Digitale Alternative:Pflegeheim 2.0

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Im Fürstenfeldbrucker Theresianum schreitet die Digitalisierung voran - einige Fallbeispiele

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Im März 2020 musste das Pflegeheim Theresianum wegen Covid-19 komplett schließen. Eine Alternative zum persönlichen Besuch musste her, zumal nur ein Drittel der Bewohner ein Telefon hat. Die Corona-Nachbarschaftshilfe FFB entwickelte eine anwenderfreundliche Videotelefonie-Plattform, um der Vereinsamung entgegenzuwirken und das Pflegepersonal zu entlasten. Die Ehrenamtlichen der Nachbarschaftshilfe übernahmen Konfiguration und Betreuung, die Geräte wurden gespendet. Für die Videotelefonie wurde im Theresianum Wlan flächendeckend ausgebaut.

"Natürlich ist jede Neuerung mit Skepsis behaftet", erzählt Projektbetreuerin Anita Beer. Und nicht alle Angehörigen seien neuer Technik gegenüber aufgeschlossen. Aber es klappt: Etwa 200 Videocalls nach zwölf Monaten verbucht das Projekt "besuch.jetzt", das mit dem Ehrenamtspreis der Stiftung Versicherungskammer ausgezeichnet wurde.

Die Digitalisierung hat im Theresianum inzwischen in vielen Bereichen Einzug gehalten. Zahlreiche Funktionen werden über die Gebäudeleittechnik gesteuert. Dadurch sind wichtige technische Anlagen wie die Heizung sichtbar und regulierbar, Störungen können schnell lokalisiert werden. Seit 2008 wird im Theresianum auf softwaregestützte Dokumentation gesetzt. Der gesamte Pflegeprozesses läuft EDV-gestützt, Protokolle, Leistungen und Vitaldaten füllen die Pflegekräfte am jeweiligen "Stützpunkt" digital aus. Für Pflegedienstleiterin Daniela Stark ist das "eine enorme Erleichterung". Es spart Zeit, erleichtert die Erstellung von Pflegeverlaufsberichten und Übergaben. Einige Pflegebetten besitzen bereits integrierte Waagen, intelligente Ausstiegssensorik und ein geschlossenes Steuerungssystem mit Schnittstelle zur Pflegedokumentation. Das "Gehirn" der 2020 angeschafften Korbtransportspülmaschine "M-iQ" ist die intelligente Steuerungssoftware Bluevision. Alle Spülprozesse werden über das Touch-Glasdisplay gesteuert. Prozessoptimierend kann die Küchenleitung jederzeit nachjustieren. Haustechniker Helmut Putzlocher, 62, gehört zu den überzeugten Verfechtern der Hightech im Theresianum: "Wir sehen einfach ein Riesenpotenzial, dass Technik die Arbeitsbedingungen erleichtert und uns hilft, auch Junge für den Beruf zu begeistern."

Dem Training fürs Gedächtnis dienen neue Demenz-Tablets. Damit werden Wort- und Bildrätsel gelöst. Erscheint "Richtig" auf dem Bildschirm, ist das die beste Motivation zum Weitermachen. Lieder und Filme bringen Abwechslung in den Alltag. Bei den Bewohnern sei das "unheimlich beliebt", sagt Anita Beer. Die Bewohner bekommen von der Technik ansonsten wenig mit, profitieren aber davon. Die Angehörigen haben Maßnahmen wie Armbändern zugestimmt - der Datenschutz sei streng geregelt, heißt es. Geschäftsführer Armin Seefried: "Der Pflegeberuf wird sich verändern" - schon allein wegen der Alterung der Gesellschaft und des Mangels an Pflegekräften. Das muss nicht schlecht sein, das sieht man an der Videotelefonie: "Dass ich in meinem Alter noch mal lernen darf, etwas an einem Computer zu machen, ist schon allerhand", freut sich Bewohnerin Anna Weber, 87.

© SZ vom 28.05.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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