SZ-Aktion "Was Eichenau bewegt":Die Schattenseite des Zehn-Minuten-Takts

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Das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln wird auch in Eichenau weiter ausgebaut. Hier ein Bus der Linie 841 an der Haltestelle in der Ortsmitte. (Foto: Johannes Simon)

Würden beide Buslinien zeitlich versetzt verkehren, gäbe es innerhalb des Orts zwar bessere Verbindungen. Nahverkehrsexperte Seifert rät dennoch ab und warnt vor unzumutbaren Wartezeiten für viele S-Bahnpendler

Von Gerhard Eisenkolb, Eichenau

Muss das sein - zwei Ortsbuslinien in Eichenau, die gleichzeitig kurz hintereinander im Zwanzig-Minuten-Takt durch die Gemeinde pendeln? Würden die Busse der beiden Linien 841 und 842 zeitlich um zehn Minuten versetzt fahren, bekämen die Eichenauer laut Albert Hartl zumindest auf der gemeinsamen Stammstrecke der beiden Linien zwischen dem S-Bahnhof und der Wiesenstraße den Zehn-Minuten-Takt und damit ein viel attraktiveres Angebot. Der Sprecher der Eichenauer Grünen regte deshalb bei "SZ im Dialog" die Prüfung dieser Idee an.

Im Prinzip gibt Hermann Seifert, Nahverkehrsplaner und ÖPNV-Experte im Landratsamt, Hartl Recht, gleichwohl warnt er im konkreten Fall vor den Folgen. Für den innerörtlichen Verkehr wäre Hartls Vorschlag unbestritten eine Verbesserung, räumt Seifert ein. Allerdings mit dem Nebeneffekt, dass die Fahrgäste einer der beiden Buslinien am Bahnhof dann 16 bis 18 Minuten auf die nächste S-Bahn warten müssten. Das sei niemandem zuzumuten. Wie Seifert auf SZ-Anfrage erklärt, habe er die gleichen Überlegungen, die der Sprecher der Eichenauer Grünen anstellt, schon mal von sich aus durchgespielt, wegen der Folgen aber letztlich verworfen. Für eine Hälfte der Eichenauer würde der Bus dann nämlich seine Hauptfunktion als attraktiver Zubringer zur S-Bahn und damit als Alternative zum Auto verlieren.

Seifert rät von dem Zehn-Minuten-Takt ab, weil damit die halbe Gemeinde die öffentliche Anbindung an die wichtige S-Bahn verliert. Sollte das passieren, funktioniere letztlich auch das System der beiden Ortsbuslinien nicht mehr. Deren Erfolg beruht laut dem ÖPNV-Planer letztlich auf der Tatsache, dass alle Busfahrgäste an der Endhaltestelle am Bahnhof ohne längere Wartezeiten in die nächste S-Bahn umsteigen können. Nur unter einer Voraussetzung würde der von Hartl angeregte Zehn-Minuten-Bustakt funktionieren. Das wäre dann der Fall, wenn auch die S 4 im Zehn-Minuten-Takt fahren würde. Dann wäre nach wie vor mit den Linien 841 und 842 das Umsteigen in die S-Bahn ohne Wartezeiten möglich.

An Samstagen pendeln die Busse, wie gefordert, bereits zeitlich versetzt durch Eichenau, allerdings nur im 20-Minuten-Takt. Das ist möglich, weil die Linien 841 und 842 samstags nur im 40-Minuten-Takt bedient werden. Damit ist gewährleistet, dass nach wie vor jeder Bus eine S-Bahn erreicht. Der von dem ehemaligen Gemeinderat Hartl angestrebte Zehn-Minuten-Takt in Eichenau ist lauf Seifert zurzeit nur dann zu bekommen, wenn auf der Hauptstraße ein zusätzlicher Bus auf einer kurzen Strecke eingesetzt würde. Die Kosten hierfür müsste die Gemeinde tragen, die schon jetzt für das Defizit der Linien 841 und 842 aufkommen muss.

Für dieses Jahr hat Seifert für die beiden innerörtlichen Eichenauer Strecken mit einer Unterdeckung von 142 000 Euro kalkuliert. Da die Fahrgastzahlen und damit die Einnahmen jedoch seit Jahren ansteigen, geht der ÖPNV-Experte davon aus, dass sich das Defizit in nächster Zeit erheblich verringern wird. Langfristig würden der Gemeinde Kosten von etwas weniger als 100 000 Euro bleiben.

Die Möglichkeiten zur Erweiterung des Busangebots in Eichenau hält Seifert wegen der speziellen örtlichen Gegebenheiten für begrenzt. Das liege an den sehr engen und mit Bussen nur schwer zu befahrenden Straßen in den Wohngebieten abseits von Hauptstraße und Roggensteiner Allee. Entwicklungspotenzial sieht der Mitarbeiter des Landratsamts dagegen im Ausbau der Ortslinien zu überörtlichen Linien bis nach Olching zur S 3 oder bis nach Germering zur S 8. Das würde einerseits neue Anreize für Fahrgäste schaffen und die Gemeinde finanziell entlasten, weil für das Defizit dann auch anderen Kommunen aufkommen müssten, aber andererseits die Anfälligkeit für Verspätungen erhöhen.

Die Grundüberlegung von Hartl, mehr Einwohner von Gemeinden wie Eichenau und damit auch mehr Pendler mit einem attraktiven Angebot an Bussen zum Umsteigen vom Auto zu bewegen, teilt Seifert. Und er verweist darauf, dass das seit Jahren im Landkreis kontinuierlich und erfolgreich Schritt für Schritt geschieht.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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