Barrierefreier Ausbau:90 Meter voneinander entfernt

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Auf dem Bahnsteig erläutern die Projektplaner den Mitgliedern des Senioren- und Behindertenbeirats die Pläne für den Umbau des Bahnhofs. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Vertreter der Bahn sowie von Senioren und Behinderten sind sich weiterhin uneins über den Ausbau des Puchheimer Bahnhofs. Daran ändert auch ein Ortstermin mit Betroffenen nichts

Von Julia Bergmann, Puchheim

Im Streit um den barrierefreien Ausbau des Puchheimer S-Bahnhofs finden die Vertreter des Senioren- und Behindertenbeirats und die Deutsche Bahn nicht zueinander. Das wird bei einer Begehung des Bahnhofs, an der etwa 20 Puchheimer und drei Mitarbeiter der Bahn teilnehmen, deutlich. Die Pläne der Bahn lehnen die Beiräte vehement ab. Für körperlich eingeschränkte Menschen sei die Lösung umständlich und gefährlich. Vertreter der Bahn hingegen verteidigen das Vorhaben. Immerhin erfülle man sämtliche rechtlichen Auflagen.

Während der Bahn-Projektplaner Timo Sporwien noch versucht, die Pläne der Bahn näher zu erklären, prasseln schon die ersten Fragen und der Ärger der Besucher auf ihn ein. Einer der wohl größten Kritikpunkte ist die 90 Meter lange Rampe, die künftig vom Parkplatz zu den Bahnsteigen führen soll. Für Gisela Steger, die auf einen Rollator angewiesen ist, ein zu weiter Weg. Auch der von der Bahn vorgesehene barrierefreie Zugang zum Mittelbahnsteig sei "ein Witz", wie mehrere Besucher betonen. Der mittlere Bahnsteig soll demnach ausschließlich über einen langen, schmalen Tunnel am Ende des Bahnsteigs erreichbar sein, von dem aus ein Aufzug nach oben führt. Ein Bauwerk, das die Interessensvertreter als "Angströhre" bezeichnen. Immerhin ist der Tunnel von außen nicht einsehbar, und somit fehle die soziale Kontrolle. Außerdem halte sich in diesem Bereich kaum jemand auf. Sollte also etwas passieren, käme einem so schnell keiner zur Hilfe, so die Befürchtung.

Ebenso groß ist die Angst davor, dass der Aufzug so häufig defekt sein könnte, wie an anderen Bahnhöfen im Landkreis. "Was soll jemand mit Behinderung tun, wenn er in Puchheim ankommt und der Aufzug nicht geht?", will einer der Besucher vom Projektplaner wissen. Immerhin gibt es nur den Aufzug, um barrierefrei in den Tunnel, also überhaupt vom Mittelbahnsteig wegzukommen. "Nach Eichenau weiterfahren und anschließend wieder nach Puchheim zurück", meint Sporwien. Die Züge, die von Eichenau zurück fahren, halten am südlich gelegenen Außenbahnsteig, den man bereits barrierefrei verlassen kann. Sporwiens Antwort ist für die Besucher wenig überzeugend. Genauso wie der Vorschlag via App Störungsmeldungen des Aufzugs in Echtzeit abzurufen. "Was soll ich dann machen, wenn ich in der App sehe, dass der Aufzug nicht geht?", will ein Mann wissen. "Dann müssen sie den Bahnhof nicht anfahren", sagt Sporwien. Ungläubiges Raunen unter den Puchheimern. Dem Versprechen, dass modernste und wartungsarme Aufzüge eingesetzt werden, glauben die Besucher nicht.

Für Hermann Grüsser, der im Rollstuhl sitzt, ist die Planung der Bahn nur schwer nachvollziehbar. Für ihn bedeutet sie vor allem eines: "Ich verliere meine Selbstbestimmtheit." Grüßer favorisiert, wie die meisten der Besucher, eine vom Behinderten- und Seniorenbeirat ausgearbeitete Alternative: den Bau eines nördlichen Außenbahnsteigs, der dann ebenso wie der südliche barrierefrei zugänglich wäre. Eine Alternative, die Sporwien als "Übererschließung" bezeichnet und die die Bahn unter anderem ablehnt, weil der neue Bahnsteig schließlich unterhalten werden müsse, also ein dauerhaft laufender Kostenfaktor wäre. Eine Alternative, die bisher vom Auftraggeber, der Obersten Baubehörde im bayerischen Innenministerium nicht an die Bahn herangetragen, also auch nicht geprüft wurde. Bei der anschließenden Sprechstunde der DB-Planer im Rathaus findet sich immerhin ein Besucher, der die Bahn-Lösung positiv bewertet. Immerhin gebe es dann eine weiteren Zugang zum Bahnsteig im hinteren Bereich.

Zuversichtlich, noch etwas ändern zu können, sind weder Richard Ullmann noch Karl-Heinz Türkner, die Vorsitzenden des Behinderten- sowie des Seniorenbeirats. Trotzdem wollen sie weiterkämpfen. "Wir hören erst auf, wenn die ersten Bagger rollen", sagt Türkner.

© SZ vom 15.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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