Ein Jahr wie die Profis:Geile Zeit

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Mit dem Abstieg aus der zweiten Bundesliga geht für Fürstenfeldbrucks Handballer eine extrem kräftezehrende Saison zu Ende. Doch alle Beteiligten sind glücklich

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Brucker Fans feiern ihre Idole. (Foto: Günther Reger)

15 Sekunden zeigt die Uhr noch an, als die beiden Schiedsrichterinnen auf den Punkt zeigen: Siebenmeter für die Handballer aus Hamm. Und Hamm trifft. Zum 27:26-Sieg über die Handballer des TuS Fürstenfeldbruck. Die nehmen mit dieser Niederlage Abschied aus der zweiten Bundesliga. Als Tabellenletzter ist der Aufsteiger des Vorjahres nach nur einer Spielzeit wieder abgestiegen, und am Ende steht die knappe Niederlage sinnbildlich für den Verlauf der ganzen Saison, in der die Brucker Panther oft ebenbürtig waren, am Ende aber doch allzu oft um Haaresbreite die Verlierer.

Acht ihrer 27 Niederlagen kamen mit nur einem Tor Differenz zustande. Positiv daran ist die Erkenntnis, durchaus wettbewerbsfähig gewesen zu sein. Dennoch zogen sie am Ende den Kürzeren, wenn es richtig eng wurde. Gegen den neuntplatzierten ASV Hamm-Westfalen trieb es das Schicksal auf die Spitze: In beiden Partien unterlagen die Brucker durch einen finalen Siebenmeter. Auch am letzten Spieltag ist das so. Fürstenfeldbrucks Handballer liegen lange in Führung, mit bis zu drei Toren, und lassen sich zur Pause wieder einfangen (14:15). Danach drehen sie das Spiel erneut, liegen 20:17 vorne (40.), doch es reicht nicht. Wieder so knapp und mit einem Strafwurf am Ende, den TuS-Trainer Martin Wild als "kreative Regelauslegung" brandmarkt. Auch dies passt zur Erfahrung der Saison: Der Neuling hatte es nicht immer leicht mit den Unparteiischen.

Carsten Bissel vom HC Erlangen schaut sich nach Talenten um. (Foto: Günther Reger)

Lange hatten die TuS-Handballer in dieser überlangen Saison, die von Oktober bis Ende Juni dauerte und 36 Spiele umfasste, die Hoffnung, den Klassenerhalt zu schaffen, obwohl sie die meiste Zeit am Tabellenende standen. Als der Abstieg nach der Niederlage in Lübeck am drittletzten Spieltag auch rechnerisch feststand, sei die Enttäuschung schon groß gewesen, erinnert sich Rückraumspieler Johannes Stumpf. In den guten Momenten aber bleibt vor allem eine "unglaublich geile Saison" übrig.

Das Wort "geil" führen sie fast alle im Munde, wenn sie von der nun zu Ende gegangenen Zweitligasaison sprechen. "Es waren richtig geile Jahre mit den Jungs", sagt Spielmacher Falk Kolodziej über die drei Jahre seit seiner Rückkehr zum TuS Fürstenfeldbruck, wo er nach Stationen in Bad Neustadt, Balingen und Saarlouis wieder andockte. Nun zieht es den 27-Jährigen wieder in die Ferne, in die Nahe von Hannover zum TuS Vinnhorst, der den Aufstieg in die zweite Liga verpasst hat, der aber einen potenten Geldgeber im Hintergrund und sportlich noch viel vor hat. Torhüter Stefan Hanemann ("Ich habe in Fürstenfeldbruck Freunde fürs Leben gefunden") wird ihm dorthin folgen.

Den heftigsten Applaus gibt es bei der Verabschiedung für Johannes Stumpf, der "schon ewig bei uns spielt", wie Manager Ben Gogger anmerkt. Stumpf, 27, der Sport und Wirtschaftswissenschaften fürs Lehramt studiert, will sich im Sommer auf sein Examen konzentrieren, zudem plagen ihn seit längerem Schmerzen in den Knien. Nach einer Pause werde er weitersehen, sagt er der SZ. Johannes Borschel, 38-jähriger Senior im Team und gleichzeitig der Stimmungsmacher, wird sich endgültig aufs Altenteil verlegen. Sein Körper, sagt er, hätte zunehmend Signale in diese Richtung gesendet. Er bleibt aber seinem Sport treu, wird Trainer der Landesliga-Handballer des TSV Allach und hat kürzlich mit dem Erwerb der A-Lizenz begonnen. Die Saison war "lang und anstrengend", resümiert Torhüter Michael Luderschmid, der mit 37 Jahren künftig der Älteste sein wird. Die Auswärtsfahrten führten durch ganz Deutschland, mehrmals bis in den hohen Norden, und bisweilen kehrten sie erst frühmorgens davon zurück. Dann standen für viele ganz normale Arbeitstage an. Das Problem stellte sich der überwiegend im Profibetrieb organisierten Konkurrenz nicht. Dass sich all die Mühen und Entbehrungen lohnten, darüber sind sich alle einig. Denn Erfolge, zumal überraschende, gab es: Von den ersten sieben Teams in der Tabelle haben die Brucker fünf je einmal besiegt, von höchstem Erlebniswert sind dabei die Siege über den künftigen Erstligisten HSV Hamburg und den ewigen Traditionsklub VfL Gummersbach. Von den Konkurrenten habe er immer wieder die Einschätzung überliefert bekommen, "dass wir eine Bereicherung für die Liga waren", betont Abteilungsleiter Michael Schneck. Der Tabellenplatz drücke deshalb "in keinster Weise" aus, was geleistet wurde. "Es hat unglaublich Spaß gemacht und wir können stolz auf uns sein", fasst Trainer Martin Wild zusammen. Der 42-Jährige erwarb parallel neben seinen Jobs als Handballtrainer und Sportlehrer auch noch seine A-Trainer-Lizenz, und das auch noch als Jahrgangsbester. In knapp zweieinhalb Wochen wird er sein Team schon wieder zur Vorbereitung auf die neue Saison versammeln - "grenzwertig" sei das, das ist ihm bewusst. Zumal es für die Mannschaft bis auf Rückraumspieler Philipp Hlawatsch aus dem A-Jugend-Bundesligateam des TSV Allach noch keine weiteren Zugänge gibt. Dabei kommt ihnen in Falk Kolodziej ausgerechnet der Spielmacher abhanden. Kolodziej hat eine überragende Saison gespielt: auf Platz neun der Torschützenliste und als bester Vorlagengeber der ganzen Liga.

Yannick Engelmann macht fünf Tore. (Foto: Günther Reger)

Vier Langzeitverletzte werden deshalb sehnlichst zurückerwartet. Ansonsten setzen sie weiterhin verstärkt auf den Nachwuchs. Auf Leute wie Stefan Seitz. Der Linkshänder hat eine ganze Zweitligasaison gespielt, obwohl er erst 19 Jahre alt ist. Längst ist er auch anderen aufgefallen. Carsten Bissel, Aufsichtsratsvorsitzender des HC Erlangen, und sein neuer Sportdirektor Raul Alonso verfolgten am Samstag die Partie in der Wittelsbacher Halle, bevor sie am Sonntag zum letzten Erlanger Saisonspiel nach Nordhorn aufbrachen. Dem Vernehmen nach sollen sie Stefan Seitz besonders in den Blick genommen haben.

Verabschiedet werden (von links) Falk Kolodziej, Johannes Stumpf, Torhüter Stefan Hanemann und Johannes Borschel. (Foto: Günther Reger)
© SZ vom 28.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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