ESZ-AG:Familienbande

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Die ESZ-AG in Eichenau ist eine führende Firmen bei der Kalibrierung von Messgeräten. Die Fleischmanns haben sie im Hobbykeller gegründet

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

Wenn Philip M. Fleischmann als Technik-Vorstand der Eichenauer ESZ AG den Aufsichtsratsvorsitzenden anspricht, nennt er ihn "Papi". Das ist keineswegs despektierlich und auch kein Spitzname. Siegfried Fleischmann, der Vorsitzende des Aufsichtsrates, ist Philip M. Fleischmanns Vater. Mit Bruder Oliver T. Fleischmann und Mutter Gudrun Fleischmann sind sie mehr als eine Familie. Die in Eichenau ansässige Firma für die Kalibrierung von Messgeräten ist ein Familienbetrieb in zweiter Generation.

Als jüngst Siegfried Fleischmann, 75, und seine Frau Geburtstag hatten - am selben Tag übrigens -, schenkten ihnen die Söhne ein Fest. Nicht im trauten Familienkreis, sondern mit allen Mitarbeitern und ihren Familien sowie Freunden der Firma. In einer gemieteten Almhütte auf dem Hof der Firma im Gewerbegebiet-Süd wurde gefeiert, und während sich die Gäste den Geburtstagskuchen schmecken ließen, übernahm Siegfried Fleischmann eine der Führungen für Besuchergruppen durch die Betriebsräume. Damit die Angehörigen seiner Mitarbeiter sehen, wo und wie gearbeitet wird.

Die Firma hat er mit seiner Frau 1976 gegründet. Gudrun Fleischmann erzählt vom Hobbykeller im Germeringer Haus, dem ersten Firmensitz. Er war für die Technik zuständig, sie für die Buchhaltung. Mit Philip und Oliver Fleischmann setzt sich diese Arbeitsteilung fort. Philip Fleischmann, 43, ist Diplom-Ingenieur und Technik-Vorstand, sein Bruder Oliver, 45, ist als Diplom-Kaufmann Verwaltungs-Vorstand. Für Marketing und Vertrieb ist Bodo Seewald zuständig, seit 16 Jahren bei ESZ und seit 2010 im Vorstand der Aktiengesellschaft. In die Hände dieses Trios legte das Gründerehepaar die Geschäftsleitung, nachdem es das Unternehmen zu einem der führenden Kalibrierungsspezialisten aufgebaut hatte.

Bei einer Führung erklärt Siegfried Fleischmann, was in der Firma zu tun ist. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Wenn in den Autowerkstätten die Abgasreinigung untersucht werden soll, wenn in der Klinik der richtige Druck an Beatmungsgeräten kontrolliert werden muss oder Temperaturfühler kleinste Abweichungen erkennen sollen, dann übernehmen das Messgeräte, auf die man sich verlassen können muss. Wenn sie funktionieren und exakt anzeigen sollen, ist das meist nur durch regelmäßige Qualitätskontrollen möglich. Es gilt Normen einzuhalten, Prüfbescheinigungen müssen vorgelegt werden, es sollte sich, so die Botschaft der ESZ AG, ein "Gefühl von Sicherheit" einstellen.

Damit sich dieses Gefühl auch einstellt, müssen die Apparate selbst gemessen werden. Beim Kalibrieren jedoch werde nichts eingestellt am Gerät, es finde keine Justage statt, erläutert Siegfried Fleischmann bei einem der Rundgänge. Vielmehr habe jedes Messgerät Toleranzen. Durch das Kalibrieren werden festgestellt, ob die Messungen innerhalb der Toleranzen seien. Die können ganz eng sein, aber wenn es keinen Ausschlag auf die eine oder die andere Seite gibt, bekommt das Messgerät das erforderliche Prüfsiegel.

Bis es dazu kam, dass die ESZ AG Europas größtes unabhängiges, inhabergeführtes Prüflabor wurde, vergingen einige Jahre in Germering. Das Servicelabor zur Instandsetzung, Wartung und Kalibrierung, elektronischer Mess- und Prüfgeräte im Gleichstrom-, Niederfrequenz- und Hochfrequenzbereich wuchs zwar langsam, und der Hobbykeller wurde bald zu klein. So zog man in Germering um. 1985 führte die Firma, die im selben Jahr zur GmbH wurde die ersten PC-Arbeitsplätze ein. Zehn Jahre später waren es 15 Mitarbeiter, die Laborfläche wuchs auf 1000 Quadratmeter. Doch damit war 2000 in Germering Schluss, eine Expansion an der Industriestraße nicht mehr möglich.

Oliver (von links), Siegfried, Gudrun und Philip Fleischmann sowie Bodo Seewald leiten die EZS AG. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ein neues Gewerbegebiet war nicht in Sicht, und so entschlossen sich die Fleischmanns, mit ihren nun 30 Mitarbeitern ins Gewerbegebiet Süd in Eichenau zu ziehen. Dort wurden in einem Gebäude an der Max-Planck-Straße 2000 Quadratmeter belegt, später kam der erste Stock dazu, und inzwischen ist das Dachgeschoss nach den Bedürfnissen der Firma ausgebaut worden. Ein Blick in die Firmengeschichte und die Berichte des Gründerehepaars Fleischmann lassen den Schluss zu, dass das Unternehmen harmonisch und immer dann gewachsen ist, wenn neue Kalibrierungsarten hinzukamen, sich die Aufgaben erweiterten und die Zahl der Kunden stieg. "Eine ausgewogene Balance zwischen Wachstum und gezielter Expansion", nennt es die Firma selbst. Nach bald zwei Jahrzehnten in Eichenau sind es allein 155 Mitarbeiter, deutschland- und europaweit hat ESZ sieben Standorte.

Während die Firma wuchs, bereiteten sich die Söhne auf den Eintritt vor. Oliver Fleischmann studierte Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt BWL. Während des Studiums baute er im Unternehmen eine Personalabteilung auf, die er nach seinem Abschluss auch übernahm. Philipp Fleischmann studierte Elektro- und Informationstechnik an der Technischen Universität München und übernahm die Leitung der messtechnischen Labore.

Das Feld war also bestellt, und Gudrun und Siegfried Fleischmann konnten sich aus dem operativen Geschäft zurückziehen. Mit damals 100 Mitarbeitern und einer guten Entwicklungsperspektive ging die GmbH 2009 in eine Aktiengesellschaft über, die Söhne und Bodo Seewald wurden Vorstände. Siegfried Fleischmann beaufsichtigt mit einem Gremium das Schalten und Walten im Familienbetrieb. Der wachse so gut, dass man bald wieder erweitern müsse, sagt Oliver Fleischmann. Er hat schon ein Auge auf Nachbargebäude geworfen, die bezogen werden sollen. Doch fehlen Mitarbeiter. Physiker, Elektrotechniker, Software-Entwickler würden sofort Stellen bekommen, sagt Pressesprecher Frank Wunderlich, doch die Nähe zu München und den Großkonzernen, die ebenfalls solche Stellen anbieten, sei die größte Konkurrenz. Mit dem Image könne die Firma nicht werben, sagt Oliver Fleischmann, aber mit ihrem Familiensinn. Deshalb verstehen die Mitarbeiter und Gäste bei der Geburtstagsparty, dass der Vorstand den Aufsichtsrat "Papi" nennt.

© SZ vom 12.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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