Debatten:Schwierige Annäherung

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Im Gespräch (von links): Thomas Karmasin, Monika Grzesik, Moderator Gerhard Eisenkolb, Dieter Seidl und Wilfried Dreyer. (Foto: Günther Reger)

Eine Podiumsdiskussion während der "Eichenauer Begegnungen" bestätigt die Kontroversen in der Integrationsarbeit

Von Erich C. Setzwein, Eichenau

Ein Konsens beim Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland und deren Integration ist nicht in Sicht, die Gesellschaft spricht im Allgemeinen nicht gerne darüber und auch die, die miteinander diskutieren, gehen auseinander, ohne ihre Meinung geändert zu haben. Das ist, stark verkürzt, das Fazit einer Podiumsdiskussion während der "Eichenauer Begegnungen" am Donnerstagabend. Ein politischer Diskurs in der ersten Integrations- und Migrationswoche der Gemeinde, zu dem die Gemeinderatsreferentin für Migration und Integration, Rike Schiele, den Regensburger Professor Wilfried Dreyer, Monika Grzesik von der Caritas, Landrat Thomas Karmasin (CSU), Dieter Seidl vom Asylhelferkreis und SZ-Redakteur Gerhard Eisenkolb als Moderator eingeladen hatte.

Rike Schiele (Grüne) hatte bei der Vorbereitung dieser Themenwoche die Frage umgetrieben, wo die Integrationsarbeit zwei Jahre nach dem Satz Angela Merkels "Wir schaffen das" steht. Damit war auch von vorneherein klar, dass es nicht das Ziel der einzigen politischen Veranstaltung in dieser Woche sein würde, Kontroversen beizulegen. Nämlich solche, die zwischen den Helfern und den Behörden oder einzelnen Politikern bestehen. So ist allein schon der Begriff der Integration umstritten, was auch Thomas Karmasin zugab. Als Mitglied einer Enquetekommission des bayerischen Landtags habe er sich mit seiner Definition bislang nicht durchsetzen können. "Integration heißt für mich die Eingliederung von Migrantinnen und Migranten in unser Sozialgefüge." Er meine damit nur anerkannte Flüchtlinge, "die hier Wurzeln schlagen wollen". Alle anderen, so Karmasin würden nur Gastfreundschaft genießen, wer ausreisepflichtig sei, solle nicht integriert werden: "Wer gehen muss, soll nicht Wurzeln schlagen."

Das sieht Wilfried Dreyer vom Lehrstuhl für Internationale Handlungskompetenz an der Ostbayerischen Technischen Hochschule naturgemäß anders. Für ihn gibt es viele Arten von Integration, er stellt sich zum Beispiel eine Integration auf Zeit vor. Bis zu drei Jahre, in denen ein Flüchtling eine Ausbildung macht oder arbeiten kann. Dann könne er zurückkehren, entweder, um den erlernten Beruf auszuüben oder mit dem erarbeiten Geld für die Familie. Schicke man die Flüchtlinge jedoch zurück, würden sie in ihrer Heimat als Verlierer aufgenommen. "Wir sollten die Flüchtlinge an unserem Wissen und unserer Kultur partizipieren lassen."

Dass Flüchtlinge am besten zurechtkommen, wenn sie eine Beschäftigung haben, bestätigte Monika Grzesik, die Fachdienstleiterin für Asyl und Migration bei der Brucker Caritas, aus Erfahrung. Doch die Praxis sehe anders aus, wie der Eichenauer Asylhelfer Seidl Landrat Karmasin vorwarf. Die Arbeitsverbote, die das Landratsamt erlasse, wirkten sich nicht nur auf die Psyche der Flüchtlinge aus, sie kosteten den Steuerzahler auch noch Geld. Ein Flüchtling, der arbeite, bezahle schließlich Steuern und Abgaben. Karmasin nickte zustimmend bei Seidls Ausführungen und erklärte, dass anerkannte Flüchtlinge ohnehin arbeiten dürften. Eine Arbeitserlaubnis bekäme aber nicht, wer keine Bleibeperspektive habe. Er verteidigte diese Linie gegenüber einem Einwurf des Awo-Vorsitzenden Michael Gumtau "als eine der liberalsten" in der Region.

Für Karmasin steht die Integration von Flüchtlingen im Landkreis "ganz am Anfang". Als größtes Hindernis sieht er den fehlenden Wohnraum, weswegen die Flüchtlinge wohl jahrelang in den Notunterkünften leben müssten. Viele weitere Fragen seien nicht geklärt, "ich sehe uns im Blindflug". Zustimmen konnten Karmasin die anderen Podiumsteilnehmer, dass es einer gesamtgesellschaftliche Diskussion bedürfe. "Das kann man nicht von oben verordnen", sagte der Landrat. Der Anstoß dazu könnte nach Meinung Grzesiks aus den Helferkreisen kommen. Deren Engagement sieht sie als positives Beispiel und "Gegenbewegung zur Politikverdrossenheit".

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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