SZ-Serie "Aus Liebe zum Verein", Folge 15:In die Vollen

Lesezeit: 3 min

Die Kegelfreunde Schwarz-Rot Eichenau waren maleine Talentschmiede. Heute aber reichen zwei Bahnen im Keller nicht mehr für Leistungssport aus

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

Leise polternd kommt die Kugel zurück. Sie kullert nach fast 25 Metern genau dorthin, wo der Kegler die 2,8 Kilogramm schwere Kugel wegnehmen kann. Die Bewegung, die dann folgt, ist immer ähnlich: Ausfallschritt, mit dem Körper nach vorne, den Wurfarm mit der Kugel nach hinten und wieder nach vorne schwingen, Auge und Arm koordinierend das Ziel suchen und die Kugel loslassen. Was nach einem Anlauf von maximal sechseinhalb Metern und einem Laufweg der Kugel von knapp 20 Metern daraus wird, ist entweder Erfahrungs- oder Glückssache. Neun Kegel sind abzuräumen. "Manchmal ist es zum Verzweifeln", sagt Adam Grösser, Vorsitzender der Kegelfreunde Schwarz-Rot Eichenau.

Ausrufe aus Wut und Verzweiflung sind nicht selten auf der Bahn in der Vereinsgaststätte "Zur Tinny" an der Birkensteiner Straße in Eichenau. Dort, wo im Keller seit 1978 vereinsmäßig gekegelt wird, kann es bei den Übungsabenden schon mal zu Überreaktionen kommen. Doch der Ärger bleibt meist im Keller oder dringt höchstens in die Schankwirtschaft, wo man die Probleme kennt. Da stimmt mal der Anlauf nicht, es passiert ein Ausrutscher, es wird zu früh oder zu spät losgelassen, und überhaupt: wenn die Richtung nicht gestimmt hat, dann kann das jedes Mal ein Ärgernis sein. Und bis die Richtung dann stimmt, kann einige Zeit vergehen. "Sechs Monate Training sind nötig, um einen Leistungspegel zu haben", erklärt Grösser. Jeden Dienstag ist Training, mehrere Stunden lang wird gekegelt und über Erfolg und Misserfolg diskutiert. Jeder muss in der Lage sein, seine 120 geforderten Würfe zu absolvieren.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

In die Vollen: Renate Wohl (links) und Michaela Wütschner gehen ihrem Sport bei den Kegelfreunden Schwarz-Rot Eichenau nach.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Früher Gewichtheber, heute Kegler: Adam Grösser, der Vereinsvorsitzende.

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Kegelbahn von Schwarz-Rot Eichenau steht...

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

...an der Birkensteiner Straße, im Keller der Vereinsgaststätte "Zur Tinny".

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Pokale, die die Vereinsmitglieder gewonnen haben, gibt es dort auch.

Wie viele Male Adam Grösser die Kugel auf die gewachste Asphaltbahn geworfen hat, kann er nicht sagen. Seit der Saison 1978/79 wird an Birkensteiner Straße gekegelt, nachdem er 1977 mit seiner Frau den Keller gebaut hatte. Kegeln ist die zweite sportliche Leidenschaft Grössers. Die erste, und das zeigt heute noch seine Statur, war das Gewichtheben. Mit der Eichenauer Staffel kam er in die Bundesliga, wurde 1965 mit 18 Jahren Deutscher Jugendmeister, später Dritter bei den Deutschen Meisterschaften im Leichtgewicht. Er lernte den Beruf des Maschinenbauers, riss seine 18 Monate dauernde Wehrpflichtzeit bei den Pionieren in Ingolstadt herunter und kam Ende der Sechzigerjahre nach Eichenau. Dort lernte er seine Frau kennen und arbeitete in ihrem Kolonialwarengeschäft.

Die Mitglieder der 1966 gegründeten Kegelfreunde Eichenau waren froh, als die Grössers die Wirtschaft und die Kegelbahn bauten. "Bis 1978 hatten sie zwei Mannschaften, bis 1981 waren es schon sieben." Eine Mannschaft bestand aus fünf Mitgliedern. Der Verein war für seine Nachwuchsarbeit bekannt. "Wir waren eine Talentschmiede", sagt der frühere Jugendleiter Adam Grösser stolz. Die Jugendlichen schafften es bis in die Bezirksliga, heute seien es deutlich weniger junge Leute, die auf höherem Niveau spielten.

Kegeln würde sich auch für Kinder und Jugendliche eignen, meint Grösser, es sei durchaus keine Kneipensportart, die mal so nebenher betrieben werde. Körperlich und geistige Fitness sei wichtig, um Spiele, die bis zu vier Stunden dauern könnten, durchzuhalten. Anders als beim Hobbykegeln, wo der Wettkampfgedanke im Hintergrund steht und dafür geselliges Beisammensein im Vordergrund, müssen sich die Sportkegler für Turniere erst qualifizieren. Und dafür sind auch Regelkenntnisse erforderlich, die sich aber durchaus leicht einprägen lassen, weil die Begriffe längst Eingang in den allgemeinden Sprachschatz gefunden haben und in anderem Zusammenhang benutzt werden. So etwa "in die Vollen". Bei diesem Spiel wirft der Kegler die Kugel bei jedem Wurf auf alle Kegel. Die, die fallen, werden gezählt. Auch wer sagt, "da räumt einer kräftig ab", nimmt Bezug aufs Kegeln, wenn das "Abräumen" gespielt wird. Denn dann muss der Kegler nach und nach die Kegel treffen, je weniger noch stehen, desto schwieriger. 15 Würfe sind jeweils erlaubt. Ein Volltreffer ist in beiden Fällen, wenn er alle Kegel auf einmal trifft, also "Alle Neune". Ein umgeworfener Kegel gibt einen Punkt, auch "Holz" genannt. Nach 120 Würfen können so um die 500 Holz zusammenkommen.

Kegeln hat in Eichenau eine lange Tradition und geht wohl auf das Jahr 1915 zurück. Seit damals wurde im Gasthof zu Post, der inzwischen einer Wohnanlage gewichen ist, gekegelt. Diesem Interesse kam die Gemeinde nach, als sie in der Friesenhalle eine Bahn einbauen ließ. Auch das katholische Pfarrheim verfügt über eine Kegelbahn. Und schließlich kam 1978 die Bahn in der Schankwirtschaft "Zur Tinny" dazu. Vereinsvorsitzender Grösser ist zwar einerseits froh, dass auch Eichenauer in den höheren Klassen mitspielen, aber er bedauert, dass sie dafür in andere Klubs wechseln mussten. Mit den zwei Bahnen im Keller der Wirtschaft sei es nicht mehr getan, es müssen mindestens vier sein. In Puchheim etwa stünden acht Bahnen zur Verfügung. Dort spielt man bis zur Bezirksoberliga und nimmt an Deutschen Meisterschaften teil.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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