Archäologie:Tote aus drei Jahrhunderten

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Buchpräsentation (von links): Archäologie-Professor Bernd Päffgen, Ulrike Bergheim vom Historischen Verein, Doktorand Tobias Albrecht und Walter Irlinger vom Landesamt für Denkmalpflege. (Foto: Historischer Verein)

Zwei Dissertationen befassen sich mit den Funden aus dem Gräberfeld in Emmering. Die Ergebnisse sind über die Region hinaus interessant.

Von Manfred Amann, Emmering

Mehr als drei Jahrzehnte ist es her, dass Luftbildaufnahmen vom Gemeindegebiet Emmerings die Entdeckung eines großen Gräberfeldes aus dem frühen Mittealter ermöglicht haben. Nach zeitraubenden Grabungen und intensiven Forschungen liegen nun die Ergebnisse über den Umfang und die Bedeutung des einstigen "Friedhofs" der Bajuwaren vor. Wegen der hohen Anzahl an Gräbern und der langen Laufzeit der Nutzung zeige das Emmeringer Gräberfeld einen bemerkenswerten Querschnitt durch einen großen Teil des älteren Frühmittelalters, das aufgrund vieler Unikate im Fundmaterial seinesgleichen suche.

Mit solchen Worten beginnt die Doktorarbeit von Tobias Albrecht zu den umfassenden Grabungen, die nun zusammen mit einer weiteren Dissertation von Alexander Lutz über die anthropologische Bewertung der Funde vorgestellt wurde. Die ausführlichen Werke mit dem Titel "Das frühmittelalterliche Gräberfeld in Emmering, Landkreis Fürstenfeldbruck" werden als Band 371, Band 1 und 2, der Reihe Universitätsforschungen zur prähistorischen Archäologie geführt und wurden von Professor Bernd Päffgen, dem Doktorvater der beiden Autoren, herausgegeben. Päffgen leitet die Gesellschaft für Archäologie (GfA) in Bayern.

Fundstück aus Grab 522. (Foto: Privat)

Archäologen ziehen nach Fürstenfeldbruck

Die GfA ist mit ihren rund 3500 Mitgliedern eine der größten archäologisch-historischen Interessengemeinschaften und hat vor Kurzem im einstigen Verwaltungsgebäude der Wasserwirtschaft in Fürstenfeldbruck, schräg gegenüber der Stadtbibliothek Aumühle, ihre neue Geschäftsstelle eingerichtet. Grund genug für die Vorsitzende des Historischen Vereins für Fürstenfeldbruck und den Landkreis (HVF), Anna Ulrike Bergheim, die Vorstellung der Dissertationen in den Räumen der archäologischen Abteilung im Brucker Stadtmuseum mit einer Willkommensfeier für die Mitglieder der Gesellschaft zu verbinden. "Wir sind sehr stolz, dass die GfA jetzt in Bruck residiert, denn der ohnehin gute Kontakt zum HVF kann so noch intensiver gepflegt werden", sagte Bergheim.

Päffgen bestätigte die gute Zusammenarbeit mit dem Brucker Geschichtsverein und merkte an, dass es im Landkreis hinsichtlich Archäologie sicher noch vieles zu entdecken gebe und daher Fürstenfeldbruck für die GfA ein geeigneter Ort sei, sich niederzulassen. Bergheim und Päffgen dankten insbesondere Brucks Kulturreferent Klaus Wollenberg, dem ehemalige Kreisheimatpfleger Toni Drexler und dem früheren Leiter des Arbeitskreises für Vor- und Frühgeschichte im HVF, Rolf Marquardt, für ihre Unterstützung. Auch Brucks Oberbürgermeister Erich Raff freute sich, "diese sehr bedeutsame Gesellschaft" nun in der Stadt zu haben.

Neben Gisela Grupe, Professorin für Anthropologie und Humangenetik an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Walter Irlinger, stellvertretender Generalskonservator und Leiter der Abteilung Bodendenkmalpflege im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege, ist auch Bergheim wegen der umfassenden aktiven und finanziellen Unterstützung durch den HVF als Mitherausgeberin der Werke genannt. "Der HVF hat diese Arbeiten nicht nur wesentlich mitfinanziert, sondern auch mehr als die Hälfte der Grabungskampagnen in eigener Verantwortung durchgeführt", erinnerte Bergheim. Diese Grabungen seien es gewesen, die den Historischen Verein in den Neunzigerjahren erst richtig bekannt gemacht hätten.

Einblick in die Welt der Huosi

Beginnend Ende 1989, nach Auswertung der Luftbildaufnahmen, wurden auf dem Gebiet, auf dem die Gemeinde Emmering eine Kompostieranlage errichten wollte, "zeitlich gestaffelt mehrere Grabungskampagnen" unternommen. So konnte nachgewiesen werden, dass im Emmeringer Gräberfeld von der Mitte des 5. Jahrhunderts bis mindestens 725 nach Christi Tote bestattet wurden, in Einzel- oder Doppelgräbern, bis zu vier Generationen in einem Grab. "Das Ergebnis der Untersuchungen hat eine fundierte landesgeschichtliche Dimension, die einen Einblick in die Welt der Huosi ermöglicht, dem Stamm, der zu den wichtigsten der frühen Bajuwaren zählt", erklärte Päffgen.

Zeichnung einer Fundstätte. (Foto: Privat)

Die Dokumentation sei nicht nur für die Region, sondern für ganz Mitteleuropa von Bedeutung. Laut Dissertationen wurden insgesamt 573 Gräber und deren zum Teil noch gut erhaltener Inhalt mit modernen Methoden wie der Strontium-Isotopenanalyse untersucht und zeitlich zugordnet. Leider habe man auch feststellen müssen, dass Grabräuber vereinzelt Gräber nach wertvollen Beigaben durchsucht hätten, bedauerte Päffgen.

Ohrringe, Halsketten und Fibeln

Während im Band 1 mit Schwerpunkt die Kampagnen der Grabungen samt Ergebnissen dargestellt werden, wird im Band 2 jedes Grab mit seinem Inhalt vorgestellt. Dazu gibt es Lagepläne, Skelettbilder und Fotos von den bedeutendsten Funden wie Gürtelschnallen, Messer, Ohrringe, Halsketten Spangen, Anhängern oder Fibeln wie die einer "Emmeringer Dame", die Vögel in Seitenansicht zeigen. Die Vogelfibeln sind 2,3 Zentimeter groß und bestehen aus feuervergoldetem Silber. Eine Punktverzierung auf dem Leib soll das Gefieder andeuten. Augen, Schwanz und Füße wurden aus roten Aladinen gefertigt, die zur Gruppe der Granatsteine gehören. Um deren Wirkung zu steigern, sind sie mit Goldfolie hinterlegt. "Der Goldschmied, der die Vogelfibeln dereinst fertigte, muss hoch spezialisiert und erfahren gewesen sein", glauben die Jungdoktoren , und dass diese Frau wohl einer "höhergestellten Familie" angehörte.

Die beiden Bände wurden im Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH in Bonn aufgelegt und können unter der ISBN 978-3-7749-4307-0 im Buchhandel erworben werden. Auch der HVF hält Exemplare bereit.

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