Eichenau:Der Blick in die Seele des Überlebenden

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Kulturreferentin Céline Lauer ist froh, dass Eichenau mit dem Gemälde (ohne Titel) eine Erinnerung an Max Mannheimer bewahrt. (Foto: Günther Reger)

Seit Jahren besitzt Eichenau ein Gemälde Max Mannheimers. Nun soll es restauriert werden und einen Ehrenplatz bekommen

Von Julia Bergmann, Eichenau

Inmitten eines freundlichen Strudels aus Farbe breitet sich eine harsche schwarze Schliere aus. Fast schmerzhaft dominant drängt sie sich in den Vordergrund des Gemäldes und lässt eine Ahnung dessen zurück, dass dort im Hellen, in der Vielfalt, etwas Dunkles seine Spuren hinterlassen hat. Dieser Eindruck täuscht nicht. Der Künstler, der das Werk geschaffen hat, ist der KZ-Überlebende Max Mannheimer, der Ende September im Alter von 96 Jahren verstorben ist. Hunderte von Gemälden gehören zum Oeuvre des Künstlers. Eines davon ist bereits seit vielen Jahren im Besitz der Gemeinde Eichenau. Nach dem Tod Mannheimers soll es nun restauriert werden und einen Ehrenplatz im Amtszimmer des Bürgermeisters Peter Münster bekommen.

Mit dem Malen begonnen hat Mannheimer 1954. Was zunächst Therapie war, ein Weg, das Erlebte zu verarbeiten, wurde ihm später zum Bedürfnis. Am 26. April 2002 stellte der Mann, der zeitlebens dagegen ankämpfte, dass die Gräueltaten des Dritten Reichs nicht vergessen werden, einen Teil seiner Arbeiten unter dem Titel "Malen nach Auschwitz" im evangelischen Gemeindehaus in Eichenau aus. "Während der Ausstellung hatte der ehemalige Bürgermeister Hubert Jung die Idee, eines der Bilder als Erinnerung zu kaufen", erzählt Kulturreferentin Céline Lauer. Der Gemeinderat hatte daraufhin die Entscheidung zum Ankauf getroffen und das Kunstwerk für 1000 Euro erstanden. Die Wahl des Gremiums war recht eindeutig auf das marmorierte farbenfrohe Bildnis gefallen, in dessen rechter Ecke unten die Signatur "ben jakov" zu lesen ist. Ben Jakov, hebräisch für Sohn Jakobs. So nannte sich der Künstler in Gedenken an seinen Vater, der 1943 in den Gaskammern von Auschwitz ermordet wurde.

Bei der Vernissage in Eichenau soll damals eine besondere Stimmung geherrscht haben, erzählt Lauer. Die 70 Gäste sollen von dem Gezeigten tief beeindruckt gewesen sein. "Nicht nur wegen der Bilder, sondern auch wegen des Gefühls, das in ihnen steckt", sagt die Kulturreferentin, die zwar selbst nicht dort war, aber mit einigen der früheren Gäste gesprochen und deren Eindrücke gesammelt hat. "Wir sind froh, dass wir eine Erinnerung von einem so beeindruckenden Künstler bewahren dürfen", sagt Lauer.

Lange Zeit hing Mannheimers Gemälde im Erdgeschoss des Rathauses, später viele Jahre in der Josef-Dering-Grundschule. Nach dem Tod Mannheimers sei der ehemaligen Kulturreferentin Marille Musolff das Gemälde wieder in den Sinn gekommen. Peter Münster entschied sich dazu, das Bild abzuhängen, einen kleinen Schaden, der über die Jahre entstanden war, reparieren zu lassen und ihm anschließend einen Ehrenplatz im Rathaus zu geben. Zunächst habe er an den renovierten Sitzungssaal gedacht, doch dort könne das Gemälde nicht gebührend wirken. Nun soll es bald in Münsters Amtszimmer hängen. Dass das Bild mittlerweile vermutlich seinen Wert deutlich gesteigert habe, sei für Münster allerdings nebensächlich. Ihn beeindrucke das Gemälde.

"Es zeigt sehr deutlich die Zerrissenheit und die Aufgewühltheit Max Mannheimers", meint Münster und weist auf den aggressiven Rotton im unteren, linken Viertel und dessen diagonalen Verlauf bis in die milderen Ausklänge im oberen Bereich hin. Mannheimers Arbeit bewegt, beschränkt sich dabei aber - gerade in diesem Fall - nicht auf eine düstere Farbwahl, nicht auf dramatisch- nachdrückliche Pinselführung. Er kontrastiert das Dunkle mit einer Fülle an Farben und einer stellenweise zutage tretenden Zartheit im Farbverlauf, die auf der einen Seite die drückende Schwere des Gräuels umso deutlicher unterstreicht und auf der anderen Seite sagt: Ich bin mehr als nur das.

"Das Bild bewegt einen, gerade wenn man den Hintergrund kennt", sagt Lauer. "Es ist ein Einblick in die Seele eines Menschen, der ein bewegendes Leben hatte." Lauer wirft noch einen Blick auf das Bild, schlägt es vorsichtig in eine Plastikhülle ein und bereitet es so für den Transport zum Restaurateur vor. "Mannheimer hat gerne mit Farbe gemalt, er hat es als Ausdruck seiner Lebensfreude gesehen", erklärt Lauer. "Aber genauso findet sich in seinen Arbeiten immer wieder das Schwarz." Auf dem Flyer der Eichenauer Ausstellung ist ein weiteres Gemälde Mannheimers abgedruckt. Es wird dominiert von einem großen schwarzen Punkt im Zentrum - wie ein Schatten, der nie ging.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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