Eichenau:Die Kunst des Wesentlichen

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Fensterblatt, Lilienblatt, Kurkumablüten - nur drei Pflanzen bilden das Skoka von Petra Noller-Karst. Es ist neben 33 anderen in der Ausstellung zu sehen. (Foto: Ingrid Hügenell)

Die Ausstellung "Der Glanz des Tages..." zeigt Ikebana und andere japanische Fertigkeiten

Von Ingrid Hügenell, Eichenau

Ingrid Scharte ist noch nicht zufrieden. Sie zupft an der Zitronenzypresse, drückt den Gladiolenstängel mehr in die Senkrechte. Ihr Ikebana in der Form Rikka solle den Kosmos darstellen, erklärt Angelika Eisinger. Man könne aber auch hohe Berge sehen, vor denen niedrigere Hügeln liegen, aus denen ein Wasserlauf ins Meer fließt. Da geht es um Haupt- und unterstützende oder empfangende Linien, um Pflanzen, die die Basis bilden und andere, die in die Ferne weisen.

Die beiden Frauen bereiten mit den anderen Mitgliedern ihrer Gruppe im katholischen Pfarrzentrum Eichenau die Ikebana-Ausstellung "Der Glanz des Tages..." vor, die an diesem Donnerstag eröffnet wird. Wobei es Ikebana-Ausstellung nicht ganz trifft, denn eigentlich wird es im Pfarrzentrum ein kleines japanisches Festival geben. Neben 34 Ikebanas, klassischen japanischen Pflanzenarrangements, gibt es auch Tuschebilder von Angelika Eisinger zu sehen und Kalligrafie von Atsuko Braun-Sakakibara. Sabine Kiera stellt Keramik aus, und Braun-Sakakibara erklärt den Kimono - wie man ihn anlegt, was seine Muster bedeuten und welche Stoffe verwendet werden. Eisinger bietet Führungen an, in denen sie Geschichte und Philosophie des Ikebana erklärt.

Außerdem werden Haikus von Angela Frey gezeigt, die dreizeiligen japanischen Gedichte, die dem Silbenmaß fünf - sieben - fünf folgen. Tuschezeichnungen, Ikebana, Haikus - all das ist in der japanischen Kultur sehr stark aufs Wesentliche reduziert. Auch die Ästhetik spiele eine wichtige Rolle, erklärt Eisinger. Als junge Frau hat sie begonnen, die japanische Blumenkunst zu erlernen. Nun ist sie 62 Jahre alt, unterrichtet als Lehrerin im 13. Grad selbst und leitet die Gruppe München-Eichenau der Ikenobo-Ikebana Gesellschaft Deutschland-West, deren Vorstand sie als Vizepräsidentin angehört.

Später hat sie das Zeichnen mit Tusche für sich entdeckt. Sie habe zwei Dinge gefunden, die sie mit Leidenschaft tue, sagt sie und strahlt. "Das ist ein Glück, wenn man etwas für sich findet. Mir bringt das totale Entspannung, und man arbeitet mit schönen Dingen." Eisinger freut sich auch, dass die Jahresausstellung der Ikebana-Gesellschaft heuer in Eichenau stattfindet, zum zweiten Mal schon. Es kommen auch Aussteller aus Frankfurt, Stuttgart, Wien und Spanien, zur Eröffnung werden zudem Vertreter des japanischen Generalkonsulats München erwartet.

Bis Donnerstag ist noch viel zu tun. Ein großes Rikka, wie Ingrid Scharte es zusammenstellt, besteht aus sieben oder neun Pflanzen, die auf bestimmte Weise arrangiert werden. Drei bis vier Stunden könne das dauern, erklärt Eisinger. Andere Formen, vor allem die freien, seien schneller vollendet, manchmal in 15 Minuten. Nur drei Pflanzen, ein Fensterblatt, ein Wasserlilienblatt und die rosafarbenen Blüten des Kurkuma, verwendet Petra Noller-Karst für ihr Shoka, eine etwas einfachere Form als das Rikka. Für die Ausstellung hat sich jeder von einem Haiku inspirieren lassen. Noller-Karsts Skoka entstand nach dem Vers "Die Natur zeigt mir - immer den gleichen Rhythmus - ohne zu irren".

Wie im Haiku drückten sich im Ikebana persönliche Erlebnisse aus, erklärt Eisinger. Beim Shoka handelt es sich um eine modernere Form - die sich aber auch schon seit dem 15. Jahrhundert aus dem Rikka entwickelte. Noller-Karst ist wie Scharte seit etwa zehn Jahren bei der Ikebana-Gruppe dabei, die hauptsächlich aus Frauen besteht. In Japan durften bis ins 17. Jahrhundert nur Männer des Adels diese Kunst ausüben. Heute kann sich jeder darin üben, und es sind freiere Formen entwickelt worden. Auch sie sind in Eichenau zu sehen.

"Der Glanz der Tage", Pfarrzentrum Eichenau, Eröffnung Donnerstag, 6. September, 19 Uhr, geöffnet Freitag, 7., bis Sonntag, 9. September, jeweils 10 bis 17 Uhr, mit Führungen.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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