Eichenau:Mörder und Opfer

Lesezeit: 3 min

Für ihre Doku "Blutige Kohle" über einen kolumbianischen Auftragskiller ist die Eichenauer Produktionsfirma Domar für den deutschen Filmpreis nominiert

Von Florian J. Haamann, Eichenau

Nach dem Rückschlag, den die Pandemie mit ihren Maßnahmen im vergangenen Jahr für die Filmbranche und damit auch für die noch relativ junge Produktionsfirma Domar bedeutet hat, mehren sich für die Eichenauer nun langsam wieder die Zeichen der Hoffnung. So ist die von ihnen produzierte Doku "Blutige Kohle" für den deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert. Außerdem konnten sie in den vergangenen Wochen einen bereits fürs vergangene Jahr geplanten Spielfilm drehen - für Dominik Utz und Martin Schwimmer, die in den vergangenen Monaten vor allem um das Überleben ihrer kleinen Firma kämpfen mussten, eine Erleichterung.

"Blutige Kohle" ist ein zugleich mutiges und spannendes Filmprojekt. Er erzählt die Geschichte des Kolumbianers Alcides Manuel Mattos Tabares, genannt El Samario, der mehr als zehn Jahre lang als Soldat in der paramilitärischen Organisation AUC aktiv und an der Ermordung von mehr als 200 Menschen beteiligt war - seiner Geschichte nach im Auftrag multinationaler Kohleunternehmen. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis hat er mit dem Filmteam über seine Taten gesprochen. Auf Seiten der Opfer kommt Nellys zu Wort, deren Familie zu den vermeintlichen Opfern El Samarios gehört, und die nun nach den sterblichen Überresten ihrer Angehörigen sucht, um sie wenigstens angemessen bestatten zu können. Und dafür bereit ist, sich mit dem Mörder zu treffen.

Nellys Familie gehört zu den vermeintlichen Opfern El Samarios. Auf der Suche nach den sterblichen Überresten ist sie bereit, sich mit dem Mörder zu treffen. (Foto: Christopher Stöckle/oh)

Die Idee zu diesem Film hatte Christopher Stöckle, der gemeinsam mit Utz und Schwimmer an der Filmakademie Baden-Württemberg studiert hat. "Er wollte mit uns arbeiten. Man muss sagen, dass größere Firmen ihm mehr Möglichkeiten hätten bieten können, aber niemand war so mutig, denen war das Thema zu heikel. Uns hat genau das gefallen. Etwas Gewagtes, das Dinge aufdeckt. Wir wussten um die Brisanz und die Missverhältnisse, aber nicht, wie tief das alles reicht", sagt Produzent Utz. Schließlich geht es in der Doku auch darum, was möglicherweise für ein blutiger Preis für die Kohle gezahlt wird, die die Wohnzimmer der Menschen heizt.

"Wir hatten total Lust auf das Projekt und wussten, das Christopher jemand ist, der gute Arbeit macht. Wir wählen da schon bewusst aus, Stoff und Drehbuch müssen uns begeistern, aber auch die Menschen dahinter", sagt Utz. Gemeinsam mit Paola Tamayo hat Stöckle sich dann auf den Weg nach Kolumbien gemacht, ein Jahr haben sie dort gearbeitet. Begleitet von einem Fahrer, der auch für die Sicherheit der beiden gesorgt hat.

"Dementsprechend haben wir in diesem Fall nicht so einen aktiven Part gehabt, wie in anderen Produktionen. Wir haben von hier aus versucht die logistischen Dinge zu organisieren, Flüge, Unterkünfte. Alle zwei drei Wochen haben wir uns per Videokonferenz über die Inhalte ausgetauscht und versucht, die Themen zu sortieren und ein wenig den Schnitt vorzubereiten", erzählt Martin Schwimmer. Grundsätzlich sind die Organisation der Logistik und der Finanzen die Hauptaufgabe einer Produktionsfirma. "Bei diesem Projekt haben wir eher stärker als sonst auf der kreativen Seite geholfen. Das Konzept mit weiterentwickelt, überlegt wo wir den Fokus setzen wollen", ergänzt Utz.

El Samario war als Soldat einer paramilitärischen Organisation wohl am Tod von 200 Menschen mitverantwortlich. (Foto: Christopher Stöckle/oh)

Die Nominierung für den Dokumentarfilmpreis zeigt den beiden, dass sie sich für das richtige Projekt entschieden haben. "Das ist schon ein schönes Gefühl. Natürlich kann man von Preisen und Applaus nicht leben, aber es ist einfach eine Bestätigung für die Arbeit, die man gemacht hat. Gerade wenn man noch am Anfang steht, ist es gut, wenn man seine Qualität bestätigt bekommt", sagt Dominik Utz. "Man hofft natürlich insgeheim, dass es klappen könnte, aber gerade in diesem Fall ist der Film ja nicht ganz unwichtig mit seinem Thema und der investigativen Qualität", sagt Schwimmer. Nachdem eine Produktion von Domar im vergangenen Jahr bereits den Dokumentarfilmpreis Baden-Württemberg gewonnen habe, helfe schon die Nominierung zu zeigen, dass man keine Eintagsfliege sei. Gerade diese Kontinuität sei in der Branche wichtig, um bestehen zu können. Beide gehen davon aus, dass der Dokumentarfilm künftig noch an Bedeutung gewinnen wird, das zeige sich auch daran, dass große Produzenten wie Constantin und die Ufa mittlerweile eigene Dokfilm-Sparten gegründet haben. "Da kann es nicht schaden, dass wir in der Richtung Expertise haben", sagt Utz.

Aktuell arbeitet Domar aber an einem ganz anderem Projekt, einem Spielfilm. Der sollte eigentlich schon im vergangenen Jahr gedreht werden, doch kurz vor Beginn der Arbeiten kam Corona. Nun konnten die Dreharbeiten für "Wann kommst du meine Wunden küssen", unter anderem mit Bibiana Beglau und Alexander Fehling, in den vergangenen Wochen nachgeholt werden. "Fast das ganze Team war schon im vergangenen Jahr dabei. Beim Wiedersehen gab es auch Tränen, da hat man richtig gemerkt, dass eine Odyssee zu Ende geht. Man hat gespürt, wie gut es allen tut, dass es wieder losgeht", sagt Utz.

© SZ vom 29.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: