Germering:Gedränge im Abgeordnetenbüro

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Die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge ist für die Landkreise Starnberg und Landsberg zuständig und hat ein Büro in Germering. (Foto: Johannes Simon)

Von Bauernprotest bis Kanzlertausch reichen die Themen, denen sich Carmen Wegge und Michael Schrodi bei der Diskussion mit Menschen aus ihren Wahlkreisen in Germering stellen.

Von Karl-Wilhelm Götte, Germering

Die SPD-Bundestagsabgeordneten Carmen Wegge und Michael Schrodi hatten zur politischen Debatte geladen. 25 Besucherinnen und Besucher drängten sich im kleinen Germeringer Büro von Wegge. Die Diskussionslust der Anwesenden war fast zwei Stunden lang enorm; schließlich läuft es für die SPD und Kanzler Olaf Scholz zurzeit nicht gerade rund. Gekommen waren natürlich SPD-Mitglieder, aber auch ein Drittel Parteilose. Aus der SPD heraus wurde Boris Pistorius als Kanzlernachfolger für die nächste Bundestagswahl ins Gespräch gebracht.

"Warum sind die Landwirte so wütend?", fragt der Bauern-Obmann

Die beiden SPD-Abgeordneten verteilten zunächst ein vierseitiges Papier mit 21 "Erfolgen", die sich die Partei in der Regierung zuschreibt. Aufgeführt werden auch die Erhöhung des Bürgergelds, das Deutschlandticket, höheres Wohngeld, Verkleinerung des Bundestags und die Unterstützung der Ukraine. Zunächst konfrontierte Kreisbauernobmann Matthias Heitmayr aus Dünzelbach Schrodi nochmals mit den Anliegen der Landwirte. Heitmayrs Motto, auf zwei Seiten mit vielen Zahlen belegt: "Warum sind die Landwirte so wütend?" Schrodi, der überraschend einen zusätzlichen Termin wahrnehmen musste und sich nur kurz der Diskussion stellte, zeigte sich gegenüber dem Bauernvertreter nicht mehr kompromissbereit.

SPD-Mitglied Klaus-Dieter Schiffauer lenkte die Diskussion dann erst einmal in Richtung des Themas "Freigabe von Cannabis". "Sie kommt am 1. April", bekräftigte Carmen Wegge. "Ich habe das für die SPD-Fraktion als Berichterstatterin fertig verhandelt", sagte die 34-Jährige. 25 Gramm für jeden und drei Pflanzen im Garten oder auf dem Balkon werden dann wohl straffrei bleiben. Juristin Wegge hob noch hervor, dass in Deutschland dann "ohne Kommerz legalisiert wird". Das sei etwas "sehr Sozialdemokratisches". In den Niederlanden werde der Verkauf geduldet, aber die organisierte Kriminalität würde mitverdienen.

Die Glaubwürdigkeit von Olaf Scholz wird in Frage gestellt

Ehe ein AfD-Verbot breit diskutiert wird, bekräftigte Wegge im Hinblick auf die Migration, dass die SPD das Recht auf Asyl nicht abschaffen, sondern die Geflüchteten in Arbeit bringen wolle. Ein Diskussionsteilnehmer hatte zuvor aus einer niederländischen Studie zitiert, dass jeder "Illegale" angeblich 625 000 Euro koste und fügte hinzu: "Wenn das so ist, werden wir bald kein Wohlfahrtsstaat mehr sein." Den Begriff "illegal" lehnte Wegge ab, sagte aber auch, dass zum Beispiel 8000 Iraker "nicht bleiben können". SPD-Stadträtin Fereschteh Erschadi-Zimmermann lobte das neue Staatsbürgerrecht, schilderte aber auch ihre Erfahrungen, dass eine Familie seit drei Jahren im Landkreis auf ihre Einbürgerung wartet. Auch würden Flüchtlinge liebend gerne arbeiten, aber es klappe nicht.

Ein AfD-Verbot wurde kontrovers diskutiert. "Grenzt man die AfD-Wähler aus", meinte Schiffauer, "kommt es zum Aiwanger-Phänomen." Dann würden diese Wähler mit "jetzt erst recht" reagieren. Wegge zeigte sich eher skeptisch, ob die politische Auseinandersetzung mit der AfD erfolgreich sein kann und tendierte, dazu einen Verbotsantrag zumindest zu prüfen. Darüber, dass die Ampelparteien nicht darauf reagieren, dass die AfD zum Beispiel bei der Plattform Tiktok über riesige Followerzahlen verfügt und "die anderen nichts haben", zeigte sich eine Diskutantin schockiert. Letztlich herrschte Ratlosigkeit im Umgang mit der AfD. Was sollen die Wähler in Sachsen denken, wenn die SPD dort kaum die Fünf-Prozent-Hürde schafft und dann ein AfD-Verbot fordert?

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Zum Abschluss war die Glaubwürdigkeit von Bundeskanzler Olaf Scholz noch ein Thema. "Bei ihm gibt es den 'Laschet-Effekt'", merkte jemand an. Das werde bei der nächsten Wahl ein Riesenproblem für die SPD werden. Wegge nahm Scholz in Schutz, der beim Ukraine-Krieg bisher besonnen gehandelt habe. Trotzdem sah eine ältere SPD-Genossin Verteidigungsminister Boris Pistorius als passende Alternative und meinte: "Der haut auch mal auf den Tisch, und ihn sollte man anstatt Scholz aufbauen." Wegge dementierte auf SZ-Nachfrage alle Gedankenspiele eines aktuellen Kanzlertausches.

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