Direktvermarktung:Videoüberwachte Rohmilch-Tankstelle

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Manuela Spiegl an ihrem neuen stählernen Mitarbeiter. (Foto: Günther Reger)

An einem Automaten können Kunden des einzig verbliebenen Erzeugers in Puchheim nun rund um die Uhr zapfen

Von Stefan Salger, Puchheim

Ein kleiner Raum in Puchheim. Drinnen surren zwei stählerne Automaten. An der Wand hängt ein Schild mit der Aufschrift: "Der Bereich wird videoüberwacht." Na klar, würde man sich denken - Bankautomat. Würde man denken. Stünde da nicht "vor dem Verzehr bitte abkochen" und stünde man nicht auf dem Bauernhof der Familie Spiegl. Das eine surrende Gerät ist der vor einem Jahr installierte Eier- und Kartoffelautomat, das andere der vor zwei Wochen in Betrieb genommene Milchautomat.

Zur Eröffnung "der Milchtankstelle", die den Kunden nun das mühevolle Zapfen am Großtank erspart, sind am Mittwoch Repräsentanten von Bauernverband, Bauernquelle und Slow Food gekommen. Denn so eine stählerne Kuh ist immer noch etwas Besonders. Im Landkreis gibt es nur eine Handvoll davon, so auch in Grafrath, Germering und Hörbach. Experten sprechen durchaus von einem Trend, denn bei sinkenden Milcherlösen wollen Landwirte zu höheren Preisen so viel wie möglich direkt an den Kunden verkaufen statt an die Molkerei. Manuela und Klaus Spiegl, die den Hof bewirtschaften und dort mit drei weiteren Generationen untere einem Dach leben, haben den zunehmenden Druck längst zu spüren bekommen. Lag der Milchpreis in den Achtzigerjahren noch bei umgerechnet mehr als 40 Cent, so hat er jüngst die 30-Cent-Marke erreicht und scheint sich wegen der abgeschafften Quote und der daraus resultierenden Mehrproduktion weiterhin im freien Fall zu befinden. Für einen Betrieb mit 50 Milchkühen, der diese auch noch mit Futter aus eigenem Anbau versorgt, wird es da eng. Kein Wunder, dass der Spieglhof der letzte von einst 50 Milch produzierenden Betrieben in Puchheim ist und längst auch in Gröbenzell und Eichenau keinen Konkurrenten mehr hat.

Da ist so ein Automat, an dem der Liter für einen Euro gezapft werden kann, ein weiteres wirtschaftliches Standbein. Geöffnet ist rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Josef Unglert, Vorsitzender der Brucker Bauernquelle, des Vereins zur Förderung der Selbstvermarktung, sieht diese Entgrenzung der Öffnungszeiten zwar durchaus kritisch - "aber die Leute wollen das eben so". Richard Bartels von Slow Food räumt ein, selbst kein großer Milchtrinker zu sein. Grundsätzlich aber begrüßt er den direkten Verkauf der Rohmilch, die damit nicht den Umweg über die Labors der industriell arbeitenden Molkereien nimmt. "Regionaler geht nicht, und wir müssen der bäuerlichen Landwirtschaft wieder mehr Geltung verschaffen", sagt der Tierarzt. ÖDP-Kreisrat und Bauernquelle-Mitglied Max Keil sieht in dem Automat einen Beitrag zur Essbare-Stadt-Aktion, die in Puchheim vor drei Wochen startete. Jeden Tag wird der gekühlte Hundertlitertank aufgefüllt, nach jeder Entnahme findet eine automatische Reinigung statt. Im Regal werden Pet- und Glasflaschen zum Kauf angeboten. Dass da schon ein paar ohne Entrichtung des Preises verschwanden, konnte auch die Videokamera nicht verhindern.

© SZ vom 10.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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