Debatten in Fürstenfeldbruck:Jugend macht Politik

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Bei einem Workshop im Landratsamt debattieren die jungen Teilnehmer über ihre Wünsche wie etwa eine Schülerjobbörse und günstigen Nahverkehr

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Zum besseren Schutz des Klimas und zum Energiesparen den Haushalten einfach mal täglich um 23 Uhr den Strom abdrehen. Oder erforschen, ob und wie sich die Erderwärmung zur Herstellung des schadstofffreien Energieträgers Wasserstoff nutzen lässt. Solch radikale Ansätze zur Bewältigung des Klimawandels haben kürzlich 25 Jugendliche im Großen Sitzungssaal des Landratsamts durchaus kontrovers diskutiert. Sie stellten sich der Herausforderung, in Arbeitsgruppen Projektideen zur Weiterentwicklung des 2013 verabschiedeten Leitbildes für den Landkreis zu kreieren, über die der Kreistag im kommenden Jahr entscheiden wird. Mit den Worten "es geht um unser aller Zukunft", darum, wie wir wohnen, arbeiten, leben wollen, stimmte der Kreisjugendreferent und Emmeringer Bürgermeister Stefan Floercke (CSU) die meist noch unter 16-jährigen Schüler auf ihre Aufgabe an diesem Tag ein.

Wie zuvor bei zwei ganztägigen Workshops mit Erwachsenen ging es um die Beteiligung der Bürger. Diesmal werden jedoch erstmals auch Jugendliche in den Leitbildprozess einbezogen. Stimmen diese dort ab, wo sonst Kreisräte über die Sanierung von Schulen, Müllkonzepte oder den Landkreishaushalt entscheiden, geschieht das per Votum im Smartphone und nicht mehr durch Handzeichen. Geübt wird das mit der Frage, wie die Fahrt zum Landratsamt war. "Frag nicht, der Bus hatte wieder mal Verspätung und mein Rad ist platt", diese Antwort wird nur einmal gewählt. Für den Rest war die Anfahrt "sehr gut". Wie später die Forderungen nach mehr Zebrastreifen, mehr Fahrradwegen, billigeren MVV-Tickets und nach einem Verbot des Elterntaxis für Schüler belegen, wäre es voreilig, aus diesem Votum die Schlussfolgerung zu ziehen, dass die Vertreter der Jugend mit dem Mobilitätsangebot zufrieden sind.

Zur Einstimmung gilt es noch, wiederum per Smartphone anonym, die Frage zu beantworten, warum man sich an dem Workshop beteiligt und dann die Themen zu bestimmen, mit denen man sich befassen will. Wie die Antworten belegen, sind die 50 Euro, die jedem nach dreieinhalb Stunden bar ausgezahlt werden, ein großer Anreiz mitzumachen. Die späteren Debatten zeigen, wie wichtig es den Jugendlichen ist, umweltfreundliches oder solidarisches Verhalten zu belohnen. So soll beispielsweise mit einer Prämie ein Anreiz zur Teilnahme an Workshops für Umwelt- und Naturschutz geschaffen werden. An diesem Nachmittag ist auch die Neugierde motivierend, einfach mitzuerleben, wie das so läuft mit der Mitbestimmung in einer Demokratie.

Bei der Diskussion dabei sind auch Solveig Lüthje von links), Frederic Portejoie, Jugendreferent Stefan Floerecke und Judith Kellerer. (Foto: Günther Reger)

Bei den Themen rangiert der Umwelt- und Naturschutz auf Platz eins, gefolgt von Klimaschutz und Energie sowie Bildung. Wobei sich die Schüler etwas schwer tun mit Vorschlägen für konkrete Projekte im Bereich von Klimaschutz und Energie. Die Gruppendebatten sind immer dann ein Selbstläufer, wenn man auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kann. Also wenn man sich im Unterricht mit der Nachhaltigkeit des Mensaessens oder Schulmaterial mit einem Umweltsiegel befasst hat und in Entscheidungen eingebunden wurde. Und es gilt sogar als vorbildliches und nachahmenswertes Projekt, wenn jede Woche eine andere Klasse an der eigenen Schule auf dem Hof den Müll sammeln muss, weil dann weniger Abfall achtlos weggeworfen wird.

