Erstlingswerk:Das Beben abseits der Piste

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Als Poetry-Slammerin hat Felicia Brembeck, die sich Fee nennt, bereits die Deutsche Meisterschaft gewonnen. (Foto: Sabien Schulte/OH)

Mit "Mach Fehler" legt die Poetry-Slammerin Fee ihr Erstlingswerk vor. Das Buch ist nicht nur klug geschrieben, sondern überzeugt auch durch ein großes Sprachgefühl

Von Florian J. Haamann, Eichenau

Eine Gruppe von Freundinnen fährt gemeinsam in den Skiurlaub. Quatschen, die Pisten unsicher machen, Spaß haben - so lautet der Plan. Doch bereits am Bahnhof wird klar: Er wird nicht aufgehen. Denn statt der vierten Freundin Daphne bringt Sina ihren neuen Freund Leo mit. Dass das erst der Anfang des Desasters ist, welches das Leben der drei Mädchen und auch Leos nachhaltig auf den Kopf stellen wird, ahnt in diesem Moment noch niemand. Denn die junge Eichenauer Autorin und Poetry-Slammerin Felicia "Fee" Brembeck nutzt die Geschichte des Skiwochenendes, um sich einigen grundlegenden Themen zu nähern: Freundschaft, Treue, Verrat, Schuld, Vergebung. "Mach Fehler" heißt Fees kurzer Text und der Titel lässt ahnen, dass den Leser eine Geschichte über die Schwierigkeiten des Lebens erwartet, über die Suche nach dem passenden Leben und die Unmöglichkeit, immer alles richtig zu machen.

Drei der Protagonisten gehen bereits mit einem dunklen Geheimnis auf die Reise, Maraike, die vierte im Bunde, lädt ihre Schuld erst unterwegs auf sich und sie soll es sein, die am Ende am stärksten darunter leiden wird. "Du hast ein Geheimnis verraten, das dir anvertraut wurde, und das gehört zu den Dingen, die Freundinnen nicht machen", erfährt der Leser gleich in den ersten Zeilen. Aber so einfach ist es eben nicht. Denn es sind die Umstände, die Maraike herausfordern, sie erfährt Dinge, die sie überhaupt nicht wissen will, nicht ausblenden kann und auf die sie deshalb reagieren muss. In einem Moment der Unachtsamkeit verrät sie Kims großes Geheimnis, welches sie gerade erst erfahren hat, an Leo und Sina. Doch es bleibt nicht bei diesem Verrat. Noch komplizierter wird es, als sie erfährt, dass Leo nicht ehrlich zu Sina ist. Doch wie damit umgehen? Die Freundin warnen und die junge Beziehung gefährden? Oder Leo vertrauen, der verspricht, alles zu regeln?

Durch die wechselnde Erzählperspektive des Buches verlässt der Leser immer wieder die Rolle des Beobachters und wird brutal in die des Beteiligten gedrängt. "Du bist schuld", "du hast einen Fehler gemacht", schleudert die Autorin dem Leser immer wieder entgegen, und auch wenn er damit nicht direkt angesprochen wird, sondern nur die gedanklichen Monologe und Selbstvorwürfe der Figuren verfolgt, wird er damit zum Mitschuldigen. "Ja, auch du machst Fehler, vergiss das niemals", hält Brembeck ihren Lesern den Spiegel vor. Allerdings nicht ohne die christliche Hoffnung der Erlösung anzudeuten. Ihre Protagonisten allerdings spüren davon wenig. Während Sina, die verschwiegen hat, dass sie Daphne einfach ausgeschlossen hat, und Kim ihre Schuld nach und nach verdrängen, offenbart Maraike ihre Fehler und wird dafür bestraft - geht dann aber nach einer Zeit der Sühne als einzige gestärkt aus der Geschichte hervor.

Brembecks Geschichte lebt dabei nicht nur von der Authentizität, mit der sie die Gedanken und Gefühle der Protagonisten beschreibt, auch wenn sie sich manchmal nah an der Grenze zur Übertreibung bewegt. Der Text fasziniert vor allem auch durch das große Sprachgefühl der Autorin, das dem Leser Sätze wie "Entschuldigt. Das Wort. Da ist es wieder. Es schlingt sich um deine Hoffnungen und zerfrisst sie, bis nur noch Krümelchen davon über dein Herz rollen." beschert. Angereicht ist der dichte Text mit düsteren Illustrationen von Ellenaar, die wunderbar das bedrückende Gefühl der Schuld heraufbeschwören.

Obwohl sich das Buch vor allem an junge Leser und ihre Probleme richtet, ist es kein typisches Jugendbuch. Vielmehr ist es für alle interessant, die einmal einen frischen Blick auf die menschlichen Urkonflikte werfen wollen.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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