Eichenau:Wurzeln der bayerischen Republik

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DIe SPD erinnert mit einer kulturellen Veranstaltung an Revolution, Rätezeit und die Anfänge des Freistaates vor 100 Jahren

Von Karl-Wilhelm Götte, Eichenau

Die Landkreis-SPD schwelgt in Erinnerungen. "Machma a Revolution" steht verheißungsvoll auf dem Plakat, das 80 SPD-Mitglieder in die Eichenauer Friesenhalle lockt. Die Proklamation der bayerischen Republik durch Kurt Eisner, dem ersten bayerischen Ministerpräsidenten und dem Arbeiter- und Soldatenrat vom November 1918, liegt in Rosarot gehalten auf den Tischen. Auf einem anderen Blatt steht "100 Jahr Rotes Bayern" zu lesen. Dass die SPD schon vor hundert Jahren mit der Revolutionsparole große Schwierigkeiten hatte, wurde bei der Lesung zeitgenössischer Autoren, wie Oskar Maria Graf, sehr deutlich. Das noch größere Problem der Bayern-SPD sind die 13 Prozent, die ihr die Wähler aktuell in der jüngsten Umfrage drei Monate vor der Landtagswahl zubilligen.

Das Lesen der Revolutionsklassiker und literarischen Beobachter der bayerischen Räterepublik, darunter auch Victor Klemperer und Norbert Göttler ("Roter Frühling"), übernahmen der Komödiant Simon Pearce, seine Mutter, die Schauspielerin Christiane Blumhoff und der vielseitige Olchinger SPD-Bundestagsabgeordnete und Lehrer Michael Schrodi. Prinz Chaos II. aus dem "Volksfront regierten Thüringen", wie SPD-Landtagskandidat Peter Falk ihn präsentierte, übernahm die musikalische Akzentuierung. Deutlich wurde, dass die Vereinnahmung von Kurt Eisner durch die SPD die Geschichte nicht korrekt wiedergibt. Eisner hatte im Revolutionsjahr 1918 der SPD endgültig den Rücken gekehrt und sich der neugegründeten USPD angeschlossen. Die Parole "Machma a Revolution" stammt aus einer hektischen Versammlung der SPD im November 1918, als diese Partei von einer Revolution nichts wissen wollte. USPD-ler und andere Revolutionäre sprengten die Versammlung, wie Oskar Maria Graf erzählt, so dass der SPD-Versammlungsleiter und Bauarbeiter "Seppi" Zankl die Veranstaltung damit beruhigte, dass er "machma a Revolution" mit dem Zusatz "damit a Ruah is", zugestand.

Die SPD-Mitglieder in Eichenau freuten sich über die kulturellen Beiträge auf dem Podium. Tenor: "Da haben wir in Bayern noch eine entscheidende politische Rolle gespielt." Heute besteht für die SPD in Bayern die Gefahr, dass sie mehr oder weniger in die Bedeutungslosigkeit abstürzt. Deshalb war auch das 13-Prozent-Umfrageergebnis an diesem Abend ein Thema. "Weil die Presse und das Fernsehen nicht vernünftig über uns berichten", beklagte Herta Langosch-Schecker aus Emmering und hatte in der ersten Reaktion einen Schuldigen ausgemacht. Langosch-Schecker, seit 1972 SPD-Mitglied, bedauerte kurz darauf aber auch, "dass die bayerische SPD über keine charismatischen Personen in der Führung verfügt". Die Vorsitzende Natascha Kohnen habe zwar Power, aber sie trete nur bei SPD-Veranstaltungen auf, also vor Mitgliedern, die sowieso die Partei wählen würden.

SPD-Mitglied Hans Otte aus Gröbenzell kritisierte ebenfalls die Medienberichterstattung, die die SPD angeblich benachteilige: "Im BR-Sender Bayern 5 werden nur grüne Politiker zu CSU-Themen befragt." Die SPD komme da nicht vor. Vielleicht liege es auch an der mangelnden Pressearbeit der SPD, gestand Langosch-Schecker noch zu. "Warum wir nur bei 13 Prozent landen, weiß ich nicht", zeigte sich auch Kandidat Peter Falk einigermaßen ratlos, dass die SPD nicht von den CSU-Verlusten profitiert. Seine Vermutung: "Die CSU führt sich in Berlin auf wie Harry", so Falk, "da leidet wohl auch der Koalitionspartner SPD." Er selbst eilt vor der Landtagswahl momentan von Veranstaltung zu Veranstaltung und versucht für seine Themen, vor allem Wohnungsbau und Pflege, zu werben. Er wünscht sich, "dass sich die SPD in Bayern angriffslustiger gibt". Dabei denkt er, auch wenn er es nicht so deutlich sagt, ans Spitzenpersonal um Kohnen und Markus Rinderspacher.

© SZ vom 25.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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