Dichterwettstreit:Brucker Slam hat zwei Sieger

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An einem sehr abwechslungsreichen Abend im Säulensaal von Fürstenfeld erhalten Valerio Moser und Flinn Schnee den größten Beifall aus dem Publikum. Ihre Zuhörer unterhalten sie mit Texten über die Liebe, das Casting beim Film und Youtube-Videos

Von Emil Kafitz, Fürstenfeldbruck

Schneegestöber vor der Tür, drinnen ist es warm, die rote Beleuchtung verstärkt den Eindruck. Der Säulensaal in Fürstenfeldbruck ist ausverkauft, jeder Platz besetzt, das Foyer, in dem gerade noch Menschen jeder Altersstufe an ihren Getränken genippt haben, wie leergefegt. Johannes Berger, der den Abend moderiert, tritt in schwarzem Hemd auf die Bühne. Locker und unaufgeregt erklärt er die Slam-Regeln und unterhält dabei das Publikum mit seinem trockenen Humor: Die Poeten, an diesem Abend acht an der Zahl, tragen jeweils einen selbstverfassten Text vor, es gibt ein Finale und das Publikum entscheidet, wer den Dichterwettstreit gewonnen hat. Und gleich vorweg sei es verraten, das Publikum kann sich an diesem Abend nicht entscheiden. So gibt es am Ende zwei Sieger.

Große Sprachfertigkeiten: Valerio Moser ist einer der beiden Sieger. (Foto: Günther Reger)

Erste Slammerin ist Carmen Wegge. Sie unternimmt in ihrem Text eine Zeitreise, beginnt beim Dresdner Feuersturm zu Ende des Zweiten Weltkriegs und endet hoffnungsvoll in der Jetztzeit. Wegge ist eine Größe in der deutschsprachigen Slam-Szene. Auf ihren Auftritt folgt der von Tim Niklas, der zum ersten Mal seit einem Jahr wieder auf einer Bühne steht. "Ich komme nun mal aus Bruck. Da darf man den legendären Slam im Säulensaal einfach nicht verpassen", sagt er. In seinem Text schildert Niklas, wie der ganzen Welt die Feuerzeuge ausgegangen sind. Doch zum Glück hat er, Tim Niklas, über Jahre hinweg Freunden und Fremden Feuerzeuge entwendet, die er nun, als neuer Messias gefeiert, unter dem Volk verteilt.

Johannes Berger moderiert den Wettstreit. (Foto: Günther Reger)

Es folgen Flinn Schnee, der verschiedene Youtube-Video-Formate erstklassig parodiert und dabei fiktive Videokünstler darstellt, sowie Eva Stepkes, die sich von einem Vorstellungsgespräch zu ihren persönlichen Sinnkrisen durchslammt: "Alleinstellungsmerkmal: Ziellosigkeit". Das Publikum darf nun entscheiden, wer ins Finale kommt. Der lang anhaltende Applaus sichert Flinn Schnee die Möglichkeit, einen zweiten Text vorzutragen.

In der Pause stehen die Slammer gemeinsam vor dem Saal, jeder kennt jeden. Wegge erklärt: "Man trifft sich immer wieder, entweder auf lokalen Slams oder spätestens bei den Deutschlandmeisterschaften." Sie hat schon eine beachtliche Slam-Karriere hinter sich, die sie zu Veranstaltungen in Großbritannien, Togo und an die Elfenbeinküste geführt hat. Trotzdem möchte sie ihr Hobby nicht zum Beruf machen: "Künstler und selbständig sein, das ist schon so eine Sache."

Elena Hammerschmidt schafft es nicht ins Finale. (Foto: Günther Reger)

Dann beginnt auch schon die zweite Runde. Jonas Engesser leitet mit dem Text "Cannabis im Physikunterricht" ein, Höhepunkt ist ein Freestyle-Rap von Physiklehrer Schneider. Elena Hammerschmidt dagegen will, wie sie selbst ankündigt, eine möglichst große Zielgruppe im Publikum ansprechen: "Darum habe ich jetzt einen Text über verzweifelte Singles dabei - sorry, aber ihr schaut's so aus!" Einen krassen Gegensatz dazu stellt der Vortrag von Valerio Moser dar. Der Luzerner thematisiert seine Tendenz, sich zu oft und zu schnell zu verlieben. In buntem Pullover und weiter Cordhose spricht er fast pathetisch davon, wie er eine potenzielle Partnerin in einer Bibliothek erblickt. Er lässt sich so von seinen Gefühlen mitreißen, dass es nur noch eine Möglichkeit für ihn und die Angebetete gibt: "Kleinfamilie!", brüllt er ekstatisch. Mit dieser Performance slammt sich Valerio ins Finale, daran kann auch Dave Appleson, der über Small Talk beim ersten Date spricht, nichts mehr ändern.

Valerios Finaltext ist bewusst unkonventionell: Er erscheint mit einem dicken Notizbuch auf der Bühne, in das er seit August jeden Tag ein paar Zeilen geschrieben hat. Das Publikum soll sich nun Daten aussuchen, woraufhin er den Text, den er an diesem Tag geschrieben hat, vorliest. Flinn Schnee hält mit den Erfahrungen, die er beim Casting in einer Schauspielschule gemacht hat, dagegen. Nachdem auch eine dritte Stichwahl keinen Sieger gebracht hat, wird der erste Platz des Brucker Slams zwischen beiden Finalisten aufgeteilt. Damit endet ein gelungener und abwechslungsreicher Abend im Säulensaal.

© SZ vom 07.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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