sogar zu "Haut-Fotos". Doch es ist der cliqueninterne Influencer Matse (Mats Möllers), der an Sophia unter Tommys Namen Avancen textet. Den Fake bekommen weder Sophia noch Anja mit. Das führt dazu, dass Sophia vor der ganzen Klasse als "Bitch" dasteht und sie sich nicht mehr in die Schule traut. Ein typischer Ablauf, wie die Autorin Evy Zierer ihn bei der Beratungsstelle für Cybermobbing bei der Polizei recherchiert hat. Das Musical endet zwar mit einem Happy End, das Leben aber nicht immer.

Fast könnte man denken, die Dialoge finden nicht auf einer Bühne statt, so natürlich und spontan wirken die jungen Schauspieler. Zwischendrin kommentieren die Tänzer das Geschehen. Ein Augenschmaus, der nicht nur den Verlauf der Handlung untermalt, sondern durch Choreografie und perfekte Synchronität auch für sich betrachtet ein Glanzstück ist. Ganz besonders liebt das Publikum ganz offensichtlich das Zusammenwirken von fluoreszierenden Perücken und Kostümen (Susanne Schmidt), grafischen Choreografie-Bildern und den eindringlichen Beats des Faithless-Klassikers "Insomnia". Tänzerisch werden die Geister der Moderne vertrieben, und zwar in einem riesigen Finale zur Mutter aller Ohrwürmer, "Ghostbusters".

Sophia (links, Alisia Grimm) sucht Hilfe bei ihrer Freundin Anja (rechts, Theresa Böhm). (Foto: Günther Reger)

Möglich ist ein Projekt wie dieses nur durch den ausgeprägten Gruppenzusammenhalt und langjährige Erfahrung. Immerhin hat der FC Puchheim bereits neun Musicals auf die Bühne gestellt. Für die drei Termine, an denen das Musical im Puc gezeigt wird, sind fast zwei Jahre Vorlauf erforderlich. Die Umsetzung vom Kostümbild bis hin zum Tonschnitt stemmt die Jazztanzabteilung völlig eigenständig, sowohl vor, auf wie auch hinter der Bühne. Organisatorisch bedeutet das eine Pyramidenstruktur mit viel Eigenkompetenz. Die Jugendlichen benennen ihr Wunschthema völlig intuitiv, die Autorin formt daraus ihre Handlung.

Interessant ist, dass die jugendlichen Tänzer Cybermobbing zum Thema gewählt haben. Aber es sollten auch Geister vorkommen. Nicht leicht, aber am Ende genial. Es sind die Geister, die wir riefen. Evy Zierer kann stolz auf sich sein. Ihre Alexa-Siri-Persiflage verleiht dem Thema eine zusätzliche Dimension.

Stolz waren auch die Zuschauer. Fabian Klövekorn hat seine Freunde Kira und Thomas zur Premiere mitgebracht. Und nicht nur, weil sich seine Mutter unter den Tänzern befand. "Ich fand, das letzte Musical war schon wirklich gut," sagt er. Für die Generation über 20 sei Instagram nicht mehr ganz so brisant. Doch gerade die Bandbreite auf den Brettern und das unterschiedliche Alter der Darsteller habe ihm und seinen Freunden gut gefallen.

Die beiden Geister Kelksa und Miri helfen der gemobbten Protagonistin, zurück in die Spur zu kommen. (Foto: Günther Reger)

Nur schade, dass es an männlichen Tänzern mangelt. Sebastian Baier ist die große Ausnahme, er tritt beherzt gegen die Frauenübermacht an. Hoffentlich findet er viele Nachahmer, denn HipHop steht den Jungs.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: