Eichenau:Geschäftszeile wird zur Kunstmeile

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25 Künstler verwandeln Schaufenster in der Hauptstraße in Ausstellungsräume. Manche überraschen sogar mit einem Konzept

Von Katharina Knaut, Eichenau

Wer während der Osterfeiertage zum ersten Mal ohne den Einkaufsstress der vergangenen Woche gemütlich die Eichenauer Hauptstraße entlanggeschlendert ist, wird beim Anblick der Schaufenster gestutzt haben. Um dann vielleicht noch einen Schritt näher zu treten und sich die Sache genauer anzusehen.

Über die Feiertage ist aus Eichenaus Kaufmeile eine Kunstmeile geworden. Zu sehen sind die Werke von rund 25 Künstlern, darunter sowohl Erstaussteller als auch einige bekannte Namen wie Eva-Maria Kränzlein und Roland Helmer. Sie alle haben im Zuge der Aktion "Schaumal Fensterkunst" des Fördervereins für kulturelle Bildung ihre Werke in den Eichenauer Geschäften beziehungsweise in deren Schaufenstern ausgestellt. Neben Haushaltswaren, Brillen oder Medikamenten sieht man nun bunt bemalte Leinwände, hölzerne Figuren oder Fotografien. Am Karfreitag führte Michael Gumtau in einem Eröffnungsrundgang rund 30 Interessierte einmal durch die rund einen Kilometer lange "Galerie", die von der Bahnhofstraße bis weit in die Hauptstraße entlang führt. Dabei fällt auf, dass je nach Laden zwei unterschiedliche Konzepte verfolgt wurden.

Manche der Künstler und Ladenbesitzer entwickelten ein regelrechtes Arrangement, sodass sich die Werke mit den ausgestellten Waren ergänzen. Dabei sticht vor allem der Fotograf Werner Müller und der Optikerladen "Die Brille" hervor. Für zwei Schaufenster entwickelte der Künstler zwei 3D-Fotografien, die nun über den Gestellen mit der Brillenauswahl zu sehen sind. Eines davon zeigt einen älteren Herren im Geschäft, dem gerade eine Brille aufgesetzt wird. Zunächst wirkt es nicht sonderlich spektakulär, ja sogar ein wenig unscharf. Blickt man jedoch durch eine spezielle Brille, die man während des Rundgangs ausgehändigt bekommt und nach der man auch im Laden fragen kann, wird es auf einmal plastisch und greifbar. Eine besondere Idee hatten auch die Buchhandlung Rezai und die Künstlerin Monika Lins, die im Geschäft ihre Skulpturen aus Zuckerguss ausstellt. Blickt man durch das Schaufenster, sieht man am Boden eine Figur in niedergeschlagener Haltung sitzen, den Kopf gesenkt, den Rücken gekrümmt. Ergänzt wird die Darstellung durch einen kurzen Text, der mit einer Frage beginnt, bestehend aus nur einem Wort: "Angekommen?" Die Figur daneben bildet dazu einen Kontrast: Sie rennt, Arme, Kopf und Oberkörper sind nach hinten geworfen. Auf einem Kärtchen daneben steht: "Flucht." Über den Figuren sind vier Bücher platziert, sie tragen unter anderem die Titel "Einwanderung und Asyl" und "Die Flucht". Insgesamt ist das Schaufenster eher schlicht gehalten, sodass die ausgestellten Stücke noch mehr zur Geltung kommen.

Bis Anfang Juni sind in den Schaufenstern vieler Eichenauer Geschäfte Skulpturen, Bilder und Fotografien örtlicher Künstler zu sehen. (Foto: Günther Reger)

In manchen Läden sind die Kunstwerke im Gegensatz dazu mehr schön anzusehende Ergänzung als durchdachtes Arrangement. So zieren das andernfalls eher triste Schaufenster der Volksbank nun die detailliert gemalten frühlingshaften Rosen und Tulpen von Helga Ehmanns. Die bodentiefen Fenster zur Bäckerei Fritz werden außerdem durch die Fotografien von Barbara Neider ergänzt. Sie sind auch ein gutes Beispiel für die Vielfalt der Werken, die man in der Ausstellung findet.

Neider verwendete für ihre Fotografien beispielsweise eine spezielle Technik, dem Gegenteil von Lightpainting. Statt leuchtende Objekte vor der Kamera auf- und ab zu bewegen, belichtete sie Objekte und bewegte die Kamera, sodass unscharfe Lichtschweife entstehen, hinter denen man die ursprünglichen Objekte teils nur noch erahnen kann. Ein wenig exotisch wirkt auch die Kooperation von Friseursalon Steininger und dem Künstler Thomas Reithammer. Statt Bildern, Fotografien oder Skulpturen hat er Seidenschals gefertigt, die wie ein farbenfroher Wasserfall von einer Stange hängen.

Der Förderverein für kulturelle Bildung eröffnete die Ausstellung "Schaumal Fensterkunst" mit einem Rundgang. (Foto: Günther Reger)

In etwas mehr als einer Stunde führt Gumtau die Gruppe die Eichenauer Hauptstraße entlang. Besonderen Eindruck hinterlassen bei den Menschen vor allem die Bilder des Künstlers Roland Reichel, die in der Bahnhofapotheke zu sehen sind und den Abschluss des Rundgangs bilden. Nicht zuletzt, da Reichel, der auch beim Rundgang mit dabei ist, unter einer spastischen Erkrankung leidet, die seine motorischen Fähigkeiten beeinträchtigt. Dennoch sind seine Acrylbilder, die unter anderem Blumenmotive zeigen, äußerst gekonnt und detailreich gestaltet.

"Mit dieser Ausstellung wird eine Kaufmeile zur Kunstmeile, die sich durch ihre Vielfalt auszeichnet", so Gumtau. Eine Kunstmeile, die dazu einlädt, nicht nur von einem Geschäft zum nächsten zu hetzen, sondern sich ein bisschen Zeit zu lassen, durch die Straßen zu flanieren und den Ausblick beziehungsweise den Einblick zu genießen.

Die Ausstellung findet bis Freitag, 2. Juni, statt und endet mit einer Finissage. Ausstellende Künstler sind: Marion Behr, Olga Durcova, Helga Emanns, Sylvia Heil, Roland Helmer, Henriette Hense, Inge Hofmann, Eva-Maria Kränzlein, Hannelore Lütje, Monika Lins, Rainer Momann, Werner Müller, Barbara Neider, Ingrid Redlich-Pfund, Roland Reichel, Thomas Reithammer, Helmut Sacher, Nelson Sandoval, Eva Maria Schmid, Emo Schuschnig, Irene Siegel, Monika Seltner, Brigitte Storch, Hans Ullmann und Alexandra Zinner.

© SZ vom 18.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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