Corona - eine Krankheitsgeschichte, Fall 2:Auf dem Ei fehlt das Salz

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Eckart Lutzeier auf dem Areal von Kloster Fürstenfeld, wo seine Security-Firma ihr Büro hat. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eckart Lutzeier infiziert sich in der ersten Welle und steckt unwissend Familienmitglieder an. Zeitweise verliert er seinen Geschmackssinn

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Ist da kein Salz auf dem Ei? Doch, eigentlich schon. Aber er kann es nicht schmecken. Und den morgendlichen Kaffeeduft in diesem Moment nicht riechen. Dieses Frühstück Mitte März bleibt Eckart Lutzeier in Erinnerung. Er hat damals seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren. Ist das ein Indiz dafür, dass er sich mit dem Coronavirus infiziert hat? Er zieht diese Möglichkeit in Betracht und macht einen Termin im Testzentrum aus, das der Landkreis im Fürstenfeldbrucker Gewerbegebiet Hasenheide eingerichtet hat und das damals, im Frühjahr, noch als "Drive-Through"-Station organisiert ist. Also, mit dem Auto kommen, vorfahren, Fenster auf und Abstrich nehmen lassen. Wieder heimfahren und warten. Am nächsten Morgen liegt das Ergebnis vor, das Brucker Gesundheitsamt informiert Eckart Lutzeier darüber, dass sein Test positiv ist.

Die Symptome hatten es erahnen lassen. Der Geruchs- und Geschmacksverlust, starker Husten, extreme Gliederschmerzen. Angefangen hatte es zunächst mit einer Mittelohrentzündung, wie er sie schon häufiger hatte. Doch dann fängt er an zu zweifeln: "Das ist was Anderes." Deshalb lässt er sich testen. Doch wie bei einer Vorsorgeuntersuchung erwartet derjenige, der zum Testen geht, ja eigentlich, dass das Ergebnis Entwarnung bedeutet. Oder hofft es zumindest. Das positive Testergebnis "habe definitiv was ausgelöst", bestätigt Eckart Lutzeier jetzt, ein Dreivierteljahr später. Es ist die erste Corona-Welle, die Mitte März anschwillt. Und damals, sagt Lutzeier heute, "wollte man sich ja noch nicht so outen". Man habe zunächst nicht gewusst, "wie man damit umgehen soll". Die Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus war neu, man wusste wenig darüber. Auch Lutzeier wusste nicht, wo er sich angesteckt haben könnte.

Eckart Lutzeier ist jetzt 57 Jahre alt und noch nicht so richtig Risikogruppe. Ein Mann von großer, robuster Statur. Seit zwanzig Jahren führt er in Fürstenfeldbruck eine Firma, die Sicherheitsdienstleistungen und Gebäudeservice anbietet, entsprechend viel Kundenkontakt hat er. Und ein ängstlicher Typ ist er eigentlich auch nicht. Aber die Diagnose steckt auch einer wie er nicht einfach so weg. Zwar sei er nach dem Test zunächst "irgendwie befreit" gewesen, doch er habe auch "ein Stückchen Angst" gehabt. Die Frage: "Was passiert jetzt mit dir?" Oder: "Wenn du Pech hast, dann stirbst."

Er hat einen Cousin, der ist Arzt. Mit dem tauscht er sich in den folgenden Wochen regelmäßig aus. "Da war ich dann im Thema drin", sagt Eckart Lutzeier. Er isoliert sich, bleibt drei Wochen in Quarantäne und geht der Familie, so gut es geht, aus dem Weg, wie er sagt. Der Husten wird stärker, am fünften Tag kommen Atembeschwerden hinzu, er "kriegt schlecht Luft", erzählt der Vater von vier Kindern, von denen eines noch im Haushalt lebt. Er fühlt sich "platt", schläft vier, fünf Tage lang fast durchgehend. Er schwitzt, vor allem nachts. Er isst nichts, trinkt nur Wasser und Tee, nimmt binnen acht Tagen zehn Kilo ab. Vielleicht sei er auch zusätzlich durch die Mittelohrentzündung geschwächt gewesen.

Und, klar, er informiert sich, "liest die neuesten Horrornachrichten", wie er sagt: "Der größte Fehler." Die Bilder aus Italien sind damals präsent. Särge auf Lastwagen. So was prägt sich ein, vor allem wenn man selbst von jener Krankheit betroffen ist, die diese Bilder ausgelöst hat. Das Schlimmste sei gewesen, dass "du alles mit dir selber ausmachen musst". Er ist ja in Quarantäne. Er denkt darüber nach, wie das sein muss, wenn man so sehr erkrankt, dass man auf die Intensivstation muss "und dann niemand zu dir darf".

Nach sieben, acht Tagen klingen die Symptome ab. Als erstes geht das Fieber runter, das zwischenzeitlich bis auf 39,8 Grad gestiegen war. Dann wird es "von Tag zu Tag besser", er kann wieder riechen und schmecken. Die häusliche Quarantäne funktioniert, seine Ehefrau steckt sich nicht an. Dafür aber Mutter, Stiefvater, Bruder - möglicherweise als man sich sonntags wie immer bei der Mutter trifft. "Das war für mich psychisch eine Riesenbelastung." Was, wenn jemand aus der Familie stirbt? Er sorgt sich vor allem um die Mutter, die im Dezember 2019 noch eine Herz- und Lungenembolie hatte. Sie ist jetzt 84, ihr Ehemann 78. Bei der Familie nimmt die Infektion einen relativ leichten Verlauf, Eckart Lutzeier ist erleichtert.

Er selbst ist noch nicht wieder so belastbar, wie er vorher war. Er ist immer noch müde, mehr als eine halbe Stunde auf dem Trainingsrad zu Hause ist noch nicht drin. Er könne Leute nicht verstehen, die behaupteten, Corona sei nicht so schlimm. Er wünscht sich deshalb, dass alle diese schwere Zeit gesundheitlich und geschäftlich gut überstehen.

© SZ vom 24.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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