Erfolgreich, aber zu wenig Nachwuchs:En garde

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Zweikämpfe wie bei dem internationalen Turnier in Gröbenzell erfordern einen starken Willen, Beweglichkeit und viel Beinarbeit. (Foto: Johannes Simon)

Dem Gröbenzeller Fechtclub gehört der dreifache Olympiateilnehmer und ehemalige Deutsche Meister Max Geuter an. Der Verein richtet internationale Turniere aus und der Sport hat ein gutes Image, nur an jungen Mitgliedern mangelt es

Von Karl-Wilhelm Götte, Gröbenzell

Das Kommando zum Aufstellen der Fechter in Kampfposition lautet "en garde". Gleich auf acht Bahnen haben sich morgens um zehn Uhr Fechterinnen und Fechter aufgestellt, um bei einem internationalen Turnier in der Gröbenzeller Wildmooshalle die Sieger zu ermitteln. Alexander Strehler bekam von seiner Partnerin Helene Becker-Rhezak im vierten Gefecht einen 2:5-Rückstand mit. Doch der Degenfechter vom Fechtclub Gröbenzell ließ sich nicht beirren und machte aus dem 2:5 am Ende noch einen 10:9-Erfolg für das Fechtpaar. Es war ein so genanntes Paar-Turnier. 26 Fechtpaare, darunter einige aus Italien, Ungarn und Kroatien, kämpften sechs Stunden jeder gegen jeden um die Fechtkrone. Am Ende belegten die Lokalmatadoren Strehler/Becker-Rhezak den vierten Platz.

Fechten sieht unkompliziert aus, "ist aber kein einfacher Sport", sagt Dominik Nagel, der Vorsitzende des FC Gröbenzell. "Zwei Jahre Übung sind nötig, um den Sport einigermaßen zu beherrschen." Arme und Beine müssten unabhängig voneinander bewegt werden, so Nagel. "Fechten ist sein sehr technischer Sport." Mit dem so genannten "Theaterfechten" der Musketiere habe das nichts zu tun. "Da wird Fechten von oben herunter nur angedeutet", erläutert Nagel. Beim Sportfechten komme es auf eine kleine aber effektive Bewegung an, um den Gegner zu treffen.

Die Fechter in der Wildmooshalle benutzen zwei Waffenarten. Da ist die Waffe mit dem "Pistolengriff", die deutsche Fechter bevorzugen. Franzosen aber auch Italiener bevorzugen den "Stangengriff". "Das hat mit den verschiedenen Fechtschulen zu tun", so Nagel. Deutsche vertrauen auf den Pistolengriff, der einen festeren Griff ermöglicht, aber auch mehr Kraft in den Armen, besonders im Unterarm, benötigt. Immerhin wiegt die Erwachsenenwaffe 750 Gramm. Nagel weiß um den Unterschied: Um die Fechter mit Pistolengriff zu ermüden, würden die Gegner ihnen ständig auf die Waffe schlagen.

Der Gröbenzeller Fechtclub hat 70 Mitglieder; 30 bis 40 sind aktiv. "Ja", bestätigt Nagel, "wir haben Nachwuchsprobleme." Kinder würden schon mal zum Fechten kommen, sind aber häufig schnell wieder weg, auch weil sie zunächst nicht an die Waffe kommen. Zuvor müsse Beinarbeit und Beweglichkeit eingeübt werden. "Beinarbeit ist im Fechten wie Zähneputzen", sagt Nagel, "das ist die Grundlage fürs Fechten." Im Fußball treten die Kinder sofort vor den Ball, beim Fechten dauert es schon mal drei bis vier Monate, bis die Kinder einen Degen in die Hand bekommen. Eine Lösung dieses Dilemmas haben die Fechter offenbar nicht parat. Die erste Ausrüstung zum Hineinschnuppern stellt der Verein. Nach einem halben Jahr müssen die Eltern den Fechtanzug mit Maske und die Waffe kaufen. Kostenpunkt: 300 bis 400 Euro.

"Mit acht, neun Jahren sollten die Kinder zu uns in den Verein kommen", empfiehlt Nagel. Es dauert nämlich einige Jahre Übung, bis sie den Sport beherrschen. "Mit 15 sind sie dann fertige Fechter." Nagel, 51, packte die Fechtleidenschaft mit 14 Jahren. Er war Bayerischer Meister mit der Mannschaft des FC Gröbenzell. Er ist Degenfechter, wie alle im Verein. Degen bedeutet, dass der ganze Körper von der Maske bis zur Fußspitze als Trefferfläche gilt. Im Florettfechten ist es nur der Oberkörper. "Jedes Gefecht ist anders", sagt Nagel. "Ein starker Wille ist im Zweikampf erforderlich." Immer müsse der Gegner ins Kalkül gezogen werden. "Man ist auf sich allein gestellt", sagt auch Alexander Strehler. Der 40-jährige Online-Marketing-Manager wohnt in der Schweiz und hat eine fast zehnjährige Turnierpause hinter sich. Als Kind ging er in Gröbenzell fünfmal in der Woche zum Fechten. Später wurde er Bayerischer Meister mit dem Degen. Strehler meint zufrieden: "Die Automatismen sind noch da." Es gehe beim Fechten darum, den Gegner in die Aktion zu bringen, um dann zu kontern. "Wie bringe ich ihn dazu, dass er das macht, was ich will?", sagt Strehler, das sei das Hauptziel. Das weiß auch Max Geuter, prominentestes Mitglied im Fechtclub. Degenfechter Geuter nahm mit der Degenmannschaft an den Olympischen Spielen in Tokio 1964, Mexiko 1968 und München 1972 teil. 1963 war er Deutscher Meister. In Mexiko wurde er mit der Mannschaft Olympiavierter. "Das war die Holzmedaille", erzählt der 78-Jährige und lacht. Nach wie vor fährt er als Generalsekretär des europäischen Fechtverbandes zu Olympischen Spielen, auch zu denen nach Rio de Janeiro im August. Geuter weiß um das noch gute Image des Fechtsports, aber auch ihn beschäftigt das Nachwuchsproblem im Gröbenzeller Verein.

© SZ vom 18.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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