Beliebter Kunsthandwerkermarkt:Tauwetter in der Glitzerwelt

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Maisacher Weihnachtszauber ohne Schnee, aber mit viel Flair

Von Stefan Salger, Maisach

Die Schneekönigin ist da. In ihrem wehenden Umhang schwebt sie förmlich übers Festivalgelände. Und der Eiskünstler ist da. Ein Dreigestirn aber lässt sich beim Weihnachtszauber-Festival in Maisach nicht blicken: Der Winter. Die Kälte. Der Schnee. So ist das auch am Samstag. Der Kies knirscht unter den Schuhen. Weihnachtszauber bei zehn Grad plus? Der rege Besuch zeigt, dass die Mischung aus Musik, Happening und Kunsthandwerkermarkt nicht nur bei Minusgraden funktioniert.

Als am Sonntagnachmittag der große Regen einsetzt, verlagert sich das Geschehen eben mehr nach drinnen und die Schirme werden aufgespannt. Man lasse sich vom Wetter gewiss keinen Strich durch die Rechnung machen, sagt eine Frau, die mit ihrer Familie am Glühweinstand steht. Das rot-gelbe-Zelt wartet mit Kunsthandwerk à la Tollwood auf. Da stehen geschnitzte Tierfiguren der Dachauer Künstlerin Betina Fichtl-Haberland, nebenan gibt es Schmuckstücke, Töpfe aus Zirbelholz oder originelle Vogelfutterstelen aus Tassen und Untertassen. Sehr stilvoll ist auch der Festplatz dekoriert. Zwischen Buden, Essensständen und Zelten stehen Christbäume und eine lange Tafel mit weißer Tischdecke sowie silbernen Kerzenständern und Kronleuchtern.

Antonia Behr (ganz rechts) staunt, was Christian Staber so alles aus einem Eisblock sägt. (Foto: Matthias Döring)

Völlig unbeeindruckt vom Tauwetter ist ausgerechnet jemand, der doch auf Minusgrade angewiesen sein müsste. Christian Staber aus Nussdorf ist Eiskünstler. Hinter ihm hängt eine ganze Palette von Werkzeug - Stemmeisen in allen Größen, Sägen, Hämmer. Vor allem aber greift er zu einer handlichen Elektrokettensäge. Jeder Handgriff sitzt, man merkt, dass der Bildhauer nicht zum ersten mal die "Sternschnuppe mit Mond" aus dem gut einen Meter hohen, milchigen Eisblock herausarbeitet. Und doch wirkt es an diesem Tag wie der Wettlauf gegen die Zeit. Von einem Zacken des Sterns tropft es bereits herab. Der 50-Jährige lässt noch den Bunsenbrenner losfauchen, um dem Kunstwerk die harten Kanten zu nehmen und Transparenz zu verleihen. 1997 hat Staber das Hobby zum Beruf gemacht. Seither tingelt er mit Geländewagen und Kühlanhänger in der Wintersaison über die Weihnachtsmärkte und genießt die große Aufmerksamkeit der Zuschauer und das bisweilen ungläubige Staunen der Kinder. In diesem Jahr, verrät Staber in einer Pause, sei es temperaturmäßig bereits seit November eine echte Herausforderung. Am Sonntag hat er eine halbe Tonne Eisblöcke mitgebracht. Einige Kunstwerke sollen am Nachmittag versteigert werden. Bis zum nächsten Morgen wird die Sternschnuppe mit Mond wohl durchhalten. Ohne Kühlung würde sie dann aber unwiderruflich dahinschmelzen.

Beständiger sind die Kunstwerke von Doris Schindler aus Oberschweinbach. Auch sie greift in letzter Zeit vermehrt zur Kettensäge, bearbeitet damit aber einen haltbareren Werkstoff: Holz in allen Variationen. Schindler ist mit "Holz fürs Herz" erstmals dabei auf so einem Festival, und sie ist ziemlich begeistert von der Resonanz. Das macht sie gar nicht so sehr am Umsatz fest, sondern viel mehr an dem großen Interesse und der Wertschätzung der Besucher. Einige nehmen gerne die Einladung an, auf eine Tasse Tee hereinzukommen. Doris Schindler ist eigentlich Mediengestalterin. Aber sie arbeitet seit zwei Jahren Schritt für Schritt darauf hin, ganz auf die Holzkunst umzusteigen. Viel erfüllender sei das. Zudem hat sie Glück, dass ihr Mann Metallbauer ist und sie die vielen Bearbeitungsgeräte mitbenutzen kann. Die teils wundersam knorrigen Hölzer, die sie veredelt und mit Steinen ergäzt, sammelt sie entweder buchstäblich vor der eigenen Haustür am Waldrand oder als Treibholz am Ammersee oder im Urlaub in Kroatien. Mit Tulpen aus Holz fing es an, längst bietet sie auch Weinständer aus Treibholz an, Küchenutensilien oder massive Halter für Handy oder Tablet. Eines der Exponate ist unverkäuflich: der Herzbaum aus einer alten Wurzel. "Das bin ich", ist mit einem Brennkolben eingraviert, gefolgt von einem originellen Text. Auf Bestellung wird sie Repliken anfertigen, aber dieses Unikat ist Doris Schindler zu sehr ans Herz gewachsen. Da bleibt sie hart wie Eichenholz.

Dosis Schindler in ihrem Holz-Stand. (Foto: Matthias Döring)

Den Weihnachtszauber-Festival findet die Künstlerin aus Oberschweinbach ziemlich genial. Deshalb wird sie sich wohl auch für die Juli-Variante, die "Kunst im Stadl" in Anzhofen bei Maisach, bewerben. Da trifft es sich, dass die Veranstalterin hier wie dort die gleiche ist: Helga Backus. Die Maisacherin zeigt sich am Sonntag ebenfalls sehr zufrieden mit der winterlichen Premiere und will das Festival im nächsten Jahr wiederholen - vielleicht mit einem zweiten großen Zelt, aber sicher wieder mit viel Musik und Handwerkskunst. Vielleicht gibt dann Kälte und Schnee statt Regen und Wind - wegen starker Böen hatte der komplette Freitag und die samstägliche Feuershow abgesagt werden müssen.

© SZ vom 24.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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