Corona-Pandemie:Testpflicht gefährdet Vereinssport

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Sport in der Halle - hier Gymnastik beim TSV Olching - ist durch die gegenwärtigen Coronaschutzmaßen wieder sehr erschwert. (Foto: TSV Olching)

Wer in der Turnhalle trainieren oder Übungsstunden geben möchte, muss sich testen lassen, auch wenn er geimpft ist. Die 2-G-plus-Regel wird von vielen Funktionären im Landkreis Fürstenfeldbruck kritisiert

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Für Steffen Enzmann ist die Sache klar: "2 G plus ist der Tod des Vereinssports." Der Vorsitzende des Bayerischen Landes-Sportverbandes (BLSV) im Kreis Fürstenfeldbruck drückt schonungslos aus, was wohl auch die Verantwortlichen in den Sportvereinen mehrheitlich denken. Enzmann hält die neue Verordnung für den Vereinssport für verfehlt, solange es bei der Sportausübung nicht um Kontaktsport, wie zum Beispiel beim Boxen oder bei Karate geht. Die Vereine schließen jetzt ganze Abteilungen, weil Übungsleiterinnen und Übungsleiter fehlen, die sich als Geimpfte nicht auch noch regelmäßig an den vielerorts überfüllten Teststationen testen lassen wollen. Auch der erlaubte Kindersport in den Turnhallen findet kaum statt, weil ebenfalls die erwachsenen Trainer fehlen.

"Wir haben unser Fitnessstudio geschlossen", berichtet Walter Müller, der Vorsitzende des TSV Unterpfaffenhofen-Germering. Der vor Corona mit über 5500 Mitgliedern größte Sportverein im Landkreis erwartet auch eine Austrittswelle. Nach dem letzten Lockdown war die Mitgliederzahl auf 4700 heruntergegangen. "Wir haben uns dann im Frühsommer wieder auf 5000 hochgearbeitet", sagt Müller, "jetzt wird es wieder Austritte geben." Das TSV-Fitnessstudio ist mit über 2000 Mitgliedern einer der großen Geldbringer des Vereins. Das Studio ist normalerweise an sieben Tagen in der Woche geöffnet. "Das Studio ist existenziell für uns", bekräftigt Müller, der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Volksbank Raiffeisenbank Fürstenfeldbruck. Doch der Regelbetrieb sei nicht mehr aufrechtzuhalten, weil sich unter 2 G plus nicht mehr genügend Übungsleiter finden. "Wir sind auf allen Ebenen ehrenamtlich organisiert", ruft Müller ins Gedächtnis. Ständige Sitzungen rauben den Verantwortlichen jegliche Energie. Müller spürbar verärgert: "Ich weiß nicht, was sich die Politik dabei denkt." Er ist seit Anfang 2020 TSV-Vorsitzender und hatte sich schon im Vorjahr maßgeblich an einem Hygienekonzept für das vereinseigene Sportzentrum beteiligt. Das sei jetzt alles für die Katz, so Müller ernüchtert. Besonders schmerzt ihn, dass auch der noch gestattete Kinder- und Jugendsport höchstens eingeschränkt stattfindet: "Wir können nicht voll aufmachen, weil uns unter 2 G plus die Übungsleiter dafür fehlen."

Helmut Becker, Präsident des TuS Fürstenfeldbruck, hat kürzlich in der Schachabteilung sein 2- G-plus-Schlüsselerlebnis gehabt. "Es sind sowieso nur vier Personen zu unserem Schachabend gekommen, aber die musste ich dann alle wieder nach Hause schicken, weil sie keinen Test dabeihatten", berichtet Becker. Dabei spiele man in einem Nebenzimmer einer Gastwirtschaft, in der 3 G gilt. Doch Schach sei eine sportliche Veranstaltung, deshalb gelte 2 G plus. Auch beim TuS befürchtet man viele Austritte, weil es immer weniger Präsenssport gibt. Im vergangenen Lockdown ist die Mitgliederzahl auf 2800 geschrumpft. Auch hier fehlen die Übungsleiter. "Wir werden wieder Online-Training anbieten", sagt Becker. Besonders schmerzt den leidenschaftlichen Schachspieler, dass die renommierte Schnellschach-Veranstaltung, die Brain Games, mit 200 Spielerinnen und Spielern aus der gesamten Republik, die für Februar geplant war, zum zweiten Mal in Folge abgesagt werden muss. Becker zeigt auch Verständnis, "bei aller Liebe für den Sport", wie er sagt, für die Maßnahmen der Staatsregierung: "Es geht um Leben und Tod."

"Wir halten uns an 2 G plus", sagt Tilman Brenner, Vereinschef des SV Esting. "Ändern können wir es nicht." Das müssten die Trainer vor jeder Stunde kontrollieren. Wie das klappt, bleibt abzuwarten, und wie die Resonanz der Mitglieder sein wird, ebenfalls. Doch bei 2 G seien schon viele Sportler weggeblieben. "Die haben gesagt, wir kommen nicht", berichtet Brenner. Auch der SVE, der vor Corona 4500 Mitglieder hatte, beklagt Verluste. Schon beim vergangenen Lockdown reduzierte sich die Zahl der Vereinssportler auf etwa 3700. Dann kamen wieder 300 hinzu. "Die werden wir wohl wieder verlieren", befürchtet der Vereinsvorsitzende. Die Alternative? "Wir fahren unsere Online-Angebote wieder hoch", kündigt er an. Zum Beispiel Group-Fitness, zum Beispiel Aerobic könne man gut zu Hause mitmachen.

Beim 1. SC Gröbenzell finden in normalen Zeiten 24 Sportarten in 20 Abteilungen regelmäßig statt. Etwa 3200 Mitglieder hat der Verein. Wieder einmal heißt es, festzustellen, was geht und was nicht geht. Nachdem der Verein seit September sein Angebot und die Aktivitäten wieder hochgefahren hat, geht nun alles wieder ziemlich bergab. "Wir haben ständig Teamsitzungen und Besprechungen", sagt Vorstandsmitglied Anita Rieger. Sie selbst ist als ehemalige Geräteturnerin seit 25 Jahren Übungsleiterin im Turnen. "Die Aerobic-Gymnastik läuft wieder online", sagt Rieger. Das Eltern-Kind-Turnen habe man bisher in Präsenz aufrechterhalten. "Die Mütter bringen brav ihre Tests mit", so die Schatzmeisterin des Vereins. Sie hat noch keinen Überblick, ob jetzt wieder, wie im Vorjahr, zum Jahresende eine Kündigungswelle kommt. Fest steht für Rieger: "2 G ging noch, aber 2 G plus stellt uns vor Probleme, dafür haben wir noch keine Lösung." Steffen Enzmann, der BLSV-Kreisvorsitzende, hofft, dass der Sportverband noch Einfluss nimmt, um Korrekturen für die Vereine bei der Staatsregierung zu erreichen. So richtig überzeugt davon klingt der Gröbenzeller jedoch nicht.

© SZ vom 30.11.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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