Die Cuba-Boarischen in Olching:Holadulideidulijö, aber sabroso!

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Im nahezu vollbesetzten Olchinger Festzelt verquirlen die Cuba-Boarischen in unnachahmlicher Weise Salsa, Son und Cha Cha Cha mit Landler, Polka und Zwiefachem. Unterstützt werden sie von Nueva Imagen aus Kuba

Von Stefan Salger, Olching

Fusionieren: Den Begriff kennt man aus der Welt der Kernkraft. Er klingt bedrohlich. Doch die Fusion wäre so etwas wie der Stein der Weisen, würde im Vergleich zur Kernspaltung mehr Energie und weniger Strahlung freisetzen. Am Fusionieren sind schon viele gescheitert. Wissenschaftler wie Politiker. An die 900 Gäste, darunter Bürgermeister Andreas Magg und viele Stadträte, werden am Montag in Olching Zeugen einer gelungenen Kernfusion. Und das ausgerechnet im Bierzelt. Ganz vorne auf der Bühne stehen die Aufmischer. Ihre Berufskleidung: Samtweste, Hut, Lederhose, Wollsocken, Haferlschuhe. Ihre Werkzeuge: Bass, Gitarre, Saxophone, Klarinetten, Trompete, Posaune, Bongos, Percussions. Nicht zu vergessen. Ordentlich geölte Mundwerke.

Da stehen sie also. Im Spagat. Mit einem Bein in Olching, mit dem anderen 8325 Kilometer südwestlich davon. Dort liegt Matanza. Von dort kommt die vierköpfige Combo Nueva Imagen, die den Abend immer wieder authentisch bereichert und deren Heimatort neben Havanna so etwas wie ein Ankerpunkt und eine zweite Heimat der Cuba-Boarischen ist. Die insgesamt elf Musiker brauchen an diesem Abend im Bierzelt ein wenig Anlauf. Es dauert ein wenig, bis er Funke überspringt auf die Zuschauer, die dort unten hinter Bierkrügen und Brotzeit sitzen. Am Ende werden sie auf den Tischen und Bänken stehen. Am Ende werden sie mitsingen und in den Gängen tanzen. Am Ende ist es wie ein Märchen. Alles wird gut. Ebenso glücklich sein werden die Helfer der Kolpingsfamilie- auch deshalb, weil die Kritikerin den eigenen Reihen, die vor dem großen finanziellen Risiko einer solchen Kulturveranstaltung gewarnt hatten, nun ebenfalls auf jenen Bänken und Tischen stehen.

An die 900 Besucher sind zu der von der Kolpingfamilie organisierten Veranstaltung ins Festzelt gekommen. (Foto: Johannes Simon)

Bis freilich alles gut wird, nimmt der Prozess der Kernfusion seinen Lauf. Alles, was bisher als gewiss galt, gerät dabei aus dem Lot. Die Tonleiter umfasst auch nach diesem Abend eine Oktave. Die beginnt mit C und endet sieben Töne weiter wieder beim C. Hier aber hören die Gewissheiten auf. Hier reißt einen der Strudel hinweg, in dem Landler, Walzer, Zwiefacher mit Cha Cha Cha, Samba, Salsa und Son verquirlt werden. Reinste Alegria. Alegria heißt Freude. Ein zweiter Begriff bleibt zwischen dem grün-gelben Baldachin und den Sonnenblumenmotiven am Zelthimmel und den Holzbohlen der Bühne hängen: sabroso - im Spanischen "lecker" oder einfach auch "toll", "Wahnsinn", "griabig". Die Cuba-Boarischen sind die Synthese von Bierzeltband, Kammerorchester, Karibik-Combo und Zigeunermusikern. Nur ein einziges Manko können sie an diesem Abend nicht kaschieren: den lockeren kubanischen Hüftschwung kann man nicht lernen, den muss man im Blut haben. Und die Wadln der Mannsbilder können nicht mit den grazilen Beinen der Nueva-Imagen-Sängerin Yinet Rojas Cardona mithalten. In allen anderen Disziplinen aber sind die Musiker der Cuba-Boarischenganz vorn dabei. Mit ihrem Programm "Servus Cuba" starten sie zu einem wilden Parforceritt, beginnen mit dem Defiliermarsch der bei Bedarf ohne jeden Bruch in die offizielle kubanische Nationalhymne La Bayamesa oder in die inoffiziellen Nationalhymne Guantanamera mündet. Das ist Tropical bei uns dahoam, das ist Schwiagamuatta danz amoi in Habana Vieja. Das ist Commandante Che Guevara in Wadlstrümpfen. Das ist auch "El cuarto de Tula", in dem es um das Mädchen geht, das vergisst, in seinem Zimmer die Kerze zu löschen. Der Buena Vista Social Club schürte einst die Sorge ums Wohlergehen Tulas. Die Cuba-Boaischen sind einen Schritt weiter: "De ondan hom scho d'Feiawehr g'hoit." Die Fusion zweier Musikwelten geht so weit, dass die kubanischen Gäste hemmungslos mitjodeln - Holadulideidulijö - und Carlos Alberto Valdivia Paz den Zuschauern mit breiter Brust entgegenschmettert: "Mia san mia!" Die Fusion ist also nach allen Seiten offen, das Bayerische, das irgendwie sogar gut mit dem Spanischen zusammengeht, diffundiert auf diese Weise auch auf die Karibikinsel.

Kniefall vor der Kubanerin Yinet Rojas Cardona: Leonhard Meixner (Foto: Johannes Simon)

Nueva Imagen ist zum dritten Mal mit den Cuba-Boarischen in Deutschland auf Tour. Noch öfter war die vor 16 Jahren gegründete bayerische Band in Kuba, auf der Insel, die kaum noch Zucker oder Kaffee exportiert, aber weiterhin Ballettensembles und eben Profimusiker. Spielt sie dort, dann ruft das zunächst blankes Erstaunen hervor. Noch mehr, wenn sogar Nueva Imagen dort den Gretl Boarischen anstimmt - gerne auch in der Version als "De camino a la vereda". Von Humtata ist all dies so weit entfernt wie der Irschenberg vom Strand in Matanzas. Wer sich den musikalischen Werdegang der Cuba-Boarischen ansieht, den wundert das nicht: Allesamt sind sie professionell ausgebildet. Unter herausragenden Künstlern setzen drei die Akzente: Orchestermusiker Hans Förg, der vor allem Klarinette und Sopransaxophon in einmaliger Virtuosität, flink und punktgenau, beherrscht. Sodann Marinus Wagner, dessen Trompetensolo des Alten Dessauers glasklar bis in den letzten Winkel des Zelts dringt. Vor allem aber Leonhard, Sohn des Bandleaders Hubert Meixner. Perfektion an so unterschiedlichen Instrumenten wie diatonischer Harmonika, Trompete, Percussions, Gitarre - und auch noch gesegnet mit einer exzellenten Stimme und einer ordentlichen Portion Showtalent. Dann ist die Fusion vollbracht, der Stein der Weisen gefunden. Selten passte der Spruch des graubärtigen Máximo Líder Fidel Castro so gut: Hasta la victoria siempre - immer weiter bis zum Sieg. Der ist um 23 Uhr errungen, bevor die Stille der Nacht Einzug hält.

Die Cuba-Boarischen haben ihr sechstes Studioalbum ("Servus Cuba!") veröffentlicht. Ein Film von ihrer Reise nach Kuba im Februar ist an diesem Donnerstag von 7 Uhr an bei Servus TV zu sehen.

© SZ vom 01.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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