Egal, ob es um billigere Wohnungen für Familien, die finanzielle Unterstützung Ärmerer, um diesen die Teilnahme am Vereinssport zu ermöglichen, oder bei Angeboten in Jugendzentren um mehr Diversität, also beispielsweise auch um Angebote für Homosexuelle geht, die meisten Vorschläge werde eher zögernd, ja bescheiden vorgebracht. Und oft mit dem einleitenden Hinweis verbunden, man wisse ja nicht, ob man mit dem Beitrag richtig liege. Das kann auch an der professionellen Moderation liegen und an der ungewohnten Rolle, als Schüler in einer beeindruckenden Behörde plötzlich mitreden und mitbestimmen zu dürfen.

Angeregt werden unter anderem eine Schülerjobbörse im Landkreis, verpflichtende Praktika an Schulen, die Beschäftigung von mehr Sozialarbeitern an Schulen und in besser zu organisierenden Jugendzentren, Trinkwasserspender im öffentlichen Raum, eine nachhaltige Stadtplanung mit mehr Grün und weniger versiegelten Flächen, die Begrünung öffentlicher Gebäude, gemeinsame Aktionstage für Alt und Jung, mehr Feste im Stadtpark von Fürstenfeldbruck wie das Zeugnisfest zum Ende des Schuljahres, ein solidarisches Miteinander und immer wieder die Verbesserung der Digitalkompetenz der Lehrkräfte. Und noch etwas wird deutlich: Schülervertreter fühlen sich wohl nicht ernst genug genommen.

Auf einer Landkreiskarte markieren die Jugendlichen ihre Lieblingsorte, mit dabei sind eineTankstelle in Germering und das Emmeringer Hölzl. (Foto: Gerhard Eisenkolb)

Durchaus kurios sind einige der Lieblingsorte im Landkreis, die die Jugendlichen zuerst auf Zettel schreiben und dann auf einem großen, begehbaren Plan des Landkreises an den entsprechenden Ort legen. Aufgeschrieben werden unter anderem die Germeringer Tankstelle "Allguth" mit Getränkemarkt, Autobahnbrücke, Amperbrücke beim Schwimmbad, Bahnhof, Shopping Center, Hauptstraße, Wald, Natur, Zuhause, Sportvereine, im Park neben dem Spielplatz, das Emmeringer Hölzl, Freibad, Badesee. Darüber diskutiert, was den Reiz der jeweiligen Lieblingsorte ausmacht, wird nicht. Was nicht heißt, dass nicht mancher der Lieblingsorte nicht zu verbessern wäre. Das gilt vor allem für die Ausstattung von Parks und für Badeseen, an denen den Jugendlichen Sprungtürme und Stege fehlen.

Am Schluss wird die Frage gestellt, ob die Ergebnisse der Leitbilddiskussion öffentlich diskutiert werden und ob eine Teilnahme als Zuhörer möglich ist. Vielleicht kommt ja jemand von Regionalmanagement angesichts des Interesses auf die Idee, die Schüler zur Sitzung einzuladen. Sonst ist die Chance gering, dass sie den Termin mitbekommen. Zwar wurde mehrmals angesprochen, wie das Landratsamt mit seiner Öffentlichkeitsarbeit Jugendliche erreichen könnte, aber Lösungen wurden keine gefunden. Die Frage, wie sie den Workshop fanden, beantworteten zwei der Teilnehmer mit "sehr interessant". Um zu ergänzen, "wenn das was bringt, freuen wir uns sehr".

© SZ vom 28.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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