Besuch bei Senioren:Ein bisschen Spaß in Zeiten der Isolation

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Unterhaltung auf Distanz: Christiane Schmidbauer und Renate Lindner (im Hintergrund) bei ihrem Auftritt im Pflegezentrum Eichenau. (Foto: Max Neumair/oh)

Zwei Frauen verschaffen als "Gesundheitsclowns" den Bewohnern des Eichenauer Pflegeheims Ablenkung

Von Maximilian Neumair, Eichenau

Die Senioren des Evangelischen Pflegezentrums Eichenau sitzen zusammen mit ihren Pflegern an ihren Fenstern und Balkonen. Die Blicke sind auf den Innenhof gerichtet. Plötzlich ertönt ein quietschendes Tröten, das aus weiter Ferne zu hören ist und immer näherkommt: die "Gesundheitsclowns" sind da. In ihren bunten Kostümen kommen Christiane Schmidbauer, 61 aus Oberhaching, und die Bruckerin Renate Lindner, 47, mit einem breiten Grinsen angewatschelt. Man kennt sie bereits gut. Über das Jahr sind sie mehrmals zu Besuch. Und jetzt in der Corona-Krise und dem Besuchsverbot kommen die beiden Frauen erst recht gerne.

"Es gibt derzeit nichts, was aufmuntert oder Abwechslung bringt. Da ist so ein Auftritt goldwert", sagt die Ergotherapeutin Carina Kell, die sich um die Veranstaltungen im Pflegezentrum kümmert. Die Traurigkeit und das Vermissen steigen mit jeder weiteren Woche. Derzeit dürfen die Bewohner keine Besuche empfangen oder Kontakt mit fremden Personen aufnehmen. Ansonsten müsse es eine 14-tägige Quarantäne geben, bei der nicht das Zimmer verlassen werden dürfe. Die Gesundheitsclowns wollen "Farbe ins graue Gefühl reinbringen", wie Schmidbauer sagt. Die Beiden sehen sich selbst als die moderne Brucker Version der Schäffler, die bekanntlich zu Pestzeiten den Menschen Ablenkung verschaffen wollten. "Das macht total Spaß und wir nehmen selber viel mit", sagen die beiden. Das Ablenken der Menschen sei auch für sie selbst und ihren Umgang mit der derzeitigen Situation wichtig. Die nebenberuflich als Gesundheitsclowns arbeitenden Frauen kennen sich seit dem Abschluss ihrer zweieinhalb-jährigen Ausbildung von vor drei Jahren und sind seitdem zusammen unterwegs. Hauptberuflich arbeitet Lindner bei der Kinderhilfe Fürstenfeldbruck und Schmidbauer als Tontechnikern beim BR.

Bei Sonnenschein und Vogelzwitschern stellen sich die beiden Frauen in den Innenhof und unterhalten sich mit den Bewohnern des Pflegeheims durch gegenseitige Zurufe. Für diese kontaktlose Begegnung haben sich die Clowns kurzerhand ein neues Programm ausgedacht. "Das Musizieren und Klatschen auf den Balkonen in Italien hat uns inspiriert", erzählt Lindner. "Da dachten wir uns, wir müssen irgendwie auch so etwas machen." Auf humorvolle Art und Weise gehen sie auf die Sicherheitsvorkehrungen ein, die dieser Tage getroffen werden müssen. So packen sie beispielsweise Meterstäbe aus, um den Abstand zu den Balkonen zu überprüfen und ziehen sich ihren Mundschutz übers Knie und ihren mitgebrachten Musikständer. Neben den Albereien als Clowns singen sie selbst komponierte Lieder, die sich als roter Faden durch ihr Programm ziehen. "Wir denken uns Lieder aus und schauen, diese singbar zu machen", sagt Schmidbauer. Sie begleitet das Singen mit der Ukulele. Gut gelaunt singen und summen die Leute mit. Ihre strahlenden Gesichter sind selbst aus der Entfernung gut zu erkennen. "Wir sind Kontaktarbeiter. Wir müssen zu den Menschen hin und das geht jetzt nicht", sagt Schmidbauer. Dennoch lächelten die Leute und darauf komme es an. "Der persönliche Kontakt ist uns wichtig", sagt Lindner und das merkt man auch am Programm. Trotz räumlicher Distanz gehen sie immer wieder auf ihr Publikum und deren Reaktionen ein. Als sie große Seifenblasen durch den Innenhof fliegen lassen, entspannt sich beispielsweise ein humorvolles Geplänkel zwischen Bewohner und Gesundheitsclowns über die Seifenblasen als Ersatz fürs gewöhnliche Händewaschen und Händedesinfizieren. "Die Leute machen so gut mit, dass es da einen aus den Schuhen haut", sagt Lindner.

Sie und Schmidbauer improvisieren das Geschehen und nutzen die Steilvorlagen der Leute. "Jeder wird miteinbezogen", betont Lindner. Wichtig für die beiden ist vor allem, authentisch gegenüber den Menschen zu sein. Nach ihrem Auftritt seien ihre Stimmen durch das viele Rufen ganz schön erschöpft, wie die Gesundheitsclowns verraten. Es ist bereits der vierte Termin an diesem Tag gewesen. Sollten die derzeitigen Auflagen für soziale Einrichtungen länger gelten, können sich die Beiden vorstellen, die Auftritte auf Distanz zu wiederholen.

© SZ vom 14.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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