Drohende Abschiebung:Unterschriften für Hassan und Hamza

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Mit einer Onlinepetition kämpfen Zehnt- und Elftklässler der Gröbenzeller Rudolf-Steiner-Schule dafür, dass ihre beiden Mitschüler nicht abgeschoben werden

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Alle für einen: Die Gröbenzeller Waldorfschüler zeigen Solidarität mit ihrem afghanischen Mitschüler Hassan (sitzend, Vierter von links). Auch Hamza (sitzend, Fünfter von links) wollen die Behörden abschieben. (Foto: Günther Reger)

Mit einer Onlinepetition versuchen Schüler der Gröbenzeller Rudolf-Steiner-Schule die Abschiebung ihrer beiden Mitschüler Hamza und Hassan nach Pakistan und Afghanistan zu verhindern. Die beiden kamen als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland, sind aber inzwischen volljährig. Am Freitagvormittag, zwei Tage nach dem Start, hatten bereits mehr 3600 Unterstützer unterschrieben. Angepeilt werden vorläufig 5000 Unterschriften. Die Zehnt- und Elftklässler befürchten, dass die beiden Klassenkameraden in ihren Heimatländern schlimmstenfalls mit Folter und dem Tod rechnen müssen.

"Ich finde es ungeheuerlich, dass Kinder abgeschoben werden", sagte Cordula Braun (UMG) sichtlich gerührt und auch aufgebracht am Donnerstagabend im Gemeinderat von Gröbenzell. So lange die beiden Schutzsuchenden eine Schule besuchten, seien sie für sie Kinder, beteuerte die Gemeinderätin. Die beiden inzwischen volljährigen Flüchtlinge sind etwas älter als ihre Mitschüler. Der Bitte von Cordula Braun, die Gemeinde solle das Anliegen der Waldorfschüler unterstützen, fand Gehör. So kündigte Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) an, am Wochenende eine Stellungnahme der Gemeinde zu verfassen, die Gemeinderäte unterschreiben können. Auch wenn der Rathauschef damit keine großen Hoffnungen verbinde, wie er sagte. Einige Gemeinderäte hatten die Petition bereits unterzeichnet. Ein Beschluss wurde nicht gefasst.

Die Asylanträge der beiden Jugendlichen wurden abgelehnt. Seit diesem Mittwoch ist in Gröbenzell bekannt, dass die Abschiebung von Hamza und Hassan unmittelbar bevorstehen soll und jederzeit erfolgen könnte. Der Vollzug des Abschiebebescheids soll mit allen Mitteln verhindert werden, auch mit juristischen.

Paula Dominguez besucht mit Hamza die elfte Klasse. Sie initiierte die Petition mit und bezeichnete am Freitag diese Aktion als sehr wichtig, um zu zeigen, wie viele Leute hinter den beiden Heranwachsenden stehen: "Wir mögen ihn alle sehr, deswegen wollen wir ihn behalten." Sie verweist darauf, dass sich im Landkreis ein größerer Kreis von Menschen dafür einsetzt, damit Hamza und Hassan hier bleiben können. Die Unterstützer kommen nicht nur von ihrer Schule und aus Gröbenzell, sondern auch aus den Orten, in denen die beiden wohnen, und von deren Betreuern. Laut Dominguez reichte einer der beiden inzwischen Klage gegen seinen Abschiebebescheid Klage ein.

"Es ist eine große Betroffenheit da." So beschreibt Detlef Ludwig, der Vorsitzende des Trägervereins, die Situation an der Rudolf-Steiner-Schule kurz vor dem Beginn der Osterferien. Ludwig nennt es "gut und richtig", dass die Mitschüler aus der zehnten und elften Klasse die an das Bundesamt für Migration gerichtete Petition gestartet haben. Normalerweise können minderjährige Flüchtlinge keine Privatschulen wie die Rudolf-Steiner-Schule besuchen, für die Eltern Schulgeld bezahlen. Laut dem Geschäftsführer stellt sich die Gröbenzeller Schule jedoch freiwillig der gesellschaftlichen Aufgabe, auch solche Flüchtlingskinder aufzunehmen, für die seine Schule im Gegensatz zu staatlichen weder Zuschüsse noch zusätzliches Personal erhält. Es müsse nur passen. Dann sei der Trägerverein dazu bereit, eine Einzelvereinbarung mit dem jeweiligen Sorgeberechtigten zu treffen. Die Kontakte zu den Behörden, die zur Aufnahme von Hamza und Hassan an der Waldorfschule führten, kamen über Asylhelfer zustande. Zudem wird im Unterricht das Thema Flucht behandelt, beispielsweise beschäftigt sich das aktuelle Theaterstück mit der Situation von Flüchtlingen. In Gröbenzell sind zurzeit vier Schüler Schutzsuchende.

Nach Angaben seiner Mitschüler kam Hamza im Juli 2015 im Alter von 16 Jahren nach einer sechs Monate dauernden Flucht nach Deutschland. Er floh aus Pakistan, nachdem ihn sein Onkel für die Taliban zwangsrekrutiert hatte und er in einem Camp eine Ausbildung zum Kämpfer absolvierte. Hamza sei nicht bereit gewesen, andere Menschen zu töten. Nach seiner Rückkehr in seine Heimat müsse er damit rechnen, als Verräter hingerichtet zu werden. Hamza lebt mit 15 weiteren unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in einer Unterkunft im Landkreis. Der Elftklässler gilt als gut integriert.

Hassan bereitet sich in der zehnten Klasse auf den Hauptschulabschluss vor und möchte anschließend eine Lehre beginnen. Seine Familie floh bereits vor 20 Jahren von Afghanistan in den Iran. Obwohl er im Iran geboren wurde, hat er nur die afghanische Staatsangehörigkeit. Der Grund: Afghanen gelten als illegale, rechtlose Einwanderer. Um der Abschiebung nach Afghanistan zu entgehen, floh Hassan im Alter von 16 Jahren nach Deutschland. Wie im Text der Petition zu lesen ist, kann er nicht zu seiner Familie zurückkehren. In Afghanistan wiederum müsse er als Angehöriger der Minderheit der Hazara damit rechnen, von Taliban und Paschtunen verfolgt zu werden. Auch Hassan, der seit eineinhalb Jahren die Rudolf-Steiner-Schule besucht, müsse mit Folter und dem Tod rechnen. "Es kann nicht sein, dass für uns eine absolute Reisewarnung besteht, aber unsere Mitschüler in dieses absolut unsichere Land abgeschoben werden", schreiben die Gröbenzeller Waldorfschüler besorgt. Sie wünschen sich stattdessen für Hamza und Hassan "eine sichere Zukunft in unserem Land".

© SZ vom 08.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